Nach Generalsanierung

"Leise Reize" mit Fassadenkeramik erzeugt

Fassaden
Dreidimensionalen Fliesen von Agrob Buchtal erzeugen je nach Lichteinfall und Standpunkt wechselnde Effekte und Reize, die die umgebende Landschaft zu einem "Sinnespark" machen. Foto: Adriano Faragulo

Dielsdorf/Schweiz (ABZ). – Lernen, Wohnen, Arbeiten ist der Dreiklang, der die Stiftung Vivendra beschreibt. Gegründet wurde die Einrichtung 1965 durch eine Elternvereinigung als "Stiftung Schulheim Dielsdorf für cerebral Gelähmte". 1970 erfolgte die Eröffnung des Standorts Dielsdorf mit heilpädagogischer Schule, Internat, Therapien und Erwachsenenheim. 2011 wurde der Namenswechsel in "Stiftung Vivendra" vorgenommen. Davon unberührt blieb die Zielrichtung der Institution, nämlich die Betreuung zerebral ("das Großhirn betreffend") gehandicapter Menschen jeden Alters, vom Kleinkind in der integrativ geführten Kindertagesstätte bis zur Alterswohngruppe. Heute ist die Einrichtung in vier Ortschaften im Zürcher Unterland tätig. Die Fassaden der Keimzelle der Stiftung in Dielsdorf wurden kürzlich umfassend saniert. Das Ergebnis beeindruckt durch langlebige und zukunftsträchtige Lösungen unter Wahrung der architektonischen Wurzeln.

Die vier volumetrisch errichteten Gebäudeteile A bis D wurden in der Übergangsphase von den 1960er zu den 1970er-Jahren errichtet. Sie wiesen typische bauliche Merkmale der damaligen Zeit auf wie bspw. die Betonung der Horizontalen durch markant ausgebildete Fensterbänder oder zurückspringende Sockel sowie der Vertikalen in Form der Treppenhaus-"Scharten" an den Stirnseiten. In den 1980 Jahren erfolgte dann eine erste eher provisorische Fassadensanierung: Als kleiner Beitrag zur Minderung energetischer Defizite wurde eine ca. 5 cm dicke Steinwolldämmung angebracht und mit Faserzement-Platten bekleidet. Rückblickend betrachtet ist diese Lösung sowohl technisch als auch optisch eher als suboptimal einzuordnen. Um den unbefriedigenden Zustand zu ändern, begannen 2013 die Planungen für eine umfassende Fassadensanierung durch das renommierte Büro L3P Architekten (Regensberg bei Zürich) unter Federführung von Mareike Beumer. Dieser Planung folgend, wurden von Herbst 2015 bis Sommer 2016 die Fassaden von drei (zuerst Haus C, dann B, dann A) der insgesamt vier Gebäude von Grund auf generalsaniert. Haus D folgt zu einem späteren, noch zu definierenden Zeitpunkt, da dort vorher noch umfassende Maßnahmen im Innenbereich durchgeführt und weitere Details abgeklärt werden müssen.

Bei dieser Generalsanierung gab es eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Eine Besonderheit war, dass das Mauerwerk – eine Art Stahlskelett mit Ausfachung – statisch nicht tragend genug war. Daher mussten Verankerung bzw. Lastabtrag der neuen Gebäudehülle über die Geschossdecken erfolgen. Diese Aufgabe wurde gelöst mit Hilfe von Konsolen mit verstellbaren Haltewinkeln, um so gleichzeitig abweichende Fassadentiefen zu egalisieren. Diese Konsolen bildeten die Grundlage für eine Fassadenkonstruktion mit energetisch optimaler Dämmung (mit der vorher vorhandene Wärme- bzw. Kältebrücken eliminiert wurden) in Richtung Wand und einem mehrschaligen Aufbau in Richtung Außenseite: Auf einer Holzlattung, die 4 cm Hinterlüftung schafft, wurde das "Knauf Aquapanel Cement Board Outdoor" (Portlandzement und Zuschlagstoffe, beidseitig armiert und kantenverstärkt) verschraubt und darauf Fliesen verklebt.

Die Fliesen stammen von der bekannten Architekturkeramikmarke Agrob Buchtal und wurden speziell für dieses Projekt im Werk Buchtal gefertigt. Architektin Beumer vom Büro L3P hatte diese Materialwahl sogar durch die Besichtigung historischer Fliesenfassaden in Hamburg abgesichert. Von den zahlreichen Vorzügen des vielseitigen Werk- und Baustoffs Keramik waren für sie besonders Nachhaltigkeit, Langlebigkeit, Ästhetik und Farb- bzw. Lichtechtheit relevant. Diese Aspekte kommen in Dielsdorf mehrfach zum Tragen: Das Gebäude-Ensemble ist eingebettet in eine parkähnliche Umgebung, die von Gästen und Bewohnern gerne genutzt wird für entspannende oder anregende Spaziergänge. Diese Pluralität menschlicher Charaktere und die Vielfalt der Stiftung sollte sich auch in der Fassade widerspiegeln. Daher galt es eine Anmutung zu finden, die – dem Handicap der Bewohner entsprechend – leise Reize erzeugt, ohne schrill zu wirken. Dieses Ziel unterstützt die Fassadenkeramik gleich mehrfach durch plastisch-dreidimensionale Formgebung, glänzende Glasur und subtil changierende Farbgebung: Je nach Lichteinfall und Standort vermitteln die Gebäudehüllen beim Schlendern durch den Park wechselnde Effekte, Eindrücke und sanfte Reflexionen.

Die Pluralität wird auch dadurch unterstrichen, dass die beiden Formate 6 x 30 cm und 10 x 30 cm nicht streng regelmäßig, sondern in wechselnden Konstellationen angeordnet sind, so dass eine feine Rhythmik entsteht. Darüber hinaus korrespondieren die zwei Farbtöne der Fassadenkeramik mit der Umgebung und lassen die Gebäudekörper weniger voluminös und eher filigran wirken. Ein elementarer Beitrag dazu ist auch die Quer-Verlegung der Fliesen, die sich um die Außenecken der Gebäude und Balkone schnüren, ohne durch Fremdmaterial wie Metallschienen oder ähnliches unterbrochen zu werden. Möglich gemacht wurde dies durch exakte Gehrungsschnitte, die wie die gesamten Fassaden-Bauleistungen von der Rolf Schlagenhauf AG (Schweiz) ausgeführt wurden. Diese konsequente und homogene Lösung verleiht den Gebäuden eine souveräne monolithische Körperlichkeit und ist darüber hinaus eine Reminiszenz an die architektonischen Wurzeln durch die Betonung der Horizontalen.

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