Nevaris-Geschäftsführer Wolfgang Götz

"Die Digitalisierung am Bau hat sich stark beschleunigt"

NEVARIS Bausoftware Bau digital
Wolfgang Götz: "Die Etablierung des digitalen Planens und Bauens mit BIM in Deutschland wird nicht ohne einen Kulturwandel vonstatten gehen." Foto: Nevaris

Die Digitalisierung des Baugewerbes hat im vergangenen Jahr deutlich an Fahrt aufgenommen. Auch auf der Bau nehmen die Themen Software und IT einen immer größeren Raum ein. Mittendrin der Software-Hersteller Nevaris aus der Nemetschek Gruppe. Über die Entwicklung digitaler Planungs- und Bauprozesse in Deutschland und mit welchen Lösungen das Unternehmen in München aufwartet, darüber sprach ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann in Karlsruhe mit Geschäftsführer Wolfgang Götz.ABZ: Herr Götz, das heutige Unternehmen Nevaris ist vor mehr als einem Jahr durch den Zusammenschluss von Nemetschek Bausoftware und Auer entstanden. Welche Vorteile konnten Sie bislang aus dieser Kräftebündelung ziehen?Götz: Wir haben hier aus zwei Unternehmen eine virtuelle neue Unternehmung geschmiedet. Das ist ein sehr weitreichender Prozess gewesen, mit dem wir nun größtenteils durch sind. Dabei haben wir aus drei Entwicklungen eine gemacht – zuletzt mit der Integration von hartmann technologies. Damit können wir ein Produkt wie Nevaris, welches die Bestandteile BIM, die Bautechnik Build und Finance mit seinen kaufmännischen Applikationen beinhaltet, zu einem Veröffentlichungsdatum mit einer Qualitätskontrolle auf den Markt bringen. In diesem Zusammenhang haben wir auch ein übergeordnetes Produktmanagement installiert, das Marketing gebündelt sowie alle anschließenden Prozesse standortübergreifend aufgebaut. Ein spannender Prozess, der viele Herausforderungen mit sich bringt, der jedoch auch viele wertvolle Synergien schafft.ABZ: Mit vereinten Kräften treten Sie nun auch auf der Bau mit einem eigenen Stand auf. Was bringen Sie den Besuchern in München mit?Götz: Wir werden auf der Bau zum ersten Mal auf einer Messe den kleinen Bruder unserer kaufmännischen Lösung, Nevaris Finance, zeigen. Damit sind wir bisher vor allem bei größeren Mittelständlern sehr erfolgreich gewesen. Mit Nevaris Finance KMU sprechen wir nun auch gezielt kleinere Unternehmen an. Darüber hinaus werden wir auch erstmals unsere mobilen Anwendungen für die Baustelle 4.0 präsentieren. Hier haben wir mittlerweile ein ganzes Bündel von Apps und Browseranwendungen, beginnend bei einer mobilen Planverwaltung über eine mobile Stundenerfassung bis hin zu einem mobilen Störungsmanagement. Darüber hinaus bringen wir unser gesamtes bereits etabliertes Portfolio mit nach München. Auch hier gibt es eine Menge an Weiterentwicklungen, über die wir unsere Besucher auf der Messe informieren werden.ABZ: Das Thema IT nimmt auf der Bau mittlerweile enorm viel Raum ein. Wie wichtig ist die Messe heute für ihre Branche?Götz: Es gibt mittlerweile nur noch wenige Messen, die für uns interessant sind. Wir verfügen heute über zahlreiche Mittel und Wege, unsere Kunden sehr gezielt und zielführend anzusprechen. Nichtsdestotrotz ist eine Messe immer eine schöne Gelegenheit, mit der Bau-Familie zusammen zu kommen und sich auszutauschen. Die Bau ist dabei die einzige Messe, die wir für unsere Zwecke nach wie vor als wichtig erachten und auf der wir jedes Mal sehr gute Erfahrungen machen. Das liegt zum Einen daran, dass das Thema IT dort sehr umfassend behandelt wird; zum Anderen aber auch daran, dass sie als eine von wenigen Messen noch einen überregionalen Charakter hat.

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Auf der Bau in München ist Nevaris mit einem eigenen Messestand vertreten. Grafik: Nevaris

ABZ: Sie haben auf der letzten Bau erstmals auf einer Messe die mittlerweile in das Nevaris-Produktprogramm integrierte BIM-Lösung iceBIM präsentiert. Was kann das Produkt und wie ist es bei den Kunden angekommen?Götz: iceBIM richtet sich sowohl an Planer wie Ausführende im Bauprozess. Das Programm funktioniert unabhängig davon, ob es im Sinne eines umfassenden BIM-Prozesses zur Koordinierung verschiedener Akteure verwendet wird oder im kleineren Maßstab zur internen Projektbearbeitung. Beide Einsatzszenarien sind möglich. Ausgangspunkt für diese Lösung war eine grafische Mengenermittlung, also eher die bauausführende Seite. Wir haben aber zunehmend gemerkt, dass das Programm auch den Einsatz in der Planung zulässt. Entsprechend haben wir die Lösung stetig weiterentwickelt – auch im Zusammenhang mit der Kollaborationsplattform bim+ unserer Schwesterunternehmung Allplan, für die iceBIM nun anschlussfähig ist. Auf bim+ lassen sich bequem Daten aller Projektbeteiligten austauschen.ABZ: Arbeiten Sie dabei mit offenen Standards?Götz: Wir verfolgen im Grunde zwei Strategien. Einerseits haben wir eine native Anbindung für die Modellierungstools unserer Konzernprodukte geschaffen. Andererseits machen wir für Drittprodukte einen Import von IFC. Das Thema open BIM spielt für uns schon eine große Rolle, da wir schlichtweg nicht ausschließen können und wollen, dass unsere Anwender auch Daten aus Drittprodukten bekommen.ABZ: Die Digitalisierung – auch am Bau – ist kein ganz neues Thema. Dennoch entsteht der Eindruck, dass Themen wie BIM, vernetzte Baustelle, Industrie 4.0 etc. 2016 geradezu explodiert sind. Wie haben Sie aus Sicht ihres IT-Unternehmens das vergangene Jahr erlebt?Götz: Die Digitalisierung ist tatsächlich in jedermanns Munde. Ebenso Buzzwords wie BIM, Baustelle 4.0, Nachhaltigkeit oder Big Data. Insgesamt ergibt sich daraus ein enormes Themenspektrum, mit dem sich auch unsere Kunden immer intensiver beschäftigen. Dass es sich dabei nicht um kurzlebige Modetrends handelt, merken wir u. a. an dem großen und anhaltenden Interesse der Branchenvertreter, welches sich u. a. an den nach wie vor sehr gut besuchten Fachveranstaltungen wie zuletzt der BIM World in München ablesen lässt. Interessant ist dabei auch, dass das Know-how der Teilnehmer z. T. noch recht gering ist. Alle beschäftigen sich zwar mit der Digitalisierung, viele jedoch nicht in der Tiefe, und die wenigsten haben bezüglich der Einführung neuer digitaler Tools bereits eine Entscheidung getroffen. In der aktuellen Roland-Berger-Studie zur Digitalisierung am Bau gaben 93 % der Befragten an, dass sie glauben, die Digitalisierung werde ihre Geschäftsprozesse in der Zukunft maßgeblich verändern. Die meisten sehen in diesen Veränderungen einen Trend zum Positiven, jedoch haben nur 6 % der Studienteilnehmer auch bereits etwas in dieser Richtung unternommen. So stellt sich das letztlich auch für uns dar. Wir sind täglich mit diesen Themen unterwegs, sind im engen Austausch mit den Marktteilnehmern, merken aber auch, dass viele Unternehmen noch ganz am Anfang der Entwicklung stehen. Wir als Softwareanbieter nehmen sehr stark wahr, dass unsere Kunden erwarten, dass wir sämtliche Themen der Digitalisierung beherrschen und entsprechende Lösungen anbieten können. Selbst wenn die Unternehmen diese noch nicht sofort einführen wollen. Daher haben wir unser Produktportfolio frühzeitig ausgeweitet und ergänzen dieses fortlaufend. Die Tatsache, für alle potenziellen Entwicklungen in der Zukunft gerüstet zu sein, dient uns mehr und mehr als Eintrittskarte in den Unternehmen.ABZ: Gibt es denn noch viele Skeptiker in der Branche?Götz: Sinn und Potenzial der Digitalisierung am Bau – insbesondere, was das Thema BIM betrifft – sind mittlerweile erkannt worden. Dabei gibt es jedoch schon auch Unterschiede zwischen den einzelnen Beschäftigungsfeldern. Ein Projektentwickler bspw., der einen Großteil der Wertschöpfungskette abdeckt und damit einen sehr nahe liegenden Nutzen aus der Digitalisierung ziehen kann, hat natürlich ein wesentlich größeres Interesse daran. Ein kommunales Tiefbauunternehmen etwa, welches vornehmlich auf Ausschreibungen kleinerer Straßenbauprojekte reagiert, tut sich hier viel schwerer. Nichtsdestotrotz gibt es kaum jemanden in der Branche, der sich nicht mit dem Thema beschäftigt – wenn auch noch nicht aktiv.ABZ: Laufen uns unsere europäischen Nachbarn in puncto BIM den Rang ab?Götz: Dass einzelne Länder in Europa mit dem Thema BIM bereits viel weiter sind, hängt natürlich auch damit zusammen, wie dort die Arbeitsteilung bei der Umsetzung von Bauprojekten geregelt ist. Wenn Planung und Ausführung näher beieinander liegen bzw. es wie bspw. im United Kingdom Funktionen gibt, die eine Brücke zwischen diesen Bereichen schlagen, ist es natürlich leichter, derartiges zu implementieren. In Deutschland sind wir heute etwa auf dem Stand, an dem Großbritannien 2010 war.

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Mit der Kollaborationsplattform bim+ lassen sich bequem die Daten aller Projektbeteiligten austauschen. Abb.: Nevaris

ABZ: Mit ihrem Softwareangebot richten sich die meisten Hersteller vor allem an Planer und Architekten. Werden die Bauausführung und ggf. auch die Baulogistik aktuell vernachlässigt?Götz: Hier steht die Frage im Raum, wie groß tatsächlich Big BIM ist, also was man alles unter diesem Begriff fasst. Wenn es um die sogenannte Collaboration, also die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den am Bau Beteiligten im BIM-Prozess geht, dann sind damit in erster Linie die Planer und Architekten gemeint. Die Synergien, die sich aus dem modellbasierten Planungsprozess ergeben, stehen bei BIM klar im Vordergrund. Wir als Nevaris decken mit unserem Produktangebot sowohl die Planung als auch die Bauausführung ab. Auch aus der Perspektive der Nemetschek-Gruppe mit unseren verschiedenen Schwester-Unternehmungen betrachtet, sehen wir natürlich schon, dass wir auf Seite der Planung offenere Türen vorfinden. Inwieweit hier auch die Bauausführung ins Spiel kommt, ist sehr stark davon abhängig, wie weit die Wertschöpfungskette für den jeweiligen BIM-Anwender reicht. Einem Generalunternehmer, der von der Planung bis zum fertigen Objekt alles in der Hand hat, fällt die Vorstellung, alle Prozesse rund um den Bau entsprechend zu koordinieren, viel leichter als einem kleineren Bauunternehmen, das über eine klassische Ausschreibung zu einem Projekt stößt und plötzlich mit einem Modell konfrontiert wird. Auf der anderen Seite gibt es durchaus auch Bauunternehmen, die BIM unabhängig von den anderen Projektpartnern für ihre interne Projektbearbeitung nutzen und daraus Vorteile ziehen. Hier sind wir dann aber eher im Bereich des sogenannten Little BIM, wo grafische Mengenermittlung und Kostenermittlung im Fokus stehen.ABZ: Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um die aktuell bestehenden Hemmschwellen in Bezug auf diese Entwicklung abzubauen? (Forderungen an Politik? Aufklärungsarbeit?)Götz: Das große Potenzial des gemeinsamen Planens, Bauens und Betreibens, durchgängig an einem Modell, kommt erst dann zum Tragen, wenn die unternehmerischen Schranken zwischen diesen drei Phasen nach oben gehen. Hierfür ist noch ein gewisser Erkenntnisprozess erforderlich, der sicherlich nicht ohne einen Kulturwandel von statten gehen wird.ABZ: Wie lange wird es aus ihrer Sicht dauern, bis das digitale Planen und Bauen in der Praxis angekommen ist?Götz: Ich glaube, dass sich die Entwicklung stark beschleunigt. Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, sie geht langsamer vorwärts als gewünscht. Mittlerweile hat sie jedoch sehr an Fahrt aufgenommen. Allein die Tatsache, dass sich der Markt aktuell intensiv mit dem Thema beschäftigt oder auch, dass die Unternehmen wirtschaftlich im Moment sehr gut dastehen, beschleunigt den Prozess maßgeblich. Hinzu kommt, dass der Druck derer, die den jeweiligen Bau verantworten, dazu führen wird, dass diese Dinge letztlich erzwungen werden. Wir können es uns als Bundesrepublik Deutschland nicht leisten, weitere Großprojekte in den Sand zu setzen.

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