Kommentar

Eisenbahn spielen

von: Kai-Werner Fajga
Deutschland wird immer wieder gern als Land mit komplizierter und überbordender Bürokratie dargestellt. Auch Bauunternehmen können von langen Genehmigungsverfahren, unklaren Zuständigkeiten, Überregulierung oder Bergen von Vorschriften ihr Lied singen. In der Verkehrsplanung ist das nicht anders. Soll eine Straße gebaut oder eine Autobahn erweitert werden, gilt es Bedarfe zu ermitteln, Beteiligte zu befragen, Genehmigungen einzuholen und vieles, vieles mehr. Teilweise vergehen Jahre oder Jahrzehnte, bevor der erste Spatenstich erfolgen kann – je nach Größe des Projekts. Genau dies spielt sich derzeit auch beim geplanten Brenner-Nordzulauf der Deutsche Bundesbahn ab. Die Strecke ist Teil der Verkehrsachse Berlin-Palermo – mit dem Ausbau dieses Korridors und dem Neubau des Brenner-Basistunnels sollen die überstrapazierten Alpen-Autobahnen entlastet werden. Die Planungen dafür begannen in den 90er-Jahren, seit 2007 und 2009 arbeiten Italiener und Österreicher am Tunnel durch die Alpen, der 2032 eröffnet werden soll. Allerdings wird es dann keine Bahnanbindung auf deutscher Seite geben, denn die Deutsche Bahn sagt dazu aktuell: "Mit einer Fertigstellung des Brenner-Nordzulaufs ist in rund 20 Jahren zu rechnen."

Womit der zögerliche Anlauf der Planungen auf deutscher Seite kaum rechtzufertigen ist. Klar ist derzeit nur, dass eine Neubaustrecke gebaut werden soll, da eine Erweiterung der Kapazitäten der bestehenden Verbindung künftig nicht ausreichen wird. Und dass eine Führung der Strecke in Tunneln aus Kostengründen verworfen wird. Die Deutsche Bahn setzt bei der Planung der neuen Trasse nach eigenen Angaben auf Transparenz der Verfahren, Beteiligung und Einbeziehung der Bevölkerung. Längst haben sich Interessengruppen im Projektgebiet und in Dialogforen zu Wort gemeldet, aus dem ein "gemeinsamer Kriterienkatalog" entstanden sei, der als "zentrale Bewertungsgrundlage" für die Trassenwahl dienen soll. Zusätzlich bietet der Verkehrskonzern jetzt aber eine ganz neue Möglichkeit der Beteiligung: Eisenbahn spielen! Wer jetzt denkt, jedem Anwohner im Projektgebiet wird eine Modellbahn-Startpackung geschenkt, liegt falsch. Nein, im digitalen Zeitalter muss schon alles "digital" und "online" sein, also: Seit Anfang August können alle Bundesbürger die Trasse im Abschnitt Grafing-Ostermünchen per Online-Eisenbahn-Planungstool selbst planen. Die Deutsche Bahn hat dafür eigens eine Homepage eingerichtet und es wird nicht vorausgesetzt, dass die teilnehmenden Online-User im betreffenden Projektgebiet wohnen. Per Mausklick kann also jeder Interessierte die Strecke in einen Geländeplan zeichnen, korrekte Gleisradien seiner Trasse überprüfen oder auch, ob er die vorgegebenen Raumwiderstandsklassen bestmöglich eingebunden hat. Letztere sollen aufzeigen, wie anspruchsvoll der Bau einer Bahnstrecke in dem jeweiligen Abschnitt ist. Wer möchte, kann noch eine Notiz hinterlassen und seinen Trassenvorschlag per E-Mail an die Bahn schicken – bis 15. September 2021. Im Anschluss sollen die Trassenvorschläge dann "vom Planungsteam fachlich geprüft" werden. Sicherlich wird anhand solcher Aktionen niemand der Bahn vorwerfen können, Bürger nicht ausreichend beteiligt zu haben. Ob eine solches Projekt zielführend sein kann, oder sich der Konzern einfach nur der Lächerlichkeit preisgibt, darf der Leser dieser Zeilen selbst entscheiden.

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