Optisch-chemische Sensorik

Forschende wollen Betondiagnostik verbessern

Graz/Österreich (ABZ). – Unter wissenschaftlicher Leitung der TU Graz arbeitet ein österreichisches Konsortium an neuen Untersuchungsmethoden zur schnellen und präzisen Bestandsaufnahme bei Betonbauten. Bröckelnde Tunnelwände, Risse in Betonfassaden oder poröse Brückenpfeiler: Schäden an Betonbauwerken, hervorgerufen durch diverse Umwelteinflüsse, verursachen laut Statistiken der National Association of Corrosion Engineers (NACE) weltweit jedes Jahr Kosten von mehreren Milliarden Euro. Gemeinsam mit der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) wollen Forschende der TU Graz zur Lösung dieses globalen und volkswirtschaftlichen Problems beitragen.

Im Projekt LumAConM (High-resolution Luminescent Analyses of Construction Materials) arbeitet das Konsortium an einem neuartigen, einfachen und kostengünstigen Verfahren, das erstmals eine detaillierte Zustandserhebung von Betonbauten vor Ort am Bauwerk sowie Labormessungen in sehr hoher Präzision ermöglicht. Damit könnten die Lebensdauer und etwaige Problemstellen sehr viel schneller und präziser bewertet werden als mit derzeit verfügbaren Analysemethode, so die Forschenden. Sie erhoffen sich durch das neue Verfahren außerdem, den Verlauf wesentlicher Korrosionsprozesse besser zu verstehen. "Dieses Wissen ermöglicht zielgerichtete und kostengünstige Sanierungen und ist wesentlich für die Entwicklung neuer, nachhaltiger und dauerhafter Materialien", erklärt Florian Mittermayr, Forscher am Institut für Materialprüfung für Baustofftechnologie der TU Graz.

Optisch-chemische Sensorik ist die Grundlage für das neue Verfahren. Diese hochentwickelte, optische Messanalytik wurde bislang vor allem in der Biotechnologie und Medizintechnik eingesetzt. "Wir wollen das Werkzeug nun auch in der Zustandserhebung von Betoninfrastruktur anwenden und damit eine völlig neue Generation von Sensoren für die Baubranche entwickeln", so Bernhard Müller, Chemiker am Institut für Analytische Chemie und Lebensmittelchemie. Beispielhaft dafür steht ein an der TU Graz umgesetztes bildgebendes Messsystem zur quantitativen Bestimmung des pH-Wertes in zementbasierenden Materialien – ein Parameter, der meist direkt mit Korrosionsschäden korreliert.

Das Messsystem besteht aus einer Kunststofffolie mit einer quellbaren (also wasseraufnehmenden) Polymerschicht, in der ein Indikatorfarbstoff und ein Referenzfarbstoff enthalten sind. Die Größe der Sensorfolie kann dabei an die Größe des zu untersuchenden Probekörpers angepasst werden. Die nasse Folie wird auf den Probekörper aufgebracht und die pH-Verteilungsbilder dann mithilfe einer Spezialkamera generiert. Diese Technik konnte Unregelmäßigkeiten im pH-Wert in verschiedenen Baustoffen bereits sehr genau erfassen und Korrosionsschäden sehr detailliert charakterisieren.

Im LumAConM-Projekt soll das Messsystem nun bis Ende des Jahres 2022 weiterentwickelt werden. Dies soll in einer vielseitig einsetzbaren Messtechnologie münden.

Zum einen wollen die Forschenden das Messsystem auf weitere Parameter wie zum Beispiel Chlorid erweitern. Das würde erstmals ermöglichen, die Chlorid-Konzentration und den pH-Wert direkt vor Ort an Betonbauwerken kombiniert zu bestimmen. Chlorid-Angriffe werden beispielsweise durch Streusalze im Winter verursacht. Sie sind eine erhebliche Korrosionsgefahr für Betonbauwerke, insbesondere für Brücken, und sie zählen zu den weltweit häufigsten Korrosionsursachen.

Zum anderen soll das für die Folien entwickelte Sensormaterial auch auf andere Sensorformate übertragen werden: Bei unebenen Betonoberflächen, für die sich die Folien nicht eignen, möchte das Team Sensorpartikel einsetzen, die aufgesprüht werden können. Dadurch soll die Imaging-Technik auch für die gängige Praxis des Aufstemmens vor Ort verfügbar sein. Derzeit ist es aufwendig, den Zustand zu erheben: Es wird ein Bohrkern entnommen und das Chlorid durch Chlorid-Titration bestimmt. Außerdem planen die Forschenden, basierend auf optischen Fasern miniaturisierte Sonden herzustellen. Das würde nicht nur Messungen an der Betonoberfläche ermöglichen, sondern es erlauben, durch Bohrlöcher Tiefenprofile zu erstellen. "Das Verfahren kann mittel- bis langfristig andere, teurere und aufwendigere Untersuchungsmethoden zu großen Teilen ersetzen und das Qualitätsmanagement im Betonbau entscheidend erleichtern", meint Cyrill Grengg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Graz.

Das von der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) eingereichte Branchenprojekt LumAConM wird im Rahmen des Programms Collective Research der Österreichischen Forschungsgesellschaft FFG gefördert. Die Projektergebnisse stehen im Sinne der Förderschiene der gesamten österreichischen Bau- und Betonbranche zur Verfügung. LumAConM ist an der TU Graz in den Fields of Expertise "Advanced Materials Science" und "Sustainable Systems" verankert, zwei von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten der Universität. Kooperationspartner bei dem Projekt sind:

  • TU Graz: Institut für Analytische Chemie und Lebensmittelchemie (ACFC), Institut für Angewandte Geowissenschaften (IAG), Institut für Materialprüfung für Baustofftechnologie mit angeschlossener TVFA für Festigkeits- und Materialprüfung (IMBT-TVFA);
  • Österreichische Bautechnik Vereinigung (ÖBV);
  • ÖBB Infrastruktur AG;
  • ASFiNAG Bau Management GmbH;
  • Linz Service GmbH;
  • Wiener Linien GmbH;
  • Holding Graz AG;
  • Energie Steiermark AG;
  • Verband Österreichischer Beton und Fertigteilwerke (VÖB);
  • Güterverband Transportbeton;
  • PyroScience AT GmbH;
  • Materialprüfanstalt Hartl GmbH;
  • Nievelt Labor GmbH;
  • Bautechnische Versuchsanstalt HTL Rankweil;
  • Palfinger Structural Inspection GmbH;
  • Vermessung ADP Rinner.

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