"Kompetenz bis ins kleinste Detail"

Entwicklung von Komponenten ist strategisch wichtiger Faktor

von:

Ebba STOFFREGEN

Liebherr Bauwirtschaft
Wälzlagerfertigung: Die Firmengruppe Liebherr verfügt über mehr als 60 Jahre Erfahrung in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Komponenten. Mittlerweile werden wesentlich mehr Großwälzlager an Kunden außerhalb der Firmengruppe ausgeliefert. Foto: Liebherr
Liebherr Bauwirtschaft
Joachim Strobel, Geschäftsführer der Liebherr EMTec GmbH, erklärte abseits des VDBUM-Großseminar, warum die Komponentenfertigung nicht nur strategisch ein wichtiger Faktor, sondern auch eine Kernkompetenz beschreibe, die letztlich technologischen Vorsprung bedeute und neue Geschäftsfelder eröffne. Foto: Stoffregen

BRAUNLAGE - "Aus der Not heraus": So sei die Entwicklung und Fertigung der eigenen Komponenten bei Liebherr entstanden, erklärte Joachim Strobel, Geschäftsführer der Liebherr EMTec GmbH, den Beginn dieser Sparte abseits des VDBUM-Großseminars der ABZ.

Bereits nach dem ersten Jahr der Gründung 1949 durch Hans Liebherr wurden Spezialkomponenten wie Großwälzlager aufgrund nachkriegsbedingter Zuliefer-Engpässe gefertigt. Seit Jahr 2007 bündelt die Firmengruppe alle daraus entstandenen Aktivitäten in einer eigenen Produktsparte für Komponenten. Spartenobergesellschaft ist die Liebherr-Component Technologies AG mit Sitz in Bulle, Schweiz. Dabei sei die Komponentenfertigung nicht nur strategisch ein wichtiger Faktor, sondern beschreibe auch eine Kernkompetenz, die letztlich technologischen Vorsprung bedeute und neue Geschäftsfelder eröffne.

"Wir verfügen durch die Eigenfertigung über einen strategischen Vorteil gegenüber Herstellern, die auf Zukäufe angewiesen sind. Wir müssen keine Kompromisse eingehen und um eine zentrale Komponente wie einen Motor herum konstruieren. Im Gegenteil: Wir verfügen über mehr als 60 Jahre Erfahrung und können Einfluss auf das gesamte System nehmen", so der Geschäftsführer. Der Einfluss auf die Komponente sei wesentlicher Bestandteil, den technologischen Vorsprung auch umzusetzen. Als Beispiel führte Strobel den hydrostatischen Fahrantrieb an, auf den Liebherr als einer der ersten Hersteller gesetzt hat. Mittlerweile hat sich diese Antriebstechnik bei vielen mobilen Baumaschinen durchgesetzt. Laut Strobel sorgt diese Technik für eine deutliche Effizienzsteigerung vor allem bei klar definierten Ladezyklen. Kontinuierlich hat das Unternehmen die eigene Komponentenfertigung vorangetrieben. Heute entwickelt und fertigt Liebherr in Deutschland, in der Schweiz, in Mexiko und in China unter anderem Dieselmotoren, Gasmotoren, Hydraulikpumpen und -motoren, Hydraulikzylinder, Großwälzlager, Getriebe und Seilwinden, elektrische Maschinen sowie elektrische und elektronische Steuerungen und Komponenten. Die "Kompetenz bis ins kleinste Detail" wirke sich insgesamt auf die Leistungsfähigkeit und die Qualität einer Maschine aus und nicht zuletzt auch auf das Geschäft. "Ein Unternehmen kann langfristig nur stabil im Markt bestehen, wenn es bereit ist, das Erwirtschaftete auch wieder zu investieren." Eine Philosophie, die der Gründer von Beginn an verfolgt hat.

Mittlerweile, so Strobel weiter, würde Liebherr wesentlich mehr Großwälzlager an Kunden außerhalb der Firmengruppe ausliefern. Die gesamte Elektronik, Hard- und Software, kommt aus dem eigenen Haus. Zudem könne Liebherr sowohl den kompletten diesel-hydraulischen als auch den diesel-elektrischen Antriebsstrang mobiler Arbeitsmaschinen abbilden. Rund 16 % der Gesamtinvestitionen, die Liebherr im vergangenen Jahr getätigt hat, waren der Sparte Komponenten gewidmet. Noch in diesem Jahr ist geplant, mit dem Neubau eines zentralen Kontinentallagers für Europa in Oberopfingen zu beginnen. In drei Bauabschnitten entsteht auf rund 370.000 m² nahe Kirchdorf / Iller das logistische Zentrum der weltweiten Ersatzteillogistik für Liebherr-Baumaschinen. Auch die Endmontage der Hydraulikzylinderfertigung wird hierher verlagert.

Aufgrund der Fähigkeit, entscheidende Komponenten selbst zu entwickeln, konnte das Unternehmen neue Geschäftsfelder erschließen.

Liebherr ist zum Beispiel einer der wenigen Hersteller weltweit, der für den Bau von Windkraftanlagen das gesamte System für die elektromechanische und hydraulische Rotorblatt- und die Azimutverstellung liefern kann. Für einen optimalen Energieertrag sorgen hier unter anderem Großwälzlager und Getriebe von Liebherr. Mehr als 13.000 Windkraftanlagen wurden bereits mit Komponenten von Liebherr ausgerüstet – von 800 kW-Anlagen bis hin zu Multi-Megawatt-Turbinen im Offshoreeinsatz.

Aufgrund der Tatsache, dass Liebherr entscheidende Bauteile seit den 50er Jahren selbst entwickelt, ist nicht nur eine Unabhängigkeit von Zulieferern entstanden, sondern es sind auch spezifische Systemlösungen möglich, die bei ungewöhnlichen Bauprojekten zum Tragen kommen. Einen Folgevertrag hat Liebherr Ende letzten Jahres für den Bau eines faltbaren Sonnenschirmes für die Große Moschee in Mekka in Saudi Arabien unterzeichnet. Der Schirm wird in geöffnetem Zustand eine Fläche von cirka 2400 m² überschatten. Die Schirmmembrane in einer Höhe von 30 m hat eine Spannweite von 53 m. Sie wird gespannt durch acht Teleskoparme, die jeweils aus einem Anlenkstück und zwei hydraulisch ausfahrbaren Teleskopteilen bestehen. Große Herausforderungen ergeben sich einerseits aus der Entwicklung der Komponenten und des Faltmechanismus und andererseits aus dem Umfang der zu bewegenden Gewichte, der Bearbeitung der Großteile und der Montage der Membrane. Der Schirm mit einem Gesamtgewicht von 600 t wird innerhalb der nächsten zwei Jahre bei der Liebherr-Werk Ehingen GmbH montiert, getestet und dann in die Große Moschee nach Mekka geliefert. Dem Prototyp soll anschließend die Lieferung mehrerer Schirme dieser Bauart folgen.

Kernkompetenz, gleichbedeutend mit Wachstum durch Diversifikation, beginnt für Strobel letztendlich bei der Komponente. "Sie ist die Brücke für technologischen Vorsprung, neue Produkte und Geschäftsfelder. Auf der bauma werden wir entsprechend mit einigen Highlights aufwarten", sagte er. Die Sparte Komponenten ist mit einem eigenen Stand in Halle A4 (Stand A4 /115) vertreten. Hier präsentiert Liebherr erstmals Dieselmotoren der neuesten Generation. Sie erfüllen nur mittels selektiver katalytischer Reduktion (SCR) und damit ohne Partikelfilter die ab 2014 geltenden Abgasrichtlinien der EU-Stufe IV/EPA Tier 4f.

Als weiteres Highlight sind neue Common-Rail-Einspritzsysteme einschließlich eigener Motorsteuergeräte angekündigt. Die Systeme werden bereits bei den 4- bis 12-Zylindermotoren von Liebherr serienmäßig eingesetzt, können jedoch auch für Dieselmotoren anderer Hersteller adaptiert werden. Die Common-Rail-Systeme bewirken nach eigenen Angaben einen besonders geringen Kraftstoffverbrauch und eine effiziente Verbrennung, wodurch der Emissionsausstoß gesenkt wird.

In den Bereichen der Hydraulikpumpen und -motoren, Großwälzlager und Getriebe liegt ein Schwerpunkt auf der neuen Serienbaureihe von Fahrantrieben (FAT) mit Hydraulikmotoren. Die Baureihe aus eigener Entwicklung und Fertigung umfasst elf Baugrößen vom FAT 325 bis zum FAT 1600. Sie sind als Raupenkran- oder Raupenbagger-Version erhältlich. Der bisher größte FAT 1600 wird auch im Mining-Bagger R 9800 eingesetzt. Die Hydraulikmotoren in Axialkolbenbauweise mit Schrägscheibenverstellung gehören zum Lieferumfang und sind optimal auf die Getriebe abgestimmt. Die Fahrantriebe verfügen so über hohe Gesamtwirkungsgrade und geringe Einbaumaße bei einem guten Gewichts-Leistungsverhältnis.

Aus dem Bereich der Elektronik präsentiert Liebherr ein Steuerungssystem für kleinere Arbeitsmaschinen. Es besteht aus einem neu entwickelten Kompaktsteuergerät, Display, Tastatur und Kamera. Das modulare System basiert auf gängigen Industriestandards und eigne sich sowohl für Bau-, Land- und Forstmaschinen als auch für Straßenbaugeräte und Kommunalfahrzeuge mit anspruchsvollen Anforderungen hinsichtlich Vibrations- und Stoßbelastung, Temperaturbeständigkeit und Schmutzempfindlichkeit. Das Display kann mit einer Mehrbildfunktion ausgestattet werden, bei der sich bis zu vier Kamerabilder gleichzeitig darstellen lassen.

Vorgestellt wird auf dem Komponenten-Stand außerdem ein elektro-hydraulisches System zur exakten Positionserfassung von Hydraulikzylindern aller Größenklassen. Durch das sogenannte LiView wird die Position mit einer Genauigkeit von bis zu ±1 mm ermittelt. Auf Basis der erfassten Positionsdaten können Bewegungsabläufe von Baumaschinen automatisiert, und damit deren Leistungsfähigkeit gesteigert werden.

Neben der eigenen Leistungsschau sei die weltweit größte Fachmesse aber auch im Hinblick auf die Gesamtsituation der Branche interessant. Die Stimmung in der Branche sei schwer einzuschätzen und decke die gesamte Bandbreite an positiven und negativen Einschätzungen ab, sagte Strobel. Die bauma sei die einzige Messe, die eine Initialzündung für den Aufbruch sein kann und eine Trendwende schafft.

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