Juristische Mediation

Konflikte in Bauprojekten ohne Gerichte managen

Recht und Normen
Um Problemen in Bauprojekten entgegenzuwirken, ist es wichtig, Konfilktherde früh zu erkennen, oder während der Bauphase möglichst zu vermeiden. Foto: Adobe Stock

Steht ein Projekt erst einmal still, weil Bauherr und Auftragnehmer einen Dissens haben, verlieren alle Beteiligten Zeit und Geld. Bevor die Zeit-Kosten-Schere sich weiter vergößert, ist schnelles Handeln gefragt. Im Interview mit ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga erklären Dr. Berthold Kohl sowie Susanne Corinth von der Kanzlei Kohl Law, wann Konfliktmanagement am Bau erfolgreich sein kann.ABZ: Was sind die häufigsten Ursachen für Konflikte in der Bauphase?Kohl: Umfangreiche, oft mehrere hundert oder tausend Seiten umfassende Ausschreibungsunterlagen, die nicht selten von unterschiedlichen Autoren stammen, werden nicht in ihrer Gesamtheit auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft. Dann kommt es zu Planungsfehlern. Fällt der Fehler auf, kann oft nicht weitergebaut werden, es muss in der Regel neu geplant werden. Da spielen Statik, Verfügbarkeit von Baumaterial und Arbeitskräften oder auch Lieferzeiten eine Rolle.ABZ: Mit anderen Worten: Auf der Baustelle wird Zeit verloren und zusätzliche Kosten werden produziert. Beides will keiner der Beteiligten. Und sofort steht die Frage im Raum: Wer ist für den entstandenen Schaden verantwortlich?Corinth: Solche Rechtsstreitigkeiten werden für gewöhnlich vor Gericht ausgetragen, was wiederum Zeit und Geld kostet. Die Kostenspirale setzt sich in Gang – bei ungewissem Ausgang für die Beteiligten. Wir versuchen darum, einen alternativen Weg zu gehen: Ein flexibles Konfliktmanagement, das unabhängig von Vorgaben, Fristen und ohne gerichtliche Verfahren einen schnellen Erfolg verspricht. Wir wollen solche Konflikte ohne Gerichte lösen.

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Dr. Berthold Kohl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Vergabe- und Steuerrecht, Avocat à la Cour (Barreau de Luxembourg) und Abogado Inscrito (ICA Málaga), Baumediator, Bauschlichter und Bauschiedsrichter (SOBau).

ABZ: Daran müssten eigentlich alle Konfliktparteien ein Interesse haben . . .Kohl: Das ist genau der Punkt, an dem unser Konfliktmanagement ansetzt: Die streitenden Parteien haben sich normalerweise in ihren Positionen eingemauert. Man muss diese starren Positionen aufbrechen. Die zentrale Frage: Gibt es gemeinsame Interessen, gibt es Fragen, in denen es einen Konsens geben kann? Wenn man bereit ist, seine Kampf-Position einmal zu verlassen, erkennt man, es gibt tatsächlich Brücken, über die beide Parteien gehen können. Meist wollen alle das Projekt erfolgreich zu Ende bringen. Alleine aus einem ökonomischen Zwang heraus. Hinzu tritt auch eine Art Berufsethos oder Berufsehre. Man will, dass am Ende etwas qualitativ Hochwertiges dasteht. Das bringt alle an einen Tisch.ABZ:: Wie läuft das Konfliktmanagement konkret ab?Corinth: Die Eingangsfrage ist: Wie bringen wir die einzelnen Interessen übereinander, um das gemeinsame Ziel Baufortsetzung zu erreichen? Wir nutzen dabei, losgelöst von allen juristischen und rechtlichen Überlegungen, die Kreativität aller beteiligten Profis. Alles kommt auf den Tisch, alles kann vorgebracht werden, ohne dass es gleich juristische Konsequenzen hat. Ein gravierender Vorteil gegenüber einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Wenn sich die Parteien lösungsorientiert aufeinander zubewegt haben, können wir am Ende ein rechtssicheres Paket schnüren. Unser Konfliktmanagement endet also mit ganz konkreten, verbindlichen Vereinbarungen, die von beiden Parteien unterschrieben werden – und damit neue Handlungsgrundlage sind.ABZ: Das hat mit klassischer Mediation nur bedingt zu tun.Corinth: Wir nutzen zum Teil gleiche oder ähnliche Methoden – aber mit unterschiedlichem Ziel. Wir suchen nicht vordergründig Harmonie, sondern vor allem Rechtssicherheit. Im Übrigen: Alles am Bau ist juristisch. Unser Vorteil ist, dass die meisten Berater in unserer Kanzlei Bauerfahrung haben – zum Beispiel aus früheren Tätigkeiten. Am Ende steht ja im juristischen Sinne ein außergerichtlicher Vergleich, der in der Praxis standhält. Und ein Vergleich, der nicht von Juristen gemacht wurde, ist ein schlechter Vergleich.ABZ: Bauen ist ein extrem komplexer Prozess, an dem Experten der unterschiedlichsten Bereiche zusammenarbeiten. Kann das juristisch tatsächlich abgebildet werden?Kohl: Manchmal geht es in der Tat um Spezialwissen. Dafür haben wir etwas erfunden: Statt – wie üblich – Sachverständige mit Gutachten zu beauftragen – was lange dauert und teuer ist – beziehen wir sie in die Lösungsfindung ein. Der Experte kann so die technische Seite "filtern" und beurteilen, welcher Vorschlag machbar ist und welcher nicht.ABZ: Lassen sich alle Konflikte mit diesem Ansatz lösen oder gibt es hoffnungslose Fälle?Kohl: Eine solche Mediation ist immer freiwillig. Man muss sie mitmachen wollen! Es gibt kaum eine Frage, ob technisch oder juristisch, die man nicht durch Mediation lösen könnte, wenn man nur will. Es ist unser Anspruch, dass wir die allermeisten Fälle, die während einer Projektlaufzeit auftreten, am Ende mediativ lösen können.

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Susanne Corinth ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwältin für Vergaberecht.

ABZ: Zum Konfliktmanagement gehört auch die Konfliktvermeidung. Wie gehen Sie hier vor?Corinth: Es gibt zwei Ansätze. Sie können zum einen versuchen, Friktionen im Vorfeld auszumachen, um Konfliktherde frühzeitig zu erkennen. Das machen wir in der Regel für Bauherren während der Ausschreibungsphase. Bei der anderen Art Konfliktvermeidung geht es um Umsetzungsmängel in der Bauphase. Es wurde schlecht gearbeitet, unzureichend kontrolliert oder die Beteiligten kriegen sich anderweitig in die Haare. Wieder droht ein Baustopp.ABZ: Also geht es darum, dass der Konflikt gar nicht erst ausbricht?Kohl: Exakt. Hierfür haben wir unser Tool der "Stand-By-Schlichtung" entwickelt, für das uns der Auftraggeber alleine oder auch gemeinsam mit dem Auftragnehmer im Vorfeld engagiert. Wir sind im Konfliktfall schnell im Thema und können eingreifen, "bevor der Beton hart geworden ist". Diese Eingriffsmöglichkeit kann man in den Verträgen vorsehen, so dass alle Vertragspartner Bescheid wissen und darauf zugreifen können, wenn Unheil droht. Wir implementieren diese Möglichkeit inzwischen recht häufig.ABZ: Wird diese Art der Schlichtung dann nicht ständig genutzt? Nach dem Motto: Mir passt gerade etwas nicht, also ruf ich die Anwälte? Kohl: Eher das Gegenteil ist der Fall. Genutzt wird sie selten. Es hat eine Art disziplinierenden Einfluss, man will es nicht so weit kommen lassen. Und wenn doch, sind wir schnell vor Ort, Stand-by eben. Wir sind ständig im Hintergrund involviert. Unsere Schnelligkeit ist daher unser Vorteil. Denn das schlimmste ist Zeitverlust durch Stillstand. Das will keiner.ABZ: Funktioniert Ihr System des Konfliktmanagements auch bei internationalen Projekten?Corinth: Durch unsere internationale Ausrichtung können wir auch solche Projekte betreuen. Wir haben intern an den verschiedenen Standorten in Deutschland, Luxemburg und Spanien die nötige Expertise, juristisch und fachlich, sprechen mehrere Sprachen. Wir kennen uns zudem in den verschiedenen Rechtskulturen aus. Ein echtes Pfund für die Akzeptanz bei den Beteiligten.ABZ: Wie wird im Ausland Ihr Ansatz der Mediation aufgenommen?Kohl: Gut. Die Akzeptanz für Mediation und unser Konfliktmanagement nimmt im Ausland deutlich zu. Eine Mediation ist selbst mehrsprachig leichter und effizienter als ein Gerichtsprozess.ABZ: Der Einsatz solcher Konfliktbewältigungsmethoden ist aber doch eher noch eine Ausnahme.Kohl: Nach wie vor sind gerichtliche Lösungen der größte Baum in der Landschaft. Ein zweiter ist die Schiedsgerichtsbarkeit. Grund ist, man will eine Entscheidung. Und die soll jemand "Neutrales" herbeiführen. Mit unserem Ansatz des Konfliktmanagements wollen wir hingegen eine gemeinsame Entscheidung erzielen. Das ist der Unterschied. Aber unser Pflänzchen wächst und gedeiht.

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