Neues Vergaberecht

"Planungswettbewerbe" bei Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen von Bedeutung

von:

Prof. Rudolf Jochem

VOB
Prof. Rudolf Jochem: "Die Zulassung des Teilnehmers zum Planungswettbewerb kann nicht örtlich begrenzt werden, sondern erstreckt sich stets auf das gesamte Gebiet der europäischen Union." Foto: Privat

Wiesbaden. – Seit dem 18. April gilt in Deutschland das neue nationale Vergaberecht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Unternehmen sind groß. Die ABZ veröffentlicht jetzt den vierten Teil einer 14-tägig erscheinenden siebenteiligen Reihe von Fachartikeln.Der nachfolgende Beitrag ist von Prof. Rudolf Jochem, Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Bau- & Architektenrecht und Steuerrecht, aus Wiesbaden. Der nächste Beitrag erscheint am 3. Juni zum Thema "Spezielle Fragen zur VOB/A (VOB/B)". Mit der Neuordnung des Vergaberechts für EU-weite Verfahren oberhalb eines Auftragswertes von derzeit 209.000 Euro sind die Regelungen in der VOF vollständig in der Vergabeordnung aufgegangen. Die VOF beschäftigte sich in § 20 unter der Überschrift "Wettbewerben" mit Auslobungsverfahren, die dazu dienen, dem Auftraggeber einen Plan oder eine Planung zu verschaffen, deren Auswahl durch ein Preisgericht aufgrund vergleichender Beurteilung mit oder ohne Zuteilung von Preisen erfolgt. Wurden Architekten- oder Ingenieurwettbewerbe ausgelobt, war Kapitel 2 der VOF zusätzlich zu beachten. § 25 VOF befasste sich dabei mit den Vorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen.

Bedeutung gewinnt das Kapitel "Planungswettbewerbe" insbesondere für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen für den Fall, dass der Auftraggeber sich dafür entscheidet, die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen nach Durchführung eines Planungswettbewerbes zu betreiben. Im Vordergrund stehen dabei Aufgabenstellungen des Hochbaus, des Städtebaus und des Brückenbaus sowie der Landschafts- und Freiraumplanung. Dabei geht es um Gestaltungslösungen. National bedeutsame Bauwerke, wie das Bundeskanzleramt, das Reichstagsgebäude oder dergleichen sind herausragende Beispiele. Eine Vielfalt unterschiedlicher Lösungsansätze baulich herausragender Objekte im kommunalen Bereich sind insbesondere über Architektenwettbewerbe zu erhalten. Dieser Wettstreit von Ideen wurde von der Architektenschaft stets gefördert, wobei es vor allem darum geht, dass das grundlegende Wettbewerbsprinzip der Chancengerechtigkeit aller Beteiligten beachtet wird. Es findet bei der Auslobung eines Architektenwettbewerbes seinen wesentlichen Ausdruck darin, dass eine unabhängige Jury zumeist in einem anonymen Verfahren eine Auswahl unter den eingesendeten Arbeiten vornimmt. Dieses Verfahren zu ordnen, war Gegenstand der VOF-Regelung und ist heute im Wesentlichen inhaltsgleich im Rahmen der Neuordnung des Vergaberechts der Vergabeverordnung aufgenommen worden.

Die wesentlichen Grundsätze sind bei EU weiten Vergaben dabei folgende:

  • Die Zulassung des Teilnehmers zum Planungswettbewerb kann nicht örtlich begrenzt werden, sondern erstreckt sich stets auf das gesamte Gebiet der europäischen Union. Zugelassen sind juristische Personen ebenso wie natürliche Personen.
  • Soll die Zahl der Wettbewerbsteilnehmer zahlenmäßig eingeschränkt werden, so ist zweistufig zu verfahren. Der Auftraggeber muss mit der EU weiten Wettbewerbsbekanntmachung eindeutige und nicht diskriminierende Auswahlkriterien festlegen. Er muss danach eine ausreichende Anzahl von Bewerbern auffordern, um den Wettbewerb zu gewährleisten. Wie viele dies sind, entscheidet der Einzelfall. Bei bedeutenden Bauaufgaben wird die Anzahl wesentlich höher ausfallen müssen, als bei kleineren Objekten, die nur regionale Bedeutung gewinnen.
  • Preisrichter müssen alle von den Wettbewerbsteilnehmern unabhängig sein und bei Planungswettbewerben jeder Art mindestens 1/3 die gleichwertige Berufsqualifikation haben, die auch von den Wettbewerbsteilnehmern verlangt wird. Wird ein Architekten- oder Ingenieurwettbewerb ausgelobt, so sind zusätzlich die Bestimmungen der§§ 78–80 VgV zu beachten. Nicht nur 1/3 sondern die Mehrheit der Preisrichter muss in diesem Fall über die gleichwertige Berufsqualifikation verfügen, die von den Wettbewerbsteilnehmern verlangt wird.
  • Das Preisgericht ist vom Auftraggeber und auch von jedem Wettbewerbsteilnehmer unabhängig und trifft seine Entscheidung nur auf der Grundlage der mit dem Wettbewerb öffentlich bekannt gegebenen Kriterien. Wettbewerbsarbeiten sind anonym zur Entscheidung dem Preisgericht vorzulegen. Der Dialog zwischen den Preisrichtern und den Wettbewerbsteilnehmern ist nach Ausgabe der Arbeiten und vor deren Abgabetermin erlaubt und zu dokumentieren. Die Teilnehme an einem eventuellen Dialog steht jedem Teilnehmer offen. Gegenstand des Dialogs ist dabei die Erläuterung und Beantwortung von Fragen zur Wettbewerbsaufgabe. Die Ergebnisse des Dialogs sind offen zu legen und allen Wettbewerbsteilnehmern bekannt zu geben.

Die mit Tarnziffern belegten Arbeiten garantieren deren Anonymität bei der Beurteilung. Damit soll gewährleistet sein, dass die Jury ohne Kenntnis der Verfasser eine entsprechende Beurteilung vornimmt.

Bei der Durchführung von Architektenwettbewerben ist zudem nach § 78 Abs. 2 VgV zu beachten, dass er auf der Grundlage veröffentlichter einheitlicher Richtlinien erfolgt. Von dem zuständigen Bundesministerium war schon stets auch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes eine entsprechende Richtlinie nach Diskussion mit den Architekten und Ingenieuren erlassen worden, die teilweise auch mit leichten Veränderungen in den Bundesländern übernommen worden sind. Derzeit ist die wesentliche Grundlage und einschlägige Richtlinie die Richtlinie für Planungswettbewerbe RPW 2015. Sie regelt den einzelnen Verfahrensgang und beschreibt, die Grundsätze für die Vorbereitung und Durchführung der Wettbewerbe, die unter Beachtung der Grundsätze der § 78 bis § 80 VgV das Verfahren festlegt.

Bei den Planungswettbewerben unterscheidet man zwischen Ideenwettbewerben und Realisierungswettbewerben. Bei Ideenwettbewerben geht es im Ergebnis nur um die Auffindung geeigneter Anregungen und Überlegungen zu einer gestellten Aufgabenstellung. Im Fokus steht nicht eine weitere Bearbeitung der Bauaufgabe oder der Planungsaufgabe. Dies ist bei Realisierungswettbewerben anders. In solchen Fällen geht es ganz wesentlich darum, dass die Wettbewerbsteilnehmer auch eine Chance erhalten, mit ihrer Wettbewerbsarbeit einen Planungsauftrag zu erhalten. § 80 beschreibt dies wie folgt:

"Soweit und sobald das Ergebnis des Planungswettbewerbes realisiert werden soll und beabsichtigt ist, einen oder mehrere der Preisträger mit den zu beschaffenden Planungsleistungen zu beauftragen, hat der öffentliche Auftraggeber in der Aufforderung zur Teilnahme an den Verhandlungen, die zum Nachweis der Eignung erforderlichen Unterlagen für die gem. § 70 Abs. 2 bereits in der Wettbewerbsbekanntmachung genannten Eignungskriterien zu verlangen."

Für die rechtliche Beurteilung im Einzelfall sind die vom Auftraggeber veröffentlichten Wettbewerbsbedigungen maßgebend, die den Anforderungen der einschlägigen Bestimmungen der VgV zu genügen haben. Es überschneiden sich hiermit zwei Rechtskreise. Wird in der Auslobung vom Auftraggeber erklärt, dass er beabsichtigt, den ersten Preisträger oder einen der Preisträger weiter zu beauftragen, so wird damit eine rechtserhebliche Erklärung über die Verpflichtung abgegeben, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber einen Wettbewerbsteilnehmer mit weiteren Leistungen beauftragen will. Daneben stehen die vergaberechtlichen Überlegungen, dass nach den in der Vergabebekanntmachung des Auslobers mitgeteilten Kriterien der Wettbewerbsteilnehmer nur diejenigen am Wettbewerb teilnehmen dürfen, die die veröffentlichten Eignungskriterien auch tatsächlich erfüllen. Im zweistufigen Verfahren kann die Eignungsprüfung anhand der festgelegten und veröffentlichten Kriterien bereits in der ersten Stufe zur Auswahl der zum Planungswettbewerb zugelassenen Teilnehmer durchgeführt werden. Ist dies nicht der Fall, sondern ist jedermann zum Wettbewerb generell zugelassen, so muss diese Prüfung nach Durchführung des Verfahrens nachgeholt werden. Wettbewerbsteilnehmer, die diese grundlegenden Eignungsprüfungen nicht erfüllen, scheiden damit auch nachträglich aus dem Verfahren aus und dies selbst dann, wenn ihnen ein Preis zuerkannt sein sollte.

Nach § 8 Abs. 2 RPW ist in der Richtlinie festgelegt, dass die weitere Beauftragung an einen der Preisträger, in der Regel der Gewinner zu vergeben ist. Wenn diese Richtlinie ohne jegliche Korrektur zugrunde gelegt wird, ist der Auftraggeber verpflichtet, den ersten Preisträger mit der weiteren Beauftragung zu betrauen. Er wird von dieser Verpflichtung nur dann befreit, wenn der Auftragserteilung ein wichtiger Grund entgegensteht, was schwer nachzuweisen sein wird (BGH vom 27.05.2004, Az: III ZR 433/02).

Werden solche Regeln in den Auslobungsbedingungen festgelegt, ist damit die Entscheidungsbefugnis des Auftraggebers sehr stark eingeschränkt, da er praktisch verpflichtet ist, die Preisgerichtsentscheidung des Preisgerichts auch umzusetzen und den 1. Preisträger zu beauftragen. Er legt damit die Entscheidung sehr weitgehend in die Hand des Preisgerichts auf die er keinen wesentlichen Einfluss hat, da das Preisgericht ein unabhängiges Gremium ist. Wenn in den Auslobungsbedingungen hingegen geregelt ist, dass der Auslober bzw. Auftraggeber beabsichtigt, einem der Preisträger einen Auftrag zu erteilen und zwar ohne den Zusatz "in der Regel dem ersten Preisträger" so besteht die Möglichkeit des Auftraggebers wenigstens unter den Preisträgern einen ausfindig zu machen, mit dem er die Bauaufgabe auch durchführen wird. Dies eröffnet ihm einen gewissen Spielraum. Dies geschieht sodann im Verhandlungsverfahren. Der Auslober und Auftraggeber ist bei der Durchführung von Planungswettbewerben deshalb sehr gut beraten, wenn er sich sehr sorgfältig auch mit den Wettbewerbsbedingungen aus-einandersetzt, nach denen er seine Auftragsentscheidung ausrichten will.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB, Wiesbaden

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