Prozessoptimierung im Straßen- und Tiefbau

Modelle mit Augenmaß einsetzen

Bau digital
Frank Kocher ist Gründer und Inhaber des auf Bausoftware spezialisierten Unternehmens isl-kocher aus Siegen. Foto: isl-kocher

Siegen (ABZ). – Das Ziel der Anwendung von Building Information Modeling (BIM) ist es, Prozesse bei der Abwicklung von Baustellen zu optimieren. Bei einigen Anwendungsfällen sind Modelle jedoch eher hinderlich. Darauf weist Frank Kocher hin, Gründer und Inhaber des auf Bausoftware spezialisierten Unternehmens isl-kocher aus Siegen Das gelte vor allem dann, wenn sehr große Datenmengen bewältigt werden müssten oder sich Anwender überfordert fühlen würden. "Ich bin der Meinung, dass die Nutzung von Modellen grundsätzlich förderlich ist bei dem Streben nach sicheren und schnellen Prozessen", so Kocher. "Aber eben nur grundsätzlich."

Beispiel dafür sei ein Bauprojekt der Deutschen Bahn, in das sein Softwarehaus involviert war. "Bei diesem gab es – sehr früh und damit auch fortschrittlich – ausschließlich ein 3D-Modell. Bei der Ausführung hatten die Poliere auf der Baustelle keine klassischen Pläne mit Bemaßung mehr, sondern mussten sich mit einem komplexen 3D-Viewer abmühen, um dort die notwendigen Maße abzugreifen." Damit sei vorprogrammiert, dass Ausführende auf der Baustelle frustriert würden."Eine solche Arbeitsweise kann nur dazu beitragen, die Akzeptanz von BIM zu torpedieren", meint Kocher. Aus seiner Sicht sei es in dem beschriebenen Fall viel sinnvoller, die tatsächlich notwendigen Daten digital in einer Form zu präsentieren, die den klassischen – und damit bekannten – Papierplänen entspreche.

Es könne der Sache durchaus dienlich sein, wenn in Teilprozessen bei der Bauausführung die Modelle "abgespeckt" würden. Damit würden Datenmengen in Grenzen gehalten. Zudem sei es möglich, Anwendern auf der Baustelle Pläne zu liefern, damit sie in einer gewohnten 2D-Umgebung arbeiten könnten.

"Bei einem derzeit in Ausführung befindlichen Infrastrukturprojekt eines unserer Kunden besteht das 3D-Modell aus mehreren zehntausend Bauteilen", so Kocher weiter. Derart riesigen Datenmengen köntnen jedoch von keinem handelsüblichen Controller am Vermessungsgerät bewältigt werden. "Solche mobilen Geräte sind nun mal keine CAD-Workstations." Zudem sei es für die Vermessung direkt vor Ort nicht wichtig, zum Beispiel alle Schichten unter der sichtbaren Oberfläche als 3D-Modell jederzeit im Zugriff zu haben.

"Aus den oben genannten Gründen ist es nicht nur zulässig, sondern auch überaus sinnvoll, umfassende 3D-Modelle von Bauvorhaben temporär für notwendige Prozess-Schritte auf einfachere Geometrien in 2D mit Höhenangaben zurückzuführen." Bei intelligenter Verknüpfung der verschiedenen Sichten auf das Modell entstünden keine Nachteile. Denn ein 3D-Modell könne auch über die Verschiebung von Eckpunkten in der 2D-Grafik verändert werden. Allerdings sei zu beachten, dass die vereinfacht präsentierten Geometrien eine Verbindung zum Modell haben und dieses verändern beziehungsweise ergänzen – je nach Bedarf des Anwenders.

Gut für die soeben beschriebene Nachführung und Ergänzung von Modellen geeignet ist die Cloud-Technologie. Frank Kocher hat sich aus diesem Grund für eine Kooperation mit dem Unternehmen vh software tools aus Oldenburg entschieden. Denn mit dem von der Firma angebotenen cloudbasierten Software-Produkt arbeiten Poliere auf der Baustelle mit vertrauten Geräten wie Smartphone oder Tablet und führen so in Kombination mit ihren Vermessungsgeräten die notwendigen Arbeiten auf Grundlage einer 2D-Grafik mit Höheninformation aus. Durch die Cloud-Technologie sowie die stete Internetkonnektivität sind die Daten auf der Baustelle und im Büro jederzeit synchron. Gemessene Punkte, Flächen oder linienförmige Objekte – optional verknüpft mit Fotos – kommen in Echtzeit beim Bauleiter beziehungsweise Abrechner im Büro an. Der lästige und fehleranfällige Datenaustausch per USB-Stick oder E-Mail entfällt. Einziger Nachteil bei dieser Arbeitsweise ist, dass auf der Baustelle eine mobile Internetverbindung zwingend benötigt wird.

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Ausschnitt eines 3D-Abrechnungsmodells einer Erschließungsmaßnahme. Abb.: isl-kocher

Sicherheitsbedenken gegen das Arbeiten mit der Cloud sind aus Sicht von Frank Kocher nicht angebracht. Denn jedes Bauunternehmen bekommt eine eigene Domain beziehungsweise Internetadresse für die Daten. Der Name dieser Domain ist nur der Firma bekannt. Darüber hinaus werden alle Daten verschlüsselt übertragen und abgerufen. Der Zugriff auf die Daten erfolgt über Benutzer, Kennwort und zusätzlich eine Identifikation, die nur dem Unternehmen bekannt sind. Zusätzlich sollte bedacht werden, dass die in der Cloud stehenden Daten alleinstehend nicht wirklich wertvoll sind. Denn erst im Kontext mit dem Modell im Büro kann man weitergehende Schlüsse ableiten.

Die Arbeitsabläufe zwischen Baustelle und Büro können in ausführenden Bauunternehmen durch die neue Vorgehensweise eine neue Dynamik entwickeln. Insbesondere durch die mit dem Modell verknüpften Fotos, die in Echtzeit von der Baustelle zum Büro gesendet werden, werden Entscheidungen viel schneller getroffen. Die Bauleiter im Büro sehen auf ihren Computern anhand von Fotos, wie sich die Situation vor Ort darstellt und können einzelne Arbeitsbereiche genau lokalisieren. Vom Schreibtisch aus können sie Entscheidungen treffen, wie etwa Material bestellen oder einen Anruf bei einem Versorgungsunternehmen als Leitungseigentümer tätigen.

Die Dokumentation der tagesaktuell fertig gestellten Leistungen auf der Baustelle ist ein weiterer Pluspunkt einer Cloud-Anbindung. Voraussetzung dafür ist allerdings ein im Büro vorhandenes modellbasiertes System, welches den Baufortschritt an Modellen dynamisch darstellen kann. Hierbei bedeutet dynamisch, dass 3D-Körper nicht nur vollständig, sondern zudem mit Zeitbezug auch teilweise dargestellt werden.

Frank Kocher ist positiv gestimmt, dass sich BIM und Cloud im Bauwesen durchsetzen werden: "Die Akzeptanz bei den Entscheidern und den Mitarbeitern für neue Techniken steigt, wenn ihre Bedenken tatsächlich berücksichtigt werden. Und – eine schnelle Umsetzung der Digitalisierung können wir nur erreichen, wenn wir die Möglichkeiten optimal und intelligent verknüpfen. Missionarisch grundsätzlich alles in die Cloud zu legen beziehungsweise immer und überall voll in 3D arbeiten zu wollen, erscheint mir derzeit kontraproduktiv."

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