Mehr als nur Reifen

Continental gewährte Einblick in Forschung und Entwicklung

von:

Robert Bachmann

Continental Unternehmen
Im ContiLifeCycle-Werk in Hannover werden gebrauchte Lkw-Reifen für ein zweites Reifenleben fit gemacht. Fotos: Continental

Hannover. – Hinter einem modernen Reifen steckt heute weitaus mehr als ein runder, schwarzer Gummimantel mit Profil. Insbesondere im kostenintensiven Spezialreifensegment für Nutz- und Baufahrzeuge spielen Lebensdauer und intelligente Konstruktion eine zunehmend wichtige Rolle. Wie ein Weltkonzern wie die Continental AG an diese Herausforderungen herangeht, davon konnten sich die Mitglieder des Verbandes der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik (VDBUM) kürzlich am Hauptsitz des Unternehmens in Hannover überzeugen. Rd. 40 interessierte Vertreter aus der Bau- und Nutzfahrzeugindustrie sowie aus angegliederten Bereichen waren der Einladung des VDBUM zum Technik Forum nach Hannover gefolgt. Auf dem Plan stand die Besichtigung des Continental-Produktionswerkes im Stadtteil Stöcken. Mit einem Jahresumsatz von 40,5 Mrd. Euro, rd. 400 Standorten in 56 Ländern und über 220.000 Mitarbeitern gehört die Continental AG zu den globalen Marktführern der Branche. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen nach wie vor in der niedersächsischen Landeshauptstadt, wo es 1871 gegründet wurde. Im Herzen des weitläufigen Produktionsgeländes befinden sich neben der eigentlichen Fertigung auch das Forschungs- und Entwicklungszentrum für den Produktbereich Reifen sowie das sogenannte ContiLifeCycle-Werk, in dem gebrauchte Lkw-Reifen nach modernsten Verfahren wiederaufbereitet werden."Alles, was wir hier tun, dient letztlich dazu, die Lebensdauer unserer Produkte zu verlängern", erklärte Christian Luther, Product Line Manager für den Bereich EM-Reifen bei Continental, gegenüber der ABZ. Und das auf breiter Spur, wie die geladenen Fachbesucher bei der Besichtigung des werkseigenen Forschungs- und Entwicklungszentrums erfuhren. Angefangen bei der Reifenanalyse: Auf Grundlage unterschiedlicher Methoden – insbesondere Röntgen, Ultraschall sowie optische Verfahren – befasst sich eine eigene Abteilung in Stöcken ausschließlich mit tiefgreifenden Untersuchungen bestehender Produkte. Dank der modernen Verfahrensweisen können die Reifen sowohl unter Last als auch ohne Last zerstörungsfrei analysiert werden. Ausgenommen sind die großen und schweren EM-Reifen, die nach wie vor im Querschnitt untersucht werden. Die Verfahren werden zunehmend optimiert. Aktuell teste man bspw. Analysemethoden mittels Kernspintomographie und Impulshammer-Technologie. Um die Reifen von morgen kümmern sich die Experten aus dem Labor. Hier werden am laufenden Band neue experimentelle Materialmischungen hergestellt und intensiven Tests unterzogen. In verschiedenen, teils selbst entwickelten Prüfständen werden die neuen Komponenten auf unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich ihrer Belastbarkeit, Haltbarkeit und Leistung untersucht. Von der Herstellung bis zur Bewertung erfolgen alle Prozesse höchst automatisiert. Auf diese Weise werden pro Jahr etwa 12.000 einzelne Mischungen geprüft.

ContiLifeCycle (CLC)
Relativ neu ist das sogenannte ContiLifeCycle-Werk (CLC), welches vor rund vier Jahren seine Arbeit in Stöcken aufgenommen hat. Hier werden gebrauchte Lkw-Reifen mit modernster Technik runderneuert. Insbesondere bei den teils überdimensionierten Spezialreifen handle es sich nicht um Wegwerfprodukte, so Luther: "Über unsere gesamte Produktpalette hinweg sind wir stets bestrebt, die sogenannten Total Cost of Ownership (Gesamtbetriebskosten) weiter zu optimieren, indem wir z. B. fortlaufend an der Langlebigkeit unserer Produkte arbeiten. Wir haben kein Interesse daran, den Kunden immer wieder zum Neukauf zu animieren. Wir wollen, dass der Kunde wieder zu uns kommt, weil das Produkt seinen Anforderungen und Ansprüchen entsprochen hat."

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Die Aufarbeitung findet nahezu ausschließlich im Heißrunderneuerungsverfahren statt.

Die angelieferten Reifen werden im CLC zunächst intensiv auf die Machbarkeit einer Runderneuerung überprüft. Ist der Reifen geeignet, wird er angeraut und anschließend vulkanisiert. Da neben niedrigen Verbrauchswerten und der Laufleistung – getreu dem Motto 'looks like new and runs like new' – ein Hauptfokus auf dem visuellen Erscheinungsbild der runderneuerten Reifen liegt, findet fast ausschließlich das sogenannte Heißrunderneuerungsverfahren Anwendung. Nur in Ausnahmefällen wird das sogenannte Kaltrunderneuerungsverfahren angewendet. Beim Heißrunderneuerungsverfahren werden auch die Seitenwände des Reifens mit einer frischen Oberfläche versehen. Das abgetragene Material wird ebenfalls im Werk Stöcken recycelt. Nach Abschluss des Runderneuerungsprozesses erfolgen abschließende Qualitätsprüfungen, um sicherzustellen, dass die runderneuerten Reifen auf höchstem Qualitätsniveau in den Handel gehen.Aktuell würden vornehmlich Nutzfahrzeugreifen aufgearbeitet, verdeutlichte Luther: "Im Bereich Specialty-Tires erneuern wir darüber hinaus auch die Vollreifen, die vor allem im Staplersegment zum Einsatz kommen. Das allerdings in Korbach, wo unser Werk für dieses spezielle Reifensegment beheimatet ist. Im EM-Bereich machen wir aktuell noch keine Runderneuerungen."

Volle Kontrolle
Seit 2013 ist Continental wieder aktiv im sogenanten Earthmover-Reifensegement (EM) aktiv: "Zu Beginn stand erst einmal eine umfassende Marktanalyse auf der Agenda. Was braucht der Kunde eigentlich, was wünscht er sich", erklärte Luther. "Wir haben uns dann überlegt, wie wir den Reifen intelligenter machen können. So entstand letztlich der Gedanke, das CPC-System aus dem Truck-Bereich hier zu adaptieren."
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Alle EM-Radialreifen werden bei Continental mit einem Sensor ausgestattet. Auf diese Weise können wesentliche Daten wie Temperatur und Reifendruck schnell und einfach abgelesen werden.

Hinter dem sogenannten ContiPressureCheck-System (CPC) verbirgt sich ein sensorgestütztes Reifendruckkontrollsystem, welches im Nutzfahrzeugreifenbereich bei Continental bereits seit einiger Zeit angeboten wird, nun aber auch in den EM-Reifen des Herstellers eingesetzt wird. Luther: "Jeder EM-Radialreifen, der bei uns neu aus dem Werk kommt, ist heute mit einem Reifensensor ausgestattet. Bei den UGM-Diagonalreifen ist das anders, weil viele Kunden diese mit PU ausschäumen."

Das Angebot ist kostenfrei. Über den Sensor kann der Fahrer eines entsprechenden Fahrzeugs kontinuierlich Temperatur- und Reifendruck im Auge behalten. Um die Daten auszulesen, muss der Kunde lediglich einen entsprechenden Handheld bzw. ein Display für die Kabine anschaffen. Die Kosten hierfür sind jedoch eher gering. "Falscher Luftdruck ist eine der zentralen Schwachstellen für die Langlebigkeit eines Reifens", betonte Luther. "Mit unseren Sensoren kann der Kunde diese Schwachstelle eliminieren und bekommt ein entsprechend nachhaltigeres Produkt."

Mehr als nur Reifen

Vergleichbare Systeme gäbe es auch bei anderen Herstellern, weiß Luther. Continental sei jedoch der einzige, der einen solchen Sensor in seinen EM-Reifen ab Werk und aus eigener Fertigung anbiete. Hier komme dem Unternehmen die enorme Diversifikation zugute, die der Konzern in den vergangenen Jahren vollzogen habe. Luther: "Reifen machen mittlerweile nur noch 25 % des Gesamtumsatzes bei Continental aus." Nicht, weil die Sparte entsprechend geschrumpft sei, sondern, weil sich Continental zu einem extrem breit aufgestellten Automobilzulieferer entwickelt habe. Neben Reifen umfasst das Portfolio von Continental heute auch Transportbänder, Gummiraupenketten, Industrieschläuche, Antriebsriemen, Systeme zur Schwingungsisolierung, fortschrittliche Mehrzweckinstrumente und Displays, 360°-Kameras und Steuereinheiten. "Das versetzt uns in die Lage, wertvolle Synergien zwischen den Bereichen zu schaffen. Dazu gehört auch die Eigenfertigung der Reifensensoren für das CPC-System in unserem Werk in Toulouse."

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