Kommentar
Streit auf oberster Ebene
von: Robert BachmannEin Thema dürfte die diesjährige Bundesfachtagung Gerüstbau klar beherrschen: die neue TRBS 2121. Hintergrund: Jedes Jahr verunglücken Menschen beim Sturz vom Gerüst, teils mit Todesfolge. 2016 haben sich deshalb Vertreter der Berufsgenossenschaften, Landesarbeitsschutzbehörden, Gewerkschaft und Handwerksverbänden zusammensetzt, um die bestehenden Technischen Regeln für Betriebssicherheit, kurz TRBS, zu überarbeiten. Das deutlich verschärfte Regelwerk sieht im Kern eine Zementierung des TOP-Prinzips, also den Vorrang technischer gegenüber personenbezogener Sicherungsmaßnahmen, im Gerüstbau vor und präzisiert dieses, indem sie den Einsatz von Gerüstsystemen fordert, die ein sog. vorlaufendes Geländer aufweisen. Kurzum: Die Technik selbst soll ausschließen, dass der Gerüstbauer während der Montage die jeweils oberste Lage betreten kann, ohne dass dort bereits ein Geländerschutz vorhanden ist. Schon in der Überarbeitungsphase stieß das Vorhaben sowohl von Seiten einiger Hersteller als auch des Bundesverbandes und der Bundesinnung Gerüstbau auf heftige Kritik. Im Kern berufen sich die Kritiker auf eine mangelnde Praxistauglichkeit der neuen TRBS. Verband und Innung fehlt es u. a. an einer differenzierten Unfallanalyse seitens der BG Bau. Dort wird bspw. nicht unterschieden, wer verunglückt und in welchem Kontext. Ob die Montage selbst also das Problem ist oder die Nutzung bzw. bauprozessbedingte Veränderungen des Gerüsts, bleibe unklar. Die Herstellerseite verweist darüber hinaus auf die in der Praxis stets individuellen und komplexen Gegebenheiten, die sich nicht allein durch die Anwendung eines starren technischen Systems zu 100 % absichern ließen. Deren Einforderung ziehe für die Gerüstbaubetriebe nun jedoch einen immensen Investitionsbedarf nach sich. Jene, die schon immer nach den Regeln spielten, würden im Wettbewerb mit den "Schwarzen Schafen" der Branche damit einmal mehr stark benachteiligt. Ganz unschuldig sind die Betriebe an der Situation jedoch auch nicht. Denn neu sind die in der TRBS zusammengefassten Handlungsanweisungen nicht. Ihre Verschärfung, so das Urteil verschiedener Branchenvertreter, ist nicht zuletzt das Resultat aus einer weit verbreiteten Missachtung dieser Regeln in der Vergangenheit. Dennoch: Eine Pauschalverurteilung der Gerüstbauer sowie das die mit der neuen TRBS 2121 einhergehende Verteilung der Last allein auf ihren Schultern scheint kaum für eine wirksame Unfallprävention geeignet. Ebenso wenig wie der alleinige Fokus auf die Technik. In einem sind sich schließlich alle Beteiligten einig: Jeder Unfall ist einer zu viel! Das wäre doch ein guter Ausgangspunkt, um gemeinsam für mehr Sicherheit im und um das Gerüst zu arbeiten und dabei alle Möglichkeiten einer wirksamen und praxisgerechten Unfallprävention auszuschöpfen.