Lückenschluss beim Teilchenbeschleunigertunnel vollzogen

Meilenstein in großformatigem Zukunftsprojekt erreicht

München/Darmstadt (ABZ). – In Darmstadt entsteht gleich neben dem GSI Helmholzzentrum für Schwerionenforschung der neue Teilchenbeschleuniger FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research). Jüngst erfolgte der Lückenschluss beim Bau des rund 1100 Meter langen Beschleunigertunnels. Die ABZ sprach mit dem verantwortlichen Projektleiter und IngenieurRonny Spielberg von Porr über das Mega-Projekt.
Porr Bau Baustellen
Mitte Juni dieses Jahres erfolgte die Betonage des letzten Teilstücks der Tunneldecke. Der Tunnelring ist seither geschlossen. Fotos: Porr

Errichtet wird der Teilchenbeschleuniger auf einem rund 20 Hektar großen Gelände. Es ist eines der aktuell größten und komplexesten Bauvorhaben der internationalen Spitzenforschung. Stump-Franki, ein Tochterunternehmen der Porr, war als Teil der ARGE Baugrube Nord daran beteiligt, mit Spezialtiefbaumaßnahmen zur Verbesserung der Baugrundverhältnisse beizutragen. Knapp 1 Million Kubikmeter Erde wurden ausgehoben. Für die Verfüllung und Überschüttung der Bauwerke werden 900.000 Kubik-meter Sand, Kies und Erde bewegt.

"Nach einer Bauzeit von vier Jahren wird allein Porr etwa 300.000 Kubikmeter Beton sowie 40.000 Tonnen Betonstahl im Baufeld Nord eingebaut haben. "Unser Auftrag umfasst hier den Bau des Beschleunigertunnels, inklusive der darüber liegenden Gebäudeteile wie ein Kreuzungsbauwerk mit unterirdischer Transferhalle. Uber diese wird der Strahl in den Beschleunigertunnel geleitet", erklärt der verantwortliche Projektleiter Ronny Spielberg.

Während der gesamten Projektzeit werde Porr über 100 Großbetonagen mit durchschnittlich 1500 Kubikmeter Beton durchführen. Die Monatsleistung liege in der Spitze bei 15.000 Kubikmeter Beton. Für diesen wurden laut Unternehmen rund 33.000 Tonnen Zuschlagstoffe und Zement benötigt, sowie 3600 Tonnen Bewehrungsstahl. "Mit dem parallellaufenden Baugrubenaushub und ersten Maßnahmen der Wiederverfüllung sind etwa 250 Lkw-Bewegungen pro Tag auf dieser Baustelle keine Seltenheit. Man darf das Projekt also als eines der Superlativen bezeichnen", sagt Spielberg.

Außergewöhnliches Projekt

"Die erfolgreiche Umsetzung ist ohne erfahrene Planer und Praktiker nicht vorstellbar, die mit dem festen Willen antreten, für jede Herausforderung eine Lösung zu finden", erklärt der Ingenieur weiter. In der Vorplanung ebenso wie in der Bauphase sei ein außergewöhnlich enger Kontakt zwischen Planung und Ausführung notwendig gewesen. Spielberg weiter: "Die Porr-Ingenieure der pde Integrale Planung aus Berlin und die Porr-Baustofftechnologen aus Düsseldorf haben vor allem in den ersten Monaten viele Tage mit uns auf der Baustelle verbracht und engmaschig kontrolliert, ob die erdachten Lösungen zielführend sind. Denn das Projekt FAIR ist für uns alle ohne Vorbilder. Ich gehe so weit zu behaupten, dass nie etwas Vergleichbares zuvor gebaut wurde."

Die Poliere von Porr agierten bei einzelnen Bauteilen mit fünf oder sechs verschiedenen Plänen, in denen allesamt wichtige Informationen aufbereitet seien. Aber auch sie hätten diese Herausforderung mit Bravour bewältigt und mit vielen hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Porr dafür gesorgt, dass Termine wie jüngst für den Lückenschluss des Beschleunigertunnels eingehalten werden konnten.

Der große Ringtunnel ebenso wie alle anderen von der Porr zu errichtenden Bauwerke werden vorwiegend als massive Stahlbetonbauten mit tragenden Außenwänden, Erschließungskernen, Innenstützen und -wänden sowie darauf lagernden Stahlbetondecken ausgeführt. Die bis zu 2 Meter starke Bodenplatte und die ebenso starken Außenwände und Decken des Tunnels wurden aus wasserundurchlässigem Spezialbeton als Massenbeton erstellt. Stück für Stück entstand der Tunnel in jeweils 25 Meter langen, fugenlos anzuschließenden Segmenten.

Komplizierte Ausführungen

"Das komplexe Tragwerk und die fugenlose Bauweise führten zu einer komplizierten Bewehrungsführung mit sehr hoher Bewehrungsdichte bei vielen Bauteilen. Vor allem bei der Arbeit für das sogenannte Transfergebäude erlebten zunächst die Tragwerksplaner und im Anschluss die Betontechnologen nie dagewesene Herausforderungen", erläutert Spielberg.

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Mit großem personellen Einsatz und unter kontinuierlicher Qualitätsüberwachung wurde der speziell entwickelte Beton eingebaut.

Der vollständig monolithische Tunnel und die Angliederung aller Gebäude an den Tunnel sollten fugenlos erstellt werden. Das galt auch für Gebäudeteile, die unterschiedlich gegründet wurden. Alle waren so zu planen, dass Setzungen und Zwängungen vollständig vermieden werden, selbst die Transferhalle mit ihren 30 mal 40 Meter und einer oberen 6 Meter dicken Abschlussdecke, die 30 Meter frei spannt. Diese Decke musste in drei Phasen betoniert werden, wobei die ersten 1200 Quadratmeter innerhalb von etwa 30 Stunden und in einem Stück erstellt wurden. 3600 Kubikmeter Beton wurden in dieser Zeit eingebracht. Ebenfalls im Transfergebäude findet sich eine 150 Zentimeter dicke Wand, in der 33 Lagen des 20er-, 25er- und 28er-Bewehrungseisens zu finden sind. Die Kollegen aus der Planung unterstützten beim Bau dieser Wand mit einem 3D-Modell der Bewehrung , weil hier Eisen horizontal, vertikal und diagonal zu führen war.

Als weitere große Herausforderung erwies sich neben der enormen Bewehrungsdichte die Notwendigkeit, speziellen Beton mit hoher Wichte einzusetzen, dem Basaltsplitt in großen Mengen zugeschlagen wird. "Genau dieser Umstand erschwert das Einbringen des Betons bei hoher oder sogar sehr hoher Bewehrungsdichte. Hier war es nötig, den Betoneinbau mit vielen, sehr erfahrenen Kollegen zu überwachen und seine Verdichtung genau zu beobachten beziehungsweise mit viel Handarbeit zu unterstützen", informiert der Projektleiter.

Nachbehandlung des Betons

Um den Betonbauern mehr Sicherheit zu geben, hatte die Porr Baustofftechnologie zunächst Probekörper mit der realen Bewehrung hergestellt. So wurde ermittelt, welcher Beton am besten geeignet sein würde. Es zeigte sich, dass Betone mit langsamer Festigkeitsentwicklung und niedriger Hydratationswärmeentwicklung auszuwählen waren. Überwiegend erfolgte die Herstellung des Betons in zwei auf der Baustelle aufgestellten mobilen Mischanlagen, für einzelne Bauteile mussten aber auch entsprechend spezialisierte Lieferanten mit ihren Anlagen und Transportkapazitäten unterstützen. Besondere Aufmerksamkeit verlangte während des Tunnelbaus die Nachbehandlung des Betons. Auch hierzu wurden vorab an Probekörpern verschiedene Nachbehandlungsvarianten sowie deren Einfluss auf die weiteren Temperaturverläufe nach dem Ausschalen untersucht. Spielberg dazu: "Auf Basis der Ergebnisse entstand ein Nachbehandlungskonzept, in dem konkrete Maßnahmen in

Abhängigkeit von definierten Temperaturbereichen festgelegt waren." In der "Arbeitsanweisung Nachbehandlung" seien schließlich fünf Temperaturbereiche für die Anwendung von Nachbehandlungs-varianten definiert worden. Weiter wurden während der Ausführung der Bodenplatten, der Wände und der Decken im Tunnelbereich des Bauwerks in jedem zu betonierenden Bauteil jeweils drei Temperaturmessfühler eingebaut. Ein vierter Messfühler diente stets für die Bestimmung der Lufttemperatur. Die Aufzeichnung der Messdaten erfolgte bis zum Annähern der Kerntemperatur an die Umgebungstemperatur – im Regelfall nach 28 Tagen – alle 15 Minuten mit einem Datenlogger. "Für die Abdichtung der Bauwerke kommen 117 500 Quadratmeter einer Frischbetonverbundfolie zur Anwendung. Sie soll einen Austausch von Porenwasser im Kontaktbereich zum Grundwasser verhindern", erklärt der Diplomingenieur. Die Herausforderung hier sei gewesen, dass eine Frischbetonverbundfolie vor der UV-Strahlung geschützt werden musste. Sie durfte nicht einfach unter der Bewehrung offen liegen und der Witterung ausgesetzt sein. Deshalb wurde die in der Baugrube ausgelegte Folie mit einem UV-Schutz abgedeckt, der erst kurz vor Einbringen des Betons unter der Bewehrung herausgezogen wurde. Spielberg ergänzt: "Auch hier konnten uns die Porr-Kollegen der pde Integrale Planung wertvolle Unterstützung bieten. Sie lieferten uns Pläne, aus denen detailliert hervorging, wo wann die Folie einzubauen, abzudecken beziehungsweise wieder frei zu legen ist." Teil dieser Planung sei auch gewesen, wann und wie die Anschlüsse der Folienbahnen gearbeitet werden müssen. Zwei Kollegen aus Berlin haben sich baubegleitend zwei Jahre lang ausschließlich mit diesem Thema befasst.

"Zusammenfassend ist festzustellen, dass dieses Projekt die Erarbeitung vieler, gänzlich neuer Lösungen sowohl im Bereich Stahlbetonbau als auch im Rohrleitungsbau erfordert. Die erfolgreiche Ausführung des Projektes verlangte von Anfang an eine extrem enge Abstimmung der Tragwerksplaner mit den Baustofftechnologen und vielen Kollegen auf der Baustelle", fasst der Projektleiter zusammen.

Die Planungen begannen 2016. Die an die Porr beauftragten Arbeiten werden zum Jahreswechsel 2022/2023 abgeschlossen werden. Bis es soweit ist, werden sich auch weiterhin täglich viele hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Porr auf der Großbaustelle in Darmstadt dafür einsetzen, dass alle Gebäude pünktlich an den Bauherrn übergeben werden können.

Spielberg: "Ausführen, Beobachten, Erkennen, Rückmelden – alle, die hier arbeiten, wissen, warum es so wichtig ist, dass sie an ihrem Platz Verantwortung für das beste Ergebnis übernehmen." Der technische Geschäftsführer von FAIR und GSI, Jörg Blaurock, erklärter angesichts des erfolgreichen Ringtunnelschlusses Mitte Juni: "FAIR ist ein wissenschaftlich und technisch außergewöhnliches Bauvorhaben. Es erfordert maßgeschneiderte Lösungen sowie das Ineinandergreifen zahlreicher Einzelgewerke." Ich persönlich erlebe es als großartige Chance, als Projektleiter in dieses Projekt mit seinen vielfältigen und einzigartigen Planungsprozessen involviert zu sein und dabei mitwirken zu können.

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