Kalksandstein-Innovationsforum 2020

Branche diskutiert Wege zur Klimaneutralität

Kalksandstein
Jochen Bayer, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie e. V., begrüßte die Teilnehmer des Innovationsforums 2020. Fotos: Bachmann

Hannover (rb). – Die Klimaschutzziele Deutschlands und der EU sehen vor, dass ab 2050 so gut wie keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen. Dafür jedoch müssen die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend umgebaut werden. Eine zentrale Rolle dabei spielen die Bau- und mit ihr die Kalksandsteinindustrie. Letztere hatte kürzlich Branchenvertreter sowie Experten aus Praxis und Lehre zum diesjährigen Innovationsforum in Hannover geladen, um über mögliche Wege und bereits bestehende Ansätze hin zu einer "klimaneutralen" Kalksandsteinindustrie zu diskutieren.Die Covid-19-Pandemie überlagert thematisch derzeit alles. "Hoffentlich ist sie bald überstanden, damit wir uns wieder den 'schönen' Dingen widmen können, dem Klimawandel", zitierte Jochen Bayer, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie e. V. (BV KSI), den Kommentar eines Branchenkollegen in seiner Eröffnungsrede zum diesjährigen Innovationsforum in Hannover. Ungeachtet der leicht ironischen Note steckt in diesen Worten eine bittere Wahrheit. Der Virus mag aktuell die größte Herausforderung für die Welt darstellen, der Klimawandel wird uns jedoch wesentlich nachhaltiger beschäftigen und könnte ohne entschiedenes Eingreifen noch viel größere Schäden zur Folge haben.Die gute Nachricht: Das Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz ist momentan so stark wie noch nie. Das führt in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen zu einem Umdenken. Auch in der Kalksandsteinindustrie. "Deshalb nutzen wir den heutigen Tag, um uns mit den ökologischen und damit auch ökonomischen Herausforderungen allgemein und speziell für unsere Industrie auseinanderzusetzen und über Chancen und Potentiale der Kalksandsteinproduktion von morgen zu diskutieren", sagte Bayer. Dabei sei die gesamte Wertschöpfungskette gefragt. Entsprechend hatte der Verband auch Vertreter der Zulieferindustrien, Rohstoffproduzenten und Experten aus dem Transportsektor zur Diskussion eingeladen.

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Prof. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Einen Überblick über die aktuellen klimatischen Verhältnisse und die Auswirkungen der Klimaerwärmung gab zu Beginn des Innovationsforums der Klimaforscher Prof. Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Positive Botschaften gab es dabei erwartungsgemäß nicht, dafür eine Menge trockene Fakten: Der Klimawandel sei menschengemacht, CO2 erhöhe die Temperatur und dadurch schmelze das Eis an den Polkappen. "Das ist reine Physik, dafür braucht es keine Computermodelle", betonte der Experte, wohl auch in Richtung derer, die noch immer Skepsis gegenüber dem Klimawandel hegen. Am Ende seines Vortrags appellierte Levermann: "Um das Klima beziehungsweise die Temperatur unseres Planeten zu stabilisieren, brauchen wir nicht weniger Emissionen, sondern Null! Das Klima wird nicht aufhören uns an die Notwendigkeit des Strukturwandels zu erinnern. Null das bedeutet nicht Verzicht, sondern Innovation und Wettbewerb. Wer als erster kohlenstofffrei produzieren kann, hat gewonnen."Und hier steht die deutsche Industrie mächtig unter Druck. Das bestätigte auch Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Deutschland gelte weltweit als Treiber für Innovationen, Fortschritt und Effizienz. Und das müsse fortgesetzt werden, so Lösch.Besonders schwer wiegt dieser Druck auf der Beton- und Zementindustrie, wie Dr. Martin Schneider, Hauptgeschäftsführer des Vereins Deutscher Zementwerke bestätigte. Ihr werden bis zu 8 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes zugerechnet. "Gleichzeitig nimmt der Bedarf für unsere Produkte auch nicht ab, sondern eher zu", so Schneider. "Deshalb muss sich die Beton- und Zementindustrie fundamental wandeln." Dafür gebe es bereits vielfältige Ansätze, um die Produktion klimafreundlicher zu gestalten, CO2 in der Produktion abzuscheiden sowie CO2 zu speichern – ein Ansatz, der in Deutschland derzeit eher stiefmütterlich behandelt werde, der jedoch dringend erforderlich sei, so Schneider. Entscheidend sei am Ende vor allem auch der Umgang mit den Produkten. Der Weg der Beton- und Zementindustrie führe langfristig weg von einer volumenbasierten, hin zu einem wertebasierten Umgang mit den Ressourcen, erklärte Schneider. Klar sei dabei aber auch, dass die Produkte am Ende teurer würden.

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Die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln waren ein wichtiger Bestandteil des Kalksandstein-Innovationsforums. Foto: Henning Stauch/Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.

Da aktuell rund zwei Drittel der verursachten CO2-Emissionen im gesamten Kalksandstein-Produktionsprozess auf die Verwendung des Rohstoffs Kalk zurückzuführen sind, kommt dieser Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität eine besondere Rolle zu. Die Kalkindustrie geht sogar noch ein Schritt weiter: "Energieeffiziente Öfen waren für die Kalkindustrie schon immer ein wesentliches Thema, da die Kalkproduktion hoch energieintensiv ist. Durch unsere Prozessemissionen sind wir aber auch CO2-intensiv. Hier verstärken wir daher unsere Anstrengungen um ein Vielfaches. Denn wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2050 nicht nur klimaneutral zu produzieren, sondern durch unsere Produkte sogar klimapositiv zu werden!", sagt Martin Ogilvie, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Kalkindustrie e. V.Um das übrige Drittel an Emissionen aus der eigentlichen Kalksandsteinherstellung zu reduzieren, müssen die Herstellungsprozesse sowie der Maschinenpark der Kalksandsteinwerke entsprechend optimiert werden. Und das möglichst zeitnah. Denn bereits ab 2021 sind für alle Kalksandsteinwerke je nach Emissionshöhe CO2-Abgaben in nicht unbeträchtlichem Umfang zu leisten. Hier ist auch Zulieferindustrie gefragt, Lösungsansätze zu bieten. Wie diese aussehen können, zeigten Hersteller und Lieferanten von Werkskomponenten im Rahmen weiterer Vorträge.Doch Maschinen sind das eine. Irgendwie müssen sie energetisch auch angetrieben werden. Prof. Robert Schlögl vom Max-Plack-Institut für chemische Energiekonversion hatte dazu eine Idee: "Mit Wasserstoff als alternative Brennstoffquelle kann die Kalksandsteinindustrie und auch die vorgelagerte Kalkproduktion ihre CO2-Emissionen stark reduzieren. Dabei sind drei Anstrengungen notwendig: Installation einer Wasserstoffinfrastruktur, Entwicklung von wasserstoffgeeigneter Produktionstechnik und Ausbau der Energieversorgung durch regenerative Energien."Und alle Maßnahmen bringen nichts, wenn keine Rohstoffe in das Kalksandsteinwerk und die fertigen Steine nicht zur Baustelle kommen. Das bestätigte auch Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln e. V.: "Der Transportsektor ist aus dem Kalksandstein-Lebenszyklus nicht wegzudenken. Doch künftig könnte das schwierig werden. Es sind bereits jetzt bundesweit mehrere Zehntausend Fahrerstellen offen, die nur schwer zu besetzen sind. Zudem gibt es momentan mehr Fahrer, die bald in Rente gehen, als Personen, die eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnen."Damit ist klar, dass die Kalksandsteinindustrie in den kommenden Jahrzehnten vor erheblichen Herausforderungen steht, um ihren Teil zum Erreichen der Klimaziele beizutragen und in einem ersten Schritt, ihre Ökobilanz weiter zu verbessern. "Wir sehen diese Veranstaltung als Kick-off und Anstoß für die Veränderung einer ganzen Industrie und werden uns künftig alle Bereiche des Lebenszyklus von Kalksandstein detailliert anschauen und daraus entsprechende Maßnahmen einläuten", resümiert Roland Meißner, Geschäftsführer des BV KSI, das Kalksandstein-Innovationsforum 2020.

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