Bauaussichten 2023

Mobilitätskollaps verhindern? Investieren! Investieren! Investieren!

Von Peter Hübner, Präsident des Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
Bauaussichten
HDB-Präsident Peter Hübner Foto: HDB/Stockberg

Doch dann kam der Krieg und mit ihm verschwanden viele Gewissheiten: Stabile Preise am Bau? Gas und Öl in ausreichender Menge, jederzeit verfügbar? Stabiler Geldwert? Kurzum: Die Baubranche ist einmal von links nach rechts gedreht, das Innerste nach Außen gestülpt und kräftig geschüttelt worden.

Denn die globalen Lieferketten wurden nach Corona einer neuen Belastungsprobe unterzogen, die sie nicht bestanden. Die Folge: Materialknappheit in der Bauwirtschaft. Gleichzeitig stiegen die Baumaterialpreise quer durch alle Produktgruppen, am stärksten da, wo zur Herstellung ein hoher Energieeinsatz notwendig ist. Unsere Branche war somit von den stark steigenden Energiepreisen indirekt ebenfalls betroffen. Diese Preis-Rallye zeigte sich in historisch hohen Steigerungsraten für Baupreise. Im August 2022 lagen die Baupreisindizes im Neubau – je nach Bauwerkskategorie – zwischen 16 und 19 Prozent über dem Vorjahresniveau. Dies sorgte erwartungsgemäß für eine deutlichere Zurückhaltung bei potenziellen Bauinvestoren. In der Konsequenz gingen von Januar bis August die realen Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe um 4,7 Prozent zurück.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Firmen, die über Auftragsmangel und Auftragsstornierungen berichteten. Problematisch wirkt auch die deutliche Zinserhöhung. Lag im Januar der Zinssatz für Hypothekarkredite mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren noch bei 1,2 Prozent, stieg er bis zum Spätherbst auf über 4 Prozent an.

Hinzu traten "hausgemachte" Probleme, wie die abrupte Streichung der Neubauförderung im Wohnungsbau. Die toxische Mischung aus Auslaufen der Förderung, steigenden Zinsen und steigenden Neubaukosten hat dazu geführt, dass im Mietwohnungsbau viele Projekte erst einmal "auf Eis gelegt" und nur noch laufende Baumaßnahmen abgewickelt wurden. Wir haben daher im Herbst unsere Prognose diesen neuen Realitäten anpassen müssen. Erwartet wird nun für das Gesamtjahr 2022 ein realer Umsatzrückgang von 5 Prozent. Angesichts der hohen – durch die Preise getriebenen nominalen Zunahmen dürfte der baugewerbliche Umsatz im Bauhauptgewerbe 2022 bei gut 160 Milliarden Euro gelegen haben.

Nach dem das reale Bruttoinlandsprodukt 2022 noch einmal um knapp 2 Prozent zugelegt hat, wird aktuell von Wirtschaftsforschungsinstituten und Sachverständigenrat für 2023 ein Rückgang in der Größenordnung von etwa 0,4 Prozent erwartet. Diese deutliche konjunkturelle Abkühlung wirkt sich auch auf die Aktivitäten in der Bauwirtschaft aus.

Vor allem der Wohnungsbau gerät im neuen Jahr von mehreren Seiten unter erheblichen Druck: Wir rechnen damit, dass die europäische Zentralbank noch einmal an der Zinsschraube drehen wird – nach oben.

Die Baupreise dürften auf Grund der deutlichen Verbesserung bei der Verfügbarkeit von Baumaterial und bei den Lieferketten im neuen Jahr zwar nicht mehr so deutlich steigen, allerdings haben die Wirtschaftsforscher in ihre Prognose noch eine weitere Zunahme von 10 Prozent eingestellt. Damit werden Bauwerke weiter verteuert und die Nachfrage sinkt.

Das Auftragspolster und die Reichweite der Auftragsbestände bieten für das Winterhalbjahr zwar noch eine gewisse Sicherheit, der deutliche Rückgang der neuen Aufträge seit dem April 2022 wirkt allerdings stark belastend. Zudem ist damit zu rechnen, dass auch bereits beauftragte Projekte auf Grund der neuen Rahmenbedingungen storniert werden.

Spätestens jetzt müsste im Bundeskanzleramt der Alarm losgehen: Denn ursprünglich hatte die Bundesregierung das Ziel vorgegeben, 400.000 Wohnungen jährlich neu errichten zu lassen. 2022 dürften es bestenfalls 270.000 bis 280.000 gewesen sein, für das neue Jahr ist ein weiterer Rückgang wahrscheinlich. Die Ampel muss das Ruder rumreißen, um Schlimmeres zu verhindern.

Hilfreich wäre eine deutliche Wiederanhebung der Neubauförderung von derzeit einer auf mindestens 5 Milliarden Euro. In Zeiten, da für die Bundeswehr 100 Milliarden Euro und für die Bewältigung der Energiekrise 200 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, sollte die Regierung auch den Mut haben, die angestrebten Ziele im Wohnungsneubau ausreichend mit Fördermitteln zu unterlegen, sonst wird sie an ihrem selbst gewählten Ziel scheitern. Kontraproduktiv ist auch, im neuen Jahr die Vorschriften weiter zu verschärfen, es sollen dann nur noch neue Wohngebäude nach dem KfW-55-Standard genehmigungsfähig sein. Dies treibt die Baukosten (ohne Förderung) weiter in die Höhe und schädigt die Nachfrage. Wichtigste Auftraggeber für die Bauwirtschaft sind nach wie vor die Kommunen, auf die etwa 60 Prozent der öffentliche Baunachfrage entfallen. In der letzten vorliegenden Prognose der drei kommunalen Spitzenverbände ist für das neue Jahr eingeplant, die Ausgaben für Baumaßnahmen nominal nur um 3,5 Prozent zu erhöhen. Bei Baupreissteigerungen, die zwischen 7 und 10 Prozent angesiedelt sein dürften, ist damit ein kräftiger realer Rückgang zu erwarten.

Ähnlich sieht es beim Bund aus. Die eigenen Bauausgaben des Bundes, die größtenteils im Verkehrswegebereich anfallen, sollen 2023 nur wieder das nominale Niveau des Jahres 2022 erreichen. Die Zuschüsse an die Deutsche Bahn AG für Investitionen in die Schienenwege sollen im neuen Jahr sogar um 10 Prozent zurückgehen. Real bedeutet dies kräftige Einschnitte. Wie die angestrebte Verkehrswende vor dem Hintergrund dieser Zahlen eingeleitet werden soll, ist schleierhaft.

Für alle Bereich des Bauens gilt daher: Wenn Bund, Länder und Kommunen ihre politischen Ziele erreichen, vor allem aber den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und weiteren Verfall der Infrastruktur stoppen will, werden erheblich mehr Geld und radikale Strukturreformen gebraucht. Ein weiter so darf es nicht geben!

ABZ-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Leitung (m/w/d) der Abteilung Tiefbau, Pullach im Isartal  ansehen
Aufsichtsperson I zur Ausbildung als Technische/r..., Niedersachsen Mitte  ansehen
Bauleiter (m/w/d) für Landschaftsbau- und..., Essen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Verbände und Experten

Ausblick – Baujahr 2023

Nachdem das Jahr 2021 die Branche mit der Pandemie und Lieferkettenproblemen bereits vor Herausforderungen gestellt hatte, bedeutete der Beginne des Ukraine- Kriegs im Februar 2022 eine Zäsur, die bis heute fortwirkt. Energieknappheit, Preisexplosionen, Klimaschutzvorgeben und ein Rückgang der Nachfrage im Wohnungsbau stellten neue Aufgaben und verunsicherten Unternehmen und Manager.

Der erfolgreiche Verlauf und der bauma 2022 zum Jahresabschluss konnte dagegen den positiven Akzent setzen, auf den viele gehofft hatten und der sich zuvor angedeutet hatte – Baumaschinenhersteller berichteten durch die Bank von übervollen Auftragsbüchern. In den nun folgenden Bauaussichten 2023 spiegelt sich die Ambivalenz der aktuellen Entwicklungen wider: Verbände und Experten sind sich einig, dass die Entwicklung der Bauwirtschaft in diesem Jahr eine Delle verzeichnen wird, Hersteller sehen die Herausforderungen des Marktes und nehmen sie tatkräftig an. Trotz aller Widrigkeiten, zu denen auch der permanente Fachkräftemangel zählt, überwiegt eine positive Grundhaltung und die Gewissheit, dass die Baubranche die vor ihr liegenden Aufgaben als wichtigste Stütze der Wirtschaft schon stemmen wird.

Das Signal, das alle Teilnehmenden der Bauaussichten 2023 in den Markt senden, wird dominiert von Stärke und Kontinuität. Dieser gemeinsame Nenner wirkt wie ein Schulterschluss, der die Branche auszeichnet und der anderen als Vorbild dienen kann.

Alle Bauaussichten 2023

 

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

ABZ-Redaktions-Newsletter

Freitags die aktuellen Baunachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen