Neuentwicklung an der FH Münster erforscht
Klimafreundlicher Beton ohne Zement

Darüber hinaus gibt es eine weitere Herausforderung beim Einsatz von Beton als Massenbaustoff: Zement. Dieser wird neben der Gesteinskörnung, Wasser sowie Zusatzmitteln und -stoffen benötigt, um Beton herzustellen. Er verursacht dabei aber 5 bis 8 % der CO2-Emissionen weltweit. Bauingenieurinnen und -ingenieure der FH Münster haben deshalb einen völlig neuen Beton entwickelt, der klimafreundlich und idealerweise CO2-neutral ist – und unter anderem aus den Feinanteilen des Betonrecyclats besteht – damit stellte das Team ein CO2-optimiertes Bindemittel her.
"Das Bindemittel klebt die Gesteinskörner im Beton zusammen. Normalerweise geschieht das mithilfe des Zementleims", erklärt Prof. Dr. Jörg Harnisch von der FH Münster. Zement besteht aus Kalk und Ton. In der Herstellung wird er bei bis zu 1450 °C gebrannt. Dabei stammt ein großer Teil der Energie nach wie vor aus fossilen Energieträgern – und das sorgt für einen erheblichen CO2-Ausstoß. Aber nicht nur hier entsteht Kohlenstoffdioxid. Wird Kalkstein bei 1450 °C gebrannt, wandelt dieser sich unter Abgabe von erheblichen CO2-Mengen zu Brandkalk.
Dieser Vorgang wird "entsäuern" genannt, und der Anteil am Gesamtausstoß von CO2 beträgt rund 60 %. Diese Menge wird also brennstoffunabhängig bei den derzeit eingesetzten Rohstoffen immer erzeugt. "Unser Ansatz ist es daher, Zement zu ersetzen", erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin Pia Gebken. "Wir verwenden Metakaolin, ein thermisch speziell aufbereiteter Ton, und das feine Pulver aus dem Betonrezcylat. Letzteres haben wir vom Betonwerk Rekers bekommen, dessen Betonrecylat aus der Produktion gut mit dem Recyclat von der Baustelle vergleichbar ist. Wir danken an dieser Stelle herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit im Projekt."
Metakaolin verbrauche in der Herstellung zwar immer noch Energie, allerdings deutlich weniger als beim Zement. Zudem "entsäuert" Ton nicht wie Kalkstein, sodass der CO2-Ausstoß von dieser Seite auf ein Minimum gesenkt werden kann, so die Wissenschaftler der FH. Statt Wasser arbeitet das Team mit einer hoch alkalischen Aktivatorlösung – das dickflüssige Natrium-Wasserglas. Drei Jahre lang hat das Team im Zuge dieses Projektes geforscht. Dabei habe sich vor allem das richtige Verhältnis von Metakaolin und Rezyklat als große Herausforderung entpuppt: ein zu hoher Anteil von Rezyklat führt dazu, dass die Fertigkeit nicht besonders hoch ist. Aber auch die Zusammensetzung der Aktivatorlösung spielt eine große Rolle und wurde in ausgiebigen Testreihen beleuchtet. Die Prüfungen an Festmörtel und -beton hat Ingo Fenneker durchgeführt und begleitet: Er führte im Bautechnischen Zentrallabor der Hochschule Belastungstests in dreistelliger Anzahl durch. "Letztendlich ist es uns gelungen, funktionierende Betone zu entwickeln, die unter Baustellenbedingungen hergestellt werden können und eine technisch nutzbare Festigkeit aufweisen – Vorsicht ist aber bei dem Einsatz der alkalischen Lösung angesagt", so Harnisch. Besonders gut funktioniere Beton, der zu 75 % aus Metakaolin und 25 % aus Rezyklat besteht. "Dieser ist mit 30 Newton pro Quadratmillimeter belastbar, was einem normalen Beton im heutigen Hausbau entspricht", sagt Fenneker.
Die Fertigkeit sinke leicht, wenn der Beton zu 50 % aus Metakaolin und zu 50 % aus Rezyklat besteht – sei aber immer noch sehr gut nutzbar – und die Folgen für die Umwelt seien deutlich erkennbar: Normaler Beton erzeugt ein CO2-Äquivalent von mehr als 200 kg pro Kubikmeter. Beton mit viel Metakaolin und weniger Rezyklat reduziere dies um 42 %, Beton mit mehr Rezyklat um 50 %. Noch ein Vorteil liege darin, dass die verbleibende Energie vornehmlich Prozessenergie sei, die in der Zukunft aus regenerativen Quellen stammen könnte – dann wäre der neue Beton klimaneutral.
Fertig ist das Team mit seiner Arbeit aber noch nicht: Im nächsten Schritt will es untersuchen, wie dauerhaft der neue Beton ist – wie gut er also gegen Frost, Temperatur- und Feuchtebeanspruchung besteht. Zudem gelte es, herausfinden, wie lange der Beton den darin verbauten Bewehrungsstahl sicher vor Korrosion schützt.
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