KI-Auswertung von Bau-Meldungen

Legt der Corona-Virus die Bauwirtschaft lahm?

von: Paul Indinger
Corona Aktuell Bauwirtschaft
Paul Indinger ist Geschäftsführer und Mitbegründer des Münchner PropTech Startups Building Radar. Mittels Künstlicher Intelligenz werden dort Meldungen aus dem Bauwesen analysiert und ausgewertet. Foto: Building Radar

München. - Wie wirkt sich die Ausbreitung des Coronavirus auf die Entwicklung der Bauwirtschaft aus? Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz wertet das Münchener Startup Building Radar weltweite Informationen zum Baugeschehen aus und stellt darauf aufbauend Prognosen an.

Corona hält die ganze Welt in Atem. Während die Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen in einigen Ländern bereits erste Wirkung zeigen und die Zahl der Neuinfizierten zurückgeht, bleibt die Frage offen: Was passiert nach der Pandemie? Wie schwerwiegend werden die Folgen von Corona für die Wirtschaftsleistung Deutschlands, Europas und der ganzen Welt sein?

Schnelle Akquise entscheidend

Hochrechnungen des ifo-Instituts in München zufolge wird sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr deutlich verringern und das BIP um 1,5 Prozent schrumpfen. In ganz Europa rechnet das Institut mit einem starken Wachstumseinbruch der Wirtschaftsleistung und mit Ausfällen im Wert von Hunderten von Milliarden Euro. Mit Blick auf Deutschland sind das Gastgewerbe und die Tourismusbranche besonders schwerwiegend betroffen. Es lässt sich jedoch annehmen, dass der wirtschaftliche Sinkflug vor kaum einer Industrie Halt machen wird. Auch für die Bauindustrie – jene Branche, die noch bis vor kurzem hierzulande als boomende Industrie galt – ist ein Einbruch zu erwarten.

Zwar dürfen Dienstleister der Baubranche ihrer Tätigkeit in der Theorie wie gehabt nachgehen. In der Praxis ist es jedoch schwierig, Bauvorhaben regulär fortzuführen, wenn auch auf der Baustelle ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen zwei Personen gewahrt werden muss. Zudem wird es sowohl für Projekte des öffentlichen als auch des privatwirtschaftlichen Bereichs zunehmend problematisch, Rechnungen für Bauvorhaben zu begleichen. Somit besteht die Gefahr, dass mehr und mehr Projekte verschoben oder sogar komplett gecancelt werden. Was heißt das für die Zukunft der Bauindustrie? Die Zahlen des PropTech Building Radar zeigen, dass die Branche herausfordernde Zeiten erwarten. Die Analyse stellt aber auch heraus, dass Grund zur Hoffnung besteht und nach wie vor Aufträge in der Bauindustrie möglich sind. Dabei entscheidet der Zeitpunkt, an dem man von neuen Bauvorhaben erfährt maßgeblich über den Erfolg der Akquise. Denn wenn es weniger Bauvorhaben gibt, ist es wichtig frühzeitig proaktiv auf die richtigen Ansprechpartner zuzugehen und sich so Aufträge zu sichern.

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Es empfiehlt sich deshalb, bei der Recherche nach und Akquise von Bauvorhaben auf digitale Lösungen zu setzen, die den Vorgang automatisieren und so die Suche vereinfachen und beschleunigen. Building Radar stellt beispielsweise Informationen zu Bauvorhaben in Echtzeit bereit und ermöglicht es so, sich auch aus dem Homeoffice Aufträge für die kommenden schwierigen Monate zu sichern.

KI-Technologie zeigt Einbrüche

Das Startup Building Radar hat einen Weg gefunden, eine zuverlässige Prognose über die Entwicklung der Bauwirtschaft abgeben zu können. Das PropTech-Unternehmen untersucht mithilfe von Künstlicher Intelligenz nahezu in Echtzeit jegliche Meldungen über Bauvorhaben weltweit, die digital zu finden sind. Die Technologie, die in erster Linie den Zweck verfolgt, dem Vertrieb von Zulieferern der Baubranche die Recherche nach Neuprojekten zu vereinfachen, wird von Building Radar nun auch zur Analyse der Branchensituation genutzt. Mithilfe von Natural Language Processing ist es dem Startup möglich, Meldungen zu Bauprojekten mit COVID-19 in Zusammenhang zu bringen. Das bedeutet: Building Radars Künstliche Intelligenz verarbeitet alle Informationen, die zu aktuellen und zukünftigen Bauprojekten vorliegen und in Zusammenhang mit der Corona-Krise stehen und analysiert diese. Schon jetzt finden sich weltweit mehr als 5.253 Informationen über Bauvorhaben mit direktem Bezug zum Virus. Für eine steigende Anzahl dieser Meldungen besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der Pandemie und dem Bauvorhaben. Das bedeutet, dass die Projekte in diesen Fällen entweder gestoppt oder verlangsamt wurden.

Im Hinblick auf die allgemeine Anzahl der Bauvorhaben ist ein deutlicher Rückgang zu erkennen. Europaweit zeigen die Daten von Building Radar, dass bis in die achte Kalenderwoche dieses Jahres ein wöchentlicher Durchschnittsanstieg von 7 Prozent der Bauprojektinformationen zu verzeichnen war. Nach den Weihnachtsfeiertagen ist dies ein gewöhnlicher Anstieg zu Jahresbeginn. Regulär würden diese Zahlen bis zum Sommer hin – mit leichten saisonalen Schwankungen – konstant bleiben. Durch die Corona-Krise zeigt sich aber ab Kalenderwoche acht ein klarer Einbruch – und zwar von durchschnittlich 11 Prozent pro Woche. Weshalb diese Woche im Spätfebruar eine solche Benchmark darstellt, lässt sich mit Blick auf Italien erklären.

Die Kalenderwoche acht war nämlich jene, in der die Krise endgültig im südeuropäischen Land angekommen ist und sich dort die höchste Infektionsrate außerhalb Asiens feststellen ließ. In absoluten Zahlen wird der Unterschied von dieser Woche bis zur Kalenderwoche 14 noch deutlicher: Während in KW 8 noch 2.354 Bauprojekte in Europa von den Building Radar Algorithmen erfasst wurden, waren es in KW 14 nur noch 1276 – also ein Einbruch um 54 Prozent.

Deutschland bislang noch wenig betroffen

Interessant ist, dass sich die Italien-Benchmark nicht gleichzeitig auf Gesamteuropa auswirkte. Während in Großbritannien die Bauprojektinformationen in dieser Woche um zehn Prozent zurückgingen, blieben die Zahlen in Deutschland vorerst konstant. Das, obwohl Großbritannien bekanntermaßen erst nach Deutschland präventive Maßnahmen gegen Corona einführte. In der Bundesrepublik sind die Auswirkungen aber erst ab dem Zeitraum der Kalenderwochen elf und zwölf klar erkennbar – in direktem Zusammenhang mit der Fernsehansprache der Bundeskanzlerin und den darin vermittelten Ausgangsbeschränkungen und Kontaktrestriktionen. So waren in Deutschland in der zwölften Kalenderwoche nur noch halb so viele Bauprojektinformationen zu finden, wie Mitte Februar.

Insgesamt beläuft sich der Rückgang in Deutschland seit Anfang des Jahres bisher auf 8 Prozent, womit sich die Bundesrepublik ein wenig stabiler präsentiert als der Rest der Welt. International gesehen – sowohl weltweit als auch europaweit – liegt die Abnahme der Bauprojektinformationen nämlich bei 9 Prozent. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Tiefpunkt für die Baubranche noch lange nicht erreicht ist.

Ein Hoffnungsschimmer für die Baubranche bleibt allerdings bestehen. Denn während in vielen Bereichen die Bauvorhaben zurückgehen, steigt gerade im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen die Zahl der Projekte. Der Bau von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Forschungsstationen, aber auch der soziale Wohnungsbau gewinnen an Bedeutung. So haben seit dem Jahresbeginn die Bauprojektinformationen aus dem Bereich Gesundheitswesen im Durchschnitt pro Woche um knapp 6 Prozent zugenommen. Für Informationen zu Bauvorhaben aus dem Feld Forschung und Bildung beläuft sich der Anstieg auf wöchentlich gut zwei Prozent. Die staatlichen Förderungen für diese Projekte sowie Rettungspakete könnten die Branche also auch über das Jahr hinweg am Laufen halten. Für Zulieferer der Baubranche heißt das, dass zwar nach wie vor Aufträge möglich sind. Um sich den Zuschlag für Projekte zu sichern, gilt aktuell aber vor allem eines: Frühe und effiziente Akquise mithilfe digitaler Tools.

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Der Autor ist Managing Director und Mitgründer des Münchner PropTech Startups Building Radar.

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