Liebherr im Corona-Jahr 2020

"In Summe rechnen wir mit rund 13 Prozent Rückgang"

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Kürzlich präsentierte Liebherr den Relaunch des knickgelenkten Muldenkippers TA 230. Fotos: Liebherr

Die Pandemie und ihre Folgen sind auch an der Firmengruppe Liebherr nicht spurlos vorbeigegangen. Vor allem im Luftfahrt-Segment musste der Konzern Federn lassen. Wie das Unternehmen mit der Corona-Situation umgeht und wie es um das Baumaschinengeschäft bei Liebherr bestellt ist, erklärten Andreas Böhm, Geschäftsführer der Liebherr-International AG, und Joachim Strobel, Geschäftsführer der Liebherr-EMtec GmbH,im Interview mit ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann.ABZ: Herr Böhm, Herr Strobel, seit März dieses Jahres befindet sich die gesamte Welt mehr oder weniger im Ausnahmezustand. Wie hat sich das auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?Böhm: Die Pandemie ist bei uns genauso überraschend eingeschlagen wie bei jedem anderen auch. Anfang März war Corona noch ein Thema, das vornehmlich auf China bezogen war. Vor diesem Hintergrund sind wir schließlich auch zur Conexpo nach Las Vegas gefahren, gleichwohl wir die Teilnahme an der Messe intern bereits kontrovers diskutiert hatten. Im Verlauf der Veranstaltung ist das Thema dann massiv in die westliche Welt vorgedrungen. Seitdem ist die Corona-Pandemie auch bei Liebherr das beherrschende Thema. Nach der ersten Findungsphase haben wir umgehend an allen unseren Standorten umfassende Sicherheits- und Hygienemaßnahmen entsprechend der jeweiligen lokalen Bestimmungen umgesetzt.ABZ: In Anbetracht der Größe Ihres Unternehmens sicherlich keine leichte Aufgabe?Böhm: Das war natürlich eine große organisatorische Herausforderung für die Firmengruppe. Immerhin beschäftigen wir bei Liebherr rund 48.000 Mitarbeiter weltweit. Wir haben dann einen sogenannten Corona-Monitor eingeführt. Das heißt, wir wussten tagesaktuell, wie viele Mitarbeiter arbeiten von zuhause aus, wer produziert noch, wo sind noch Kapazitäten offen etc. Auf diese Weise konnten sowohl die Maßnahmen als auch die Aufrechterhaltung unserer Geschäftsaktivitäten den Umständen entsprechend sehr gut gesteuert werden.

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Andreas Böhm ist Geschäftsführer der Liebherr-International AG.
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Joachim Strobel ist Geschäftsführer der Liebherr-EMtec GmbH.

ABZ: Welche Maßnahmen haben Sie konkret ergriffen?Böhm: Glücklicherweise verzeichnen wir bis heute keine Corona-bedingten Stornierungen. Neben der Einrichtung der entsprechenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen waren wir deshalb zu Beginn vor allem damit beschäftigt, unsere Lieferketten aufrecht zu erhalten. Hier kam uns zugute, dass wir in der Firmengruppe seit jeher viel Wert auf Unabhängigkeit legen. Wo immer möglich, verfolgen wir eine Mehr-Lieferanten-Strategie.Darüber hinaus galt es natürlich, die Situation in den einzelnen Werken der Lage anzupassen. In Ländern mit einer entsprechenden staatlichen Unterstützung haben wir zum Teil Kurzarbeit umgesetzt. Wo immer möglich, haben wir zudem Home-Office-Lösungen veranlasst. Gerade in der Produktion und im Service gibt es jedoch viele Arbeitsplätze, wo schlichtweg physisch gearbeitet werden muss. Insgesamt, denke ich, haben wir auch dieses Thema gut lösen können. Das zeigt sich auch darin, dass unser Mitarbeiterstand Stand heute nahezu auf dem gleichen Niveau ist wie vor der Corona-Pandemie.ABZ: Wie hat sich das auf die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr ausgewirkt?Böhm: Aktuell liegen uns die Zahlen per Juni, also für das erste Halbjahr 2020 vor. Hier liegen wir als Firmengruppe 13,5 Prozent unter Vorjahresniveau. Dabei macht sich einerseits natürlich auch der Luftfahrtbereich bemerkbar, der von der Krise besonders stark betroffen ist. Andererseits wiederum auch der Bereich Haushaltsgeräte, den es im Vergleich weniger stark getroffen hat. Im Baumaschinenbereich verbuchen wir in der Umsatzrealisierung einen Rückgang von etwa 12 bis 13 Prozent. Der Auftragseingang hat sich mit einem Rückgang von etwa 10 bis 15 Prozent ähnlich entwickelt. Im Jahresverlauf verzeichnen wir jedoch auch eine Erholung der Zahlen, vor allem im dritten Quartal. In Summe gehen wir davon aus, dass wir 2020 im Vergleich zum Rekordjahr 2019 um die 13 Prozent Umsatzrückgang verbuchen werden, wobei die Bereiche Baumaschinen und Mining eher besser, bei rund 12 Prozent Rückgang, liegen werden. Mit Blick auch auf die allgemeine Situation in der Industrie sind wir damit ganz zufrieden.Strobel: Im Bereich Erdbewegung gehen wir derzeit von den genannten 12 bis 13 Prozent Rückgang aus. Bis März hatten wir einen sehr guten Jahresstart. Im Vergleich zum hohen Niveau von 2019 hatten wir für dieses Jahr auch mehr geplant. Auch, weil wir in vielen Märkten nach wie vor großes Potenzial sehen, uns weiter zu entwickeln. Im dritten Quartal sehen wir nun jedoch ebenfalls eine gute Erholung der Auftragseingänge. Dass auch wir kaum Stornierungen verzeichnen, zeigt uns, dass unsere Kunden ebenfalls optimistisch durch diese Krise gehen.ABZ: Wie stellt sich die Situation in den einzelnen Märkten dar?Strobel: Der deutsche Markt ist für uns nach wie vor der wichtigste. Auch in der Corona-Krise hat sich erneut bestätigt, dass dieser, bezogen auf das Baumaschinengeschäft, einer der stabilsten Märkte der Welt ist. Dafür gibt es viele Gründe, vor allem aber die gute Reaktion der Politik, die bei den getroffenen Maßnahmen mit viel Augenmaß vorgegangen ist. Dort, wo es möglich war, konnte weitergearbeitet werden. So auch in der Baubranche.In anderen europäischen Ländern, wie Italien oder Frankreich, mussten hingegen Projekte teils ganz gestoppt werden. Hier haben wir die Krise viel deutlicher zu spüren bekommen. Dennoch hat sich Europa insgesamt relativ gut geschlagen. Eine Ausnahme ist Großbritannien, wo die Corona-Pandemie die ohnehin durch den Brexit bestehende Verunsicherung noch einmal gesteigert hat.Wesentlich härter ist die Pandemie in Nordamerika eingeschlagen. In den USA müssen wir derzeit von einem Marktrückgang von etwa 50 Prozent ausgehen. Hier zeigt sich eine klare Korrelation zwischen Geschäft und Umgang mit der Pandemie.Ganz anders wiederum der chinesische Markt. Dieser ist fast zum gleichen Zeitpunkt wieder hochgefahren, an dem die Pandemie hierzulande angekommen ist. Seitdem hat sich der chinesische Markt wieder enorm belebt, ist sogar um 30 Prozent gewachsen.ABZ: Gibt es Unterschiede in den einzelnen Sparten?Böhm: Was die einzelnen Sparten betrifft, hat sich im Umsatz prozentual der Komponentenbereich am besten entwickelt. Hier haben wir zuletzt viele neue Kundenkreise erschließen können. Bei den Baumaschinen hat sich hingegen der Mining-Bereich hervorgetan. Hier gibt es im Gegensatz zur Erdbewegung kaum Rückgänge zum Halbjahr. Das liegt vor allem daran, dass in den meisten Märkten, mit Ausnahme von Kanada, der Minenbetrieb weitgehend aufrechterhalten wurde. Das trifft insbesondere auf Australien zu, wo in den Minen durchgehend weitergearbeitet wurde.Sehr gut ist ebenfalls die Nachfrage nach Großgeräten im Mobilkranbereich. Hier wird der Umsatzrückgang im einstelligen Bereich sehr moderat bleiben.Im Turmdrehkranbereich ist der Umsatz hingegen deutlich zurückgegangen. Das liegt nicht in erster Linie an der Nachfrage, sondern daran, dass hier viel Geschäft im Mietbereich gemacht wird. Hier ist die Auslastung zwar weiterhin gut, es werden jedoch weniger Neukäufe getätigt. Bei der Betontechnik ist leider sowohl der Auftragseingang als auch die Umsatzrealisierung derzeit schwach. Abseits vom Bau ist das größte Thema für die Firmengruppe Liebherr natürlich die Luftfahrt. Hier sind wir im Bereich von einem Drittel Umsatzrückgang. Das wird uns auch 2021 und 2022 noch beschäftigen.ABZ: Umsatz macht man bekanntlich nur mit Kunden. Der Kontakt zu Käufern und Geschäftspartnern ist jedoch seit März nur sehr eingeschränkt möglich. Wie gehen Sie damit um?Böhm: Der Kontakt zu den Kunden und Geschäftspartnern hat sich dort, wo es geboten war und ist, in großen Teilen in den digitalen Raum verlagert. Wenn wir eines aus der aktuellen Situation gelernt haben, dann, dass wir nicht für jedes Meeting ins Auto oder ins Flugzeug steigen müssen. Die Corona-Pandemie hat vor diesem Hintergrund auch zu einer starken Annäherung zwischen den Extrempositionen für und wider das mobile Arbeiten geführt. Wir sehen heute die vielen Vorteile von digitalen Meetings, Home-Office und Co. Auf der anderen Seite haben wir gelernt, welche Dinge nicht auf digitalem Wege oder nur eingeschränkt funktionieren.

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Neu: Der Teleskopradlader L509 eignet sich nicht nur für Einsätze in der Landwirtschaft, sondern auch im Bau, Recycling und in der Rückgewinnung.

Strobel: Hier hat sich aus meiner Sicht ein positiver Effekt der Pandemie ganz deutlich gezeigt: Wir alle haben angefangen, die Medien, die uns zur Verfügung stehen, auch intensiv zu nutzen. Dabei haben wir festgestellt, dass Vieles auf digitalem Wege besser, zum Teil auch effizienter funktioniert als gedacht. Aber: Je länger diese Situation andauert, desto klarer zeigt sich, dass persönlicher Kontakt nicht komplett ersetzbar ist. Wir alle hoffen, dass der direkte Austausch von Angesicht zu Angesicht alsbald wieder möglich sein wird. Das gilt insbesondere für die Messen und Veranstaltungen, deren Organisatoren mit am stärksten von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen sind.ABZ: Nimmt die aktuelle Situation bereits Einfluss auf die bauma-Planung bei Liebherr?Strobel: Mit dieser Frage sind Sie leider etwas zu früh dran. In der kommenden Woche (Anm. d. Red.: Das Interview fand am 22. Oktober statt.) findet eine Sitzung des Ausstellerbeirats statt, dem ich angehöre – aus aktuellem Anlass natürlich digital. Dort werden wir uns schwerpunktmäßig auch mit der aktuellen Entwicklung und den möglichen Konsequenzen für die bauma 2022 befassen. Das ist aus zweierlei Gründen schon jetzt wichtig: Zum einen, weil die Planung für die bauma einen sehr großen Vorlauf benötigt. Zum anderen, weil aus meiner Sicht schon jetzt absehbar ist, dass sich die Veranstaltungswelt ändern wird.Unabhängig davon, ob es 2022 einen flächendeckenden und wirksamen Impfschutz geben wird, werden viele Firmen auch nach Corona sehr genau prüfen, welche Dienstreisen notwendig sind und welche nicht. Alternativ werden derzeit massiv Präsentations- und Informationsmöglichkeiten im Internet vorangetrieben, die viele auch in Zukunft weiter nutzen werden.Ich bin heute noch sehr optimistisch, dass die Bauma 2022 stattfinden kann. Wir müssen jedoch damit rechnen, dass die Besucherzahlen auch nach der Pandemie nicht sofort wieder dorthin gehen werden, wo sie vorher waren.ABZ: Auch wenn es in diesem Jahr an Plattformen mangelt, diese zu präsentieren: Welche Neuheiten hält Liebherr im Baumaschinen-Bereich 2020 für seine Kunden bereit?Strobel: In der Tat haben wir viele Neuheiten in diesem Jahr ohne große Show in den Markt gebracht. Eine Ausnahme ist der Relaunch unseres knickgelenkten Muldenkippers TA 230. Diesen werden wir mit einem großen Online-Event zusammen mit den Kunden weltweit feiern. Wir sind schon sehr auf das Feedback gespannt (Anm. d. Red.: Das Event fand bereits Ende Oktober statt.).

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Das neue Bedienkonzept Intusi von Liebherr passt sich an die Arbeitsweise des Bedieners an.

Auch unsere Radlader haben in diesem Jahr ein Facelift erhalten. Sie wurden dabei nicht nur optisch überarbeitet, sondern auch in puncto Leistung und Kabinenausstattung. Ebenfalls neu ist unser Teleskopradlader L509, der sich nicht nur für Einsätze in der Landwirtschaft empfiehlt, sondern auch im Bau, Recycling und in der Rückgewinnung.Im Bereich der Raupenbagger bringen wir seit Jahresbeginn unsere neuen Modelle der Generation 8 Typ für Typ in den Markt. Diese entsprechen nicht nur der aktuellen Abgasstufe V, sondern zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht mehr hydraulisch vorgesteuert sind, sondern elektrisch. Damit sind sie auch für künftige Entwicklungen in der Digitalisierung und Automatisierung von Baumaschinen gewappnet. Darüber hinaus lassen sie sich feinfühliger steuern, stoßen durch einen noch geringeren Kraftstoffverbrauch als ihre Vorgänger auch deutlich weniger CO2aus. Zudem besteht nun die Möglichkeit, die Maschinen bereits ab Werk mit einer 2D- oder 3D-Maschinensteuerung auszurüsten.Auch unsere Planierraupen sind jetzt in der 8. Generation angekommen, inklusive einer ganzen Reihe digitaler Neuerungen: automatische Rückraumüberwachung, Personenerkennung, Wiegesysteme und vieles mehr. Diese sollen unseren Kunden vor allem dabei helfen, die Effizienz der Maschinen im Betrieb genau zu erfassen und diese noch einmal zu steigern.Das Thema Effizienz liegt für uns in der Produktentwicklung stets im Fokus. Anders als im Pkw-Bereich, wo immer auch emotionale Faktoren eine Rolle für die Kaufentscheidung spielen, müssen wir mit jedem neuen Produkt einen Mehrwert für den Kunden bieten, der ihm bessere Ertragsmöglichkeiten bietet. Hier spielen insbesondere auch der Servicebereich und das Handling der Maschinen eine wichtige Rolle. Also die Frage danach, wo wir den Anwender entlasten können.Das alles läuft schließlich in unserem neuen Bedienkonzept Intusi zusammen, das wir auf der letzten bauma als Studie präsentiert haben. Hier geht es uns darum, die hoch spezialisierten, langerfahrenen Maschinenbediener, die nicht zwangsläufig auch immer digital affin sind, durch die Einführung neuer Technologien nicht auszugrenzen. Also haben wir uns ein Bedienkonzept überlegt, das möglichst intuitiv zu bedienen ist. Indem die Maschine beobachtet, wie der Fahrer sie bedient, lernt sie, ihm nur die Optionen anzuzeigen, die er in der jeweiligen Situation benötigt. Intusi dient damit als Knotenpunkt der Digitalisierung in einer Maschine, ohne den Bediener jedoch zu überfrachten. Wir gehen heute davon aus, dass wir dieses System auf der nächsten bauma schon in den ersten Serienmaschinen zeigen können.

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