Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

"Wir müssen eine neue Kultur des Vertrauens schaffen"

Baupolitik
Michael Knipper: "Unser gemeinsames Ziel muss es sein, der Politik gegenüber mit starker Stimme die Bedeutung der Bauwirtschaft zu vermitteln." Foto: Bauindustrie

In den vergangenen Jahren haben Konflikte bei Großprojekten in Deutschland dem Image der Bauwirtschaft und den planenden Berufen massiv geschadet. Deshalb hat jetzt eine Expertenkommission Empfehlungen erarbeitet, damit künftig Bauvorhaben in Bezug auf Zeit und Kosten nicht mehr aus dem Ruder laufen können. In diesem Zusammenhang mahnt die Bauindustrie einen Kulturwandel bei der Vergabe von Aufträgen an. Darüber sprach unter anderem in Berlin Rainer Oschütz, Chefredakteur der Allgemeinen Bauzeitung (ABZ), mit Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.ABZ: Herr Knipper, Sie haben in den vergangenen Wochen verstärkt einen Kulturwandel bei der Vergabe von Großprojekten gefordert, um künftig Baupannen verhindern zu können. Was meinen Sie damit?Knipper: Unser Grundproblem ist, dass das konfliktäre Bauen nach wie vor die Regel ist. Wir haben sowohl auf der politischen Ebene, also der Verbändelandschaft, als auch in der Wertschöpfungskette noch keine echte Kultur des Zusammenarbeitens und des Vertrauens entwickelt. Dies wirkt sich unmittelbar auf das Handeln aller Beteiligten aus und berührt natürlich auch die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Auftragnehmern.Gerade bei Großprojekten, wo es ganz besonders auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ankommt, wo die Beteiligten über viele Jahre zusammen arbeiten müssen, zeigen sich diese Vertrauenslücken ganz direkt im Bauprozess und führen zu vielen Problemen, insbesondere zu Terminschwierigkeiten und Kostensteigerungen. Das schadet in der Konsequenz dem Image aller am Bau Beteiligten. Mein Credo lautet daher: Zu allererst müssen wir eine neue Kultur des Vertrauens und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette schaffen. Dies können wir nur gemeinsam erreichen, wenn wir aus den Fehlern der Baukrise lernen.ABZ: In der Gegenwart sieht es aber nicht nach Kulturwandel aus. Die Diskussion wird durchaus scharf geführt. . . Knipper: Ja, Sie haben recht. Oftmals wird Einigkeit gefordert und in der Realität kämpft dann doch jeder für seine Eigeninteressen. Wir müssen endlich dazu kommen, dass alle Geschäftsmodelle – kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen – akzeptiert werden. Zumindest müssen wir die Souveränität haben, sie zu tolerieren. Natürlich will ich eine angemessene Beteiligung des Mittelstandes, ich will, dass bei der Vergabe auch die kleineren und mittleren Firmen eine faire Wettbewerbschance bekommen. Aber bei Großprojekten brauchen wir die Kompetenz von Großunternehmen und auch neue, innovative Geschäftsmodelle.Unser gemeinsames Ziel muss es sein, der Politik gegenüber mit starker Stimme die Bedeutung der Bauwirtschaft zu vermitteln. Immerhin sprechen wir für 10 % des BIP. Das erwirtschaften sowohl große Firmen, die international wettbewerbsfähig sind, starke Mittelständler, die das Rückgrat der Branche bilden und nicht zuletzt das Bauhandwerk gemeinsam. Wir sollten uns nicht kleiner machen als wir sind.

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Baupolitik
Künftig sollen mögliche Zusatzkosten und eine Terminverschiebung von Anfang an vermieden werden. Unter anderem soll ein transparentes Risikomanagement anhand von Pilotprojekten wie der Rader Hochbrücke an der A 7 über den Nord-Ostsee-Kanal oder der achtstreifige Ausbau der A 40 inklusive der Rheinbrücke (Bild unten) erprobt werden. Fotos: dpa

ABZ: Also, aus Ihrer Sicht ist das Tischtuch noch nicht zerschnitten?Knipper: Um es einmal ganz klar zu sagen: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es gute Gründe gibt, bei zentralen und wichtigen Themen eng in der Branche zusammen zu arbeiten. Dazu gehören die Rahmenbedingungen, wie die Vorleistungspflicht, faire Zahlungsmoral und faire Vergabe- und Vertragsspielregeln.Ein Beispiel dafür, was wir mit Zusammenarbeit erreichen können, ist die Sozial- und Tarifpolitik. Seitdem wir enger kooperieren, haben wir auf diesem Gebiet ein besseres Verständnis für einander, und das hat sich als außerordentlich positiv herausgestellt. Dadurch sind wir besser aufgestellt, können als Arbeitgeber professioneller in die Tarifgespräche gehen und der Gewerkschaft gegenüber geschlossener auftreten. Das hat uns in der Tarif- und Sozialpolitik enorm weitergebracht. Wir sollten künftig alles daran setzen, dass wir diese kluge Kooperation fortsetzen.ABZ: Was muss sich aus Sicht Ihres Verbandes noch ändern?Knipper: Was für die Verbändelandschaft gilt, gilt natürlich auch für das Verhältnis zwischen Hauptunternehmer und Subunternehmer – ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann sich ein partnerschaftliches Verhältnis entwickeln? Beispielhaft macht das aus meiner Sicht die Autobranche vor. Täglich findet zwischen den fünf großen Herstellern und den zahlreichen Zulieferern ein Dialog statt. Wir als Bauindustrie bieten einen solchen Dialog auch an. Wir müssen mit den wichtigsten Auftraggebern weg von hausgemachten Konflikten hin zu echten Partnerschaften kommen. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) partnerschaftliche Guidelines (Hilfslinien, Hilfen) entwickelt. Wir nennen das "Fair Business", also faire Partnerschaften, faire Geschäftsmodelle. Die Dialogkultur zwischen den Großen und den Subunternehmern in solche Partnerschaften zu bringen, das muss für alle am Bau Beteiligten möglich sein, um große komplexe Objekte erfolgreich realisieren zu können. Lassen Sie es mich mit einem Zitat des deutschen Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock ausdrücken: Das wäre des Schweißes der Edlen wert!ABZ: Lassen Sie uns zur Tagesordnung übergehen. Mit welchem Konzept wollen Sie die kommenden großen Bauaufgaben im Lande lösen?Knipper: Unser Land steht vor großen Bauaufgaben, insbesondere im Wohnungsbau und in der Verkehrsinfrastruktur. Es gibt genug zu tun und zwar für alle und für jedes Geschäftsmodell. Verkehrsminister Alexander Dobrindt fährt in den kommenden Jahren bspw. die Investitionen in den Straßenbau von gegenwärtig 5 Mrd. Euro auf 8 Mrd. Euro kräftig hoch. Davon haben wir immer geträumt. Jetzt steht die Frage im Raum, wie wir die Planungskapazitäten schaffen können, damit das Geld überhaupt verbaut werden kann. Unsere eigentliche Aufgabe wäre es, dass alle Firmen, egal wie groß sie sind, bei ihren Kapazitäten Planungssicherheit bekommen. Doch leider werden sinnvolle Ansätze nach wie vor blockiert.Ich wiederhole mich gerne und fordere, dass wir – als Beispiel – vom Auftraggeber angefangen über die großen bis zu den kleinen Unternehmen Guidelines für eine neue Partnerschaftskultur brauchen. Wir wollen, dass alle Geld bei fair aufgestellten Projekten verdienen. Die Qualität würde sich enorm verbessern, wenn alle wieder mit Freude und Spaß auf der Baustelle stehen.ABZ: Mit der Empfehlung der Reformkommission "Bau von Großprojekten" hat die Branche doch einige Gemeinsamkeiten entwickelt. Wie geht es damit voran?Knipper: Am 15. Oktober kommt dieses Thema ins Bundeskabinett. In der Vorlage soll ganz konkret die Umsetzung dieser Vorschläge besprochen werden. Dazu gehört vor allem auch das Risikomanagement von Großprojekten. Künftig sollen mögliche Zusatzkosten und eine Terminverschiebung von Anfang an vermieden werden. Unter anderem soll ein transparentes Risikomanagement anhand von Pilotprojekten wie der Rader Hochbrücke an der A 7 über den Nord-Ostsee-Kanal oder der achtstreifige Ausbau der A 40 inklusive der Rheinbrücke erprobt werden. Ich bin überzeugt, dass diese Beispiele beweisen, wie durch Risikopuffer und professionelles Management Kosten und Zeitpläne verlässlich eingehalten werden können.Ein weiteres Thema ist die Adjudikation, ein Verfahren außergerichtlicher Konfliktlösung. Wir brauchen dringend schnelle Entscheidungsprozesse auf der Baustelle, ideal wären drei oder vier Wochen. Das sollte der Bauherr bei Großprojekten in den Verträgen mit den Projektbeteiligten in einem internen und einem externen Konfliktmechanismus verankern.Außerdem gehört zum Reformpaket, das möchte ich besonders erwähnen, die Vergabepraxis an den Billigsten. Die Vergabe von Bauprojekten nach einem Preiswettbewerb birgt das Risiko, dass sich der vermeintliche Vorteil des Billigbieterprinzips auf lange Sicht in sein Gegenteil verkehrt, insbesondere weil Auftragnehmer teilweise unter Selbstkosten anbieten, um Planungsdefizite und -änderungen für Nachträge und Kostendeckung zu nutzen. Hier bleibt die Qualität der Bauausführung selbstredend auf der Strecke.

Baupolitik

ABZ: Die Digitalisierung der Bauabläufe ist auf einem guten Weg. Was versprechen Sie sich davon?

Knipper: Ein weiterer, wichtiger Punkt im Empfehlungskatalog der Reformkommission. Deshalb haben wir jetzt auch die Gesellschaft "planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH" gegründet. In dieser Gesellschaft sind mittlerweile 14 Verbände der gesamten Wertschöpfungskette vertreten – Architekten, Ingenieure, drei Bauverbände, Betreiber, wichtige Bauherren und Software-Unternehmen. Für weitere Mitglieder sind wir natürlich offen. Gegenüber der herkömmlichen, computergestützten Planungsmethode ermöglicht die Digitalisierung – das Building Information Modeling (BIM) – nicht nur die Verarbeitung einer größeren Datenmenge, sondern ermöglicht auch allen Beteiligten den Zugriff auf diese Daten. Ich bin mir sicher, dass sich dadurch Risiken minimieren lassen und Kosten- und Terminpläne besser kontrolliert und eingehalten werden können. Ich kann nur bekräftigen, was Verkehrsminister Dobrindt kürzlich sagte: Modernes Bauen heißt: Erst digital, dann real bauen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Übrigens haben sich für September und Oktober bereits über 70 Unternehmen gemeldet, die gesagt haben, wir möchten in dieser Gesellschaft mitarbeiten.

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