Mehr Risiken und Kosten

Neues Bauvertragsrecht gegen Unternehmer gerichtet?

von:

Michael KNIPPER

Recht und Normen
Michael Knipper: "Der Abschlussbericht erhöht das Streitpotenzial, lässt bestehende Nachteile für Bauunternehmer unerörtert, schafft zusätzliche neue Risiken und Kosten, führt die Ergebnisse einer überbordenden Rechtsprechung fort und behandelt das Baugeschehen unter übersteigerten Verbraucherschutzgesichtspunkten." Foto: HDB

BERLIN - Im Juni legte das Bundesjustizministerium einen Abschlussbericht vor, der das Ergebnis einer dort vor drei Jahren eingerichteten Arbeitsgruppe zusammenfassen soll. Dieser Abschlussbericht und dessen Vorschläge für Gesetzesänderungen würden – falls der Gesetzgeber sie aufgreift – die derzeitige Gesetzeslage für Bauunternehmer erheblich verschlechtern.

Wenigen Vorteilen stünden zahlreiche neue Risiken und Kosten gegenüber. Dies benachteiligt nicht nur kleine und mittelständische Unternehmer erheblich. Auch große Unternehmen wären betroffen. Der Abschlussbericht ist ungeeignet, Grundlage eines gesetzlichen Bauvertragsrechts zu sein – so die gemeinsame Position der Unternehmensvertreter aus Handwerk, Baugewerbe und Bauindustrie.

Die Einrichtung der Arbeitsgruppe geht auf den Koalitionsvertrag zurück. Danach wollten die an der Bundesregierung beteiligten Parteien "prüfen, ob und inwieweit ein eigenständiges Bauvertragsrecht zur Lösung der bestehenden Probleme im Bereich des Bau- und Werkvertragsrechts geeignet ist".

Eine ähnliche Frage beantwortete der deutsche Gesetzgeber Anfang der 1920er Jahre damit, statt einer gesetzlichen Regelung die Schaffung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) zu befürworten. Auch Österreich und die Schweiz verfolgen aus guten Gründen den gleichen Ansatz, den die VOB seit über 80 Jahren in Deutschland verfolgt. Auch in Österreich und der Schweiz finden sich die Grundlagen des Bauvertragsrechts in untergesetzlichen Regelungen.

Dagegen kommt der Abschlussbericht des Bundesjustizministeriums zu einem anderen Ergebnis. Dabei wurden – entgegen dem Prüfauftrag – die tatsächlichen Probleme mit Bauverträgen von der Arbeitsgruppe nicht identifiziert. Vielmehr wurden die seinerzeit umstrittenen Vorstellungen des deutschen Baugerichtstags als Agenda übernommen, ohne diese zu hinterfragen oder deren Probleme zu lösen.

Laut einer Studie(1) lassen sich die häufigsten Konfliktursachen für Baustreitigkeiten wie folgt auflisten: Leistungsänderungen durch den Besteller, das Fordern zusätzlicher Leistungen, Unklarheiten im Vertrag, ein fehlerhaftes Leistungsverzeichnis sowie fehlende Planungsunterlagen. Diese fünf Hauptursachen für Konflikte stammen alle aus der Sphäre des Auftraggebers und werden im Bericht entweder nicht erörtert oder einseitig zu Lasten des Bauunternehmers "gelöst". Dabei ist vor allem das Kernstück des Abschlussberichts, die so genannte "Bauverfügung", nach Meinung auch der Justiz ungeeignet, schnell und kostengünstig über Vergütungsansprüche von Bauunternehmern zu entscheiden. Derzeit haben Probleme für das Baugeschehen ihre Ursache häufig im Prozessrecht, das heißt der mangelnden zeitnahen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen.

Anstatt – wie international üblich – bei Leistungsänderungen unbürokratische und zeitnahe Entscheidungen durch Streitschlichtungskommissionen während des Bauprozesses zu treffen, sind mehrjährige – keinem Vertragspartner zumutbare Prozesse die Realität. Dieser Missstand ist mit Blick auf die für Unternehmer so wichtige Liquidität ein zentrales Problem. Umso enttäuschender ist es, dass der Abschlussbericht hierzu keine verwertbaren Vorschläge macht.

Zwar wird unter der Überschrift "Optimierung des Verfahrensrechts" ausgeführt:

"Im Rahmen der Diskussionen der Arbeitsgruppe wurde von Seiten der Praxisvertreter immer wieder beklagt, dass das geltende Zivilprozessrecht, insbesondere bei großen Bauprozessen mit vielen Beteiligten, vielfach an Grenzen stoße. Dies führt trotz des Interesses aller Beteiligten an schnellen Lösungen häufig zu einer langen Verfahrensdauer und einem erhöhten Prozessrisiko. Exemplarisch hierfür sind die Regelungen zur Streitverkündung und zum selbständigen Beweisverfahren".

Statt sich jedoch diesem tatsächlichen Problem der Baupraxis zu nähern, das aufgrund der Arbeitsteilung am Bau auch viele mittelgroße und kleinere Bauvorhaben gleichermaßen betrifft, belässt es der Bericht bei der aus Sicht von Bauwirtschaft und Handwerk praxisuntauglichen Bauverfügung. Auch aus Sicht der Landesjustizverwaltungen "bedarf das Konzept der Bauverfügung einer vertieften Prüfung. Aus praktischer Sicht bestünden Zweifel, ob die bislang diskutierten Vorschläge den Gerichten tatsächlich eine wirksame Verfahrensbeschleunigung erlauben würden", so der Abschlussbericht.

Ohne wirksames Instrument zur schnellen Entscheidung vor allem über Vergütungsansprüche des Bauunternehmers ist als weiteres Kernstück nicht akzeptabel, dem Besteller, also dem Auftraggeber eines Werkvertrags gesetzlich zu erlauben, die mit einem Unternehmer vereinbarte Leistung einseitig zu ändern.

Im Abschlussbericht heißt es dazu: "In der Arbeitsgruppe bestand Einvernehmen darüber, dass das Instrument des Anordnungsrechts nur dann im Sinne eines ausgewogenen Interessenausgleichs wirken kann, wenn es durch ein beschleunigtes Entscheidungsverfahren begleitet wird. Einige Mitglieder haben grundsätzliche Zweifel, ob ein derart leistungsfähiges gerichtliches Verfahren erreichbar ist. Sie wenden sich daher nicht nur gegen die Bauverfügung, sondern auch gegen das Anordnungsrecht."

Neben – nicht akzeptabler – "Bauverfügung" und "Anordnungsrecht" verkennt der Abschlussbericht, dass in der Bau-Realität der Auftraggeber häufig die Spielregeln diktiert. Ein Bauvertragsrecht müsste hier faire Grenzen setzen und zu einer ausgewogenen Gestaltung der Rechtspositionen beitragen, um auf diese Weise zu einem größeren Gleichgewicht der "Marktverhältnisse" zu kommen. Daran fehlt es.

Ausprägungen der "Marktmacht" des Auftraggebers sind

  • eine häufig unangemessen kurze Kalkulationszeit für Angebote,
  • einseitige Vertragstexte zu Lasten der Unternehmer mit einer Überbürdung aller Risiken.

Hinzu kommt eine für Bauunternehmer häufig nachteilige Rechtsprechung, die der Abschlussbericht nicht kritisch hinterfragt oder ausgleicht. Zudem fehlt es an einer Vielzahl regelungsbedürftiger Punkte, etwa die Folge von Behinderungen in der Bauphase.

Für Bauunternehmer problematisch und unakzeptabel ist auch:

  • Die dem bisherigen Gesetzeswortlaut widersprechende und vollkommen überzogene Rechtsprechung zum "funktionalen" Mangelbegriff festzuschreiben, wonach Bauunternehmer eine Leistung schulden sollen, die so mit dem Auftraggeber nicht vereinbart wurde.
  • Für Architekten weit reichende Sonderregeln vorzusehen und mit Behauptungen, die weder durch praktische Beispiele noch statistisch belegt sind, die gesamtschuldnerische Haftung des Architekten neben dem Bauunternehmer in Frage zu stellen.
  • Erhebliche zusätzliche Kosten und Risiken insbesondere für Verbraucherverträge zu schaffen, etwa durch eine kostenlose "Leistungsbeschreibungspflicht" der Bauunternehmer oder eine Einschränkung des Rechts auf Abschlagszahlungen.
  • Vorgebliche Verbesserungen für die Abnahme von Bauverträgen durch neue unbestimmte Rechtsbegriffe zu erschweren ("Fertigstellung") und zusätzlich – nicht für alle Vertragsarten, sondern nur für "Bauverträge" – eine "prüfbare Abrechnung" zu verlangen, deren Bezahlung ohne Grund 30 Tage hinausgezögert werden darf. Erhebliche Abgrenzungsprobleme, wirtschaftliche Einbußen und neues Streitpotenzial sind absehbar.

Abgesehen von diesen nur beispielhaft genannten Schwachpunkten wurden wesentliche Grundfragen nicht behandelt, die für Bauunternehmer bereits nach bestehendem Recht zu erheblichen Nachteilen führen:

  • Etwa warum die Leistung auf eigene Kosten vorfinanziert und erst dann vergütet wird (so genannte Vorleistungspflicht),
  • warum das Eigentum am Baumaterial bereits durch dessen Einbau auf der Baustelle verloren geht oder
  • warum Bauunternehmer eingekauftes Baumaterial nach immer strengeren (und wirklichkeitsferneren) Maßstäben kontrollieren müssen und – selbst bei Einhaltung dieser Maßstäbe – kein Rückgriffsrecht gegen die Lieferanten mangelhaften Baumaterials hinsichtlich der Kosten haben sollen, die durch den Ausbau mangelhaften und den Einbau mangelfreien Materials entstehen. Dies ist ungerecht und schadet nicht nur kleinen und mittelständischen Unternehmern!

Die – zufällig zusammengesetzte – Arbeitsgruppe spiegelte nicht ausgewogen die Interessen der Baubeteiligten wider. Unter den knapp 40 Teilnehmern waren nur drei Vertreter der Auftragnehmer: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). Diese Unausgewogenheit bestätigt der Abschlussbericht.

Der Abschlussbericht erhöht das Streitpotenzial, lässt bestehende Nachteile für Bauunternehmer unerörtert, schafft zusätzliche neue Risiken und Kosten, führt die Ergebnisse einer überbordenden Rechtsprechung fort und behandelt das Baugeschehen unter übersteigerten Verbraucherschutzgesichtspunkten.

Ausgeblendet blieb dabei, dass für Verbraucherverträge ein im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher erstelltes Gutachten vorschlägt, von einer gesetzlichen Neuregelung abzusehen und stattdessen einen untergesetzlichen Mustervertrag zu erstellen. Dies wäre – etwa als VOB für Verbraucher – wesentlich praxisnäher, als unausgewogene neue gesetzliche Regeln auf einer mit dem "Abschlussbericht" fraglichen Grundlage zu schaffen.

Angesichts der dargelegten Probleme und deren erheblicher wirtschaftlicher Folgen nicht nur für kleine und mittelständische Unternehmer konnten Bauwirtschaft und Handwerk dem Abschlussbericht nicht als "Gesamtpaket" zustimmen und daher auch nicht "in einem wechselseitigen Geben und Nehmen" Abstriche an unseren Vorschlägen und Vorstellungen hinnehmen, wie es der Abschlussbericht den übrigen Mitgliedern der Arbeitsgruppe unterstellt.

Zur Position der Auftragnehmer heißt es verkürzt, aber zutreffend:

"Drei Verbände, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie haben am Ende der Erörterung in einer Gesamtbewertung erklärt, dass sie den Abschlussbericht nicht mittragen können. Es fehle vor allem an einer Bestandsanalyse darüber, ob und wo das Werkvertragsrecht in der Praxis Probleme aufwerfe. Sie befürchten eine Verschlechterung der Gesetzeslage, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmer sowie neue Kosten und Risiken für die Auftragnehmer insbesondere bei Verbraucherverträgen. Besonders wenden sie sich gegen die Aufnahme eines gesetzlich bislang nicht vorgesehenen einseitigen Anordnungsrechts des Bestellers und gegen die Festschreibung der aus ihrer Sicht viel zu weit gehenden Rechtsprechung zum funktionellen Mangelbegriff".

(1) Haghsheno/Kaben, Konfliktursachen und Streitgegenstände bei der Abwicklung von Bauprojekten, Jahrbuch Baurecht 2005, Seite 263 (267).

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