Lieber flach als steil

Frankfurter Platensiedlung wird aufgestockt

Montage und Ausbau nehmen pro Modul zwei bis drei Wochen in Anspruch. Insgesamt kommen pro Haus 58 Module zum Einsatz. Nach dem Aufsetzen werden die neuen Geschosse gemäß den aktuellen Energiestandards doppelt gedämmt, abgedichtet und extensiv begrünt. Foto: vdd

Frankfurt am Main (ABZ). – In vielen Städten wird es eng. Dabei liegt viel Potenzial zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums brach: Welche enormen Möglichkeiten die modulare Aufstockung von Bestandsgebäuden bietet, belegt das Beispiel der Frankfurter Platensiedlung. Als Schwarmstädte bezeichnet man Städte, die als Wohnort besonders beliebt sind. Ihre Bevölkerung wächst – und weil der verfügbare Wohnraum immer begehrter wird, schnellen die Mieten in die Höhe. Für die Stadtplaner ist das ein großes Problem. Laut aktueller Schätzungen fehlen rdund zwei Millionen Wohnungen im Bestand. Und zwar nicht irgendwelche: "Leistbar" müssen sie sein, wie es im Jargon heißt. Wie also kann in wachsenden Städten auf kosten-, zeit- und platzsparende Weise mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden? Zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen muss dringend eine Antwort auf diese Frage gefunden werden. Frankfurt, neben Berlin, Hamburg, München und Köln eine der größten deutschen Schwarmstädte, beschreitet bei der Suche nach Lösungen neue Wege. In der Mainmetropole drängt die Zeit: In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Einwohnerzahl um 100.000 auf jetzt rund 750.000 Menschen an. Tendenz steigend, bis 2030 könnten es noch einmal 100.000 mehr sein. Bundesweite Beachtung findet deshalb ein in seiner Größe bislang einzigartiges Pilotprojekt mit Modellcharakter, das nicht die Erschließung neuer Bauflächen, sondern auf eine planvolle und hochwertige Nachverdichtung abzielt. Ein Ensemble aus insgesamt 19 dreigeschossigen Gebäuden mit 342 Wohnungen in der Frankfurter Platensiedlung, einst für Angehörige der US-Armee erbaut, wird im Rahmen des Projekts um zwei Geschosse erhöht. Folgende Zahlen verdeutlichen die Dimension des Projekts: Sobald die Arbeiten an allen Häusern abgeschlossen sind, werden 26 525 m² Wohnfläche entstanden und 1102 Module verbaut worden sein, die 900 Menschen in 380 zusätzlichen Wohnungen für ein bis drei Personen Platz bieten.

Wie zukunftsträchtig das Projekt ist, unterstreicht eine neue Studie der Technischen Universität Darmstadt. Ihre Autoren nahmen unerschlossene urbane Wohnraumpotenziale in den Blick, die sich über die Aufstockung und Umnutzung von Bestandsgebäuden heben ließen. Die brachliegenden Möglichkeiten sind enorm: Allein auf Wohngebäuden der 1950er- bis 1990er-Jahre könnten bundesweit bis zu 1,5 Millionen Wohneinheiten geschaffen werden. Zählt man Nichtwohngebäude hinzu, liegt die Zahl noch einmal um über eine Million Einheiten höher.

Der Clou: Die Aufstockung der Platensiedlung erfolgt mit vorproduzierten Holzmodulen, was eine sehr schnelle Umsetzung aller Baumaßnahmen ermöglicht. Mit lediglich fünf Monaten pro Haus kalkulieren Architekt Stefan Forster und die Bauherrin, die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding.

Aus steil wird dabei flach: Damit der vorhandene Platz optimal ausgenutzt wird, setzen die Planer in der Platensiedlung auf Flachdächer. Um Platz für die neuen Geschosse zu schaffen, müssen zunächst die alten Satteldächer weichen. Für den zuverlässigen Schutz vor eindringender Feuchtigkeit kommen auf dem Bestandsgebäude übergangsweise sehr leicht zu verarbeitenden Bitumenbahnen zu Einsatz. Der Rückbau der alten Dächer erfolgt manuell.

Einen wichtigen Faktor der Vorarbeiten stellt außerdem die Statik der aufzustockenden Häuser dar. Zementsuspension-Injektionen machen die Bestandsgebäude fit für die neue Belastung. Darüber hinaus sind an ihnen keine elementaren Arbeiten nötig. So werden auch die Leitungen für Heizung und Abwasser neu verlegt und vom Untergeschoss hochgeführt. Zudem ist die Installation neuer Elektrozählerplätze und Verteilerschränke erforderlich. In einer Feldfabrik setzt das bayerische Unternehmen Liwood die Module zusammen, bevor ein Kran sie an ihren finalen Standort hebt. Montage und Ausbau nehmen dann pro Modul zwei bis drei Wochen in Anspruch. Insgesamt kommen pro Haus 58 Module zum Einsatz. Nach dem Aufsetzen werden die neuen Geschosse gemäß den aktuellen Energiestandards doppelt gedämmt, abgedichtet und extensiv begrünt.

Flachdächer zählen in urbanen Räumen zu den zentralen Instrumenten einer klimaresilienten Stadtplanung. Nach Abschluss der Arbeiten leistet das aufgestockte Gebäude also nicht nur mit einer höheren Energieeffizienz, sondern mit seinem wartungsarmen Gründach auch einen wertvollen Beitrag zu Klimaschutz und städtischem Mikroklima. Darin erschöpfen sich die Vorteile der Aufstockung noch nicht. Vor allem seine Wirtschaftlichkeit macht das Verfahren zu einer praktikablen Möglichkeit, günstigen Wohnraum zu schaffen. Nicht nur der Erwerb teurer Grundstücksfläche entfällt. Die erforderliche Infrastruktur ist bereits vorhanden und kann einfach ausgebaut werden. Durch die Aufstockung erfährt das Bestandshaus eine signifikante Aufwertung und Wertsteigerung.

Vorteile offeriert auch die Modulbauweise aus Holz. Wegen seines geringeren Eigengewichts und seiner sehr guten statischen Eigenschaften ermöglicht der Baustoff Holz nicht nur eines, sondern zwei weitere Geschosse. Hervor sticht auch die Zeitkomponente: Vom Einrichten der Baustelle bis zur schlüsselfertigen Übergabe dauern die Arbeiten nur halb so lang wie bei konventionellen Bauprojekten. So können etwa die Fassadenarbeiten und der Innenausbau gleichzeitig erfolgen. Die Belästigungen durch Lärm und Staub halten sich dabei in engen Grenzen, die Bewohner können auch während der Arbeiten in ihren Wohnungen bleiben. Da es sich bei Holz um einen nachwachsenden Rohstoff handelt, bietet es bei entsprechender Zertifizierung außerdem eine gute Klimabilanz.

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