Baurecht

Abschlagszahlung auf 90 Prozent gekürzt zu 100 Prozent der nachgewiesenen Leistung?

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht`s: Vertragsgemäße Bauleistungen müssen bezahlt werden. Dieser Grundsatz dürfte kaufmännisch wie juristisch unumstritten sein. Das allgemeine Werkvertragsrecht sieht für die Übergabe des erfolgreichen Werkes und die Bezahlung des Werklohns den Grundsatz des juristisch sogenannten "punktuellen Leistungsaustauschs" vor. Das bedeutet, dass (nach diesem Prinzip der gesamte) Werklohn erst mit der Abnahme fällig wird, da auch dann erst das Werk übergeben werde.

Bis zur Abnahme ganz am Ende vergehen im Architektenvertrag/Ingenieurvertrag und im Bauvertrag mithin Jahre, weswegen das Bedürfnis für einen früheren Zahlungsfluss besteht, denn der Unternehmer finanziert erheblich vor (wirtschaftliche Vorleistung). Dafür sieht das Gesetz in § 632a BGB zum allgemeinen Werkvertragsrecht vor, dass Abschlagszahlungen "in Höhe des Wertes" der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen zu zahlen sind. Selbst für gekauftes Baumetrial, das noch nicht eingebaut wurde, sieht § 632a Abs. 1 Satz 6 BGB ebenfalls den Anspruch auf Abschlagszahlung vor, wenn hierfür eine Sicherheit geleistet wird oder dem Besteller das Eigentum hieran übertragen wird.

Auch die VOB/B, die zwar kein Gesetz ist, aber häufig als standardisierte Allgemeine Geschäftsbedingung (ABG) vereinbart wird, sieht in § 16 Abschlagszahlungen vor.

Weder im Gesetz zum allgemeinen Werkvertragsrecht (§§ 631-650 BGB) noch zum Bauvertragsrecht (§§ 650a – 650h), noch in der VOB/B steht beziffert etwas von 90 Prozent oder 100 Prozent. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 25.11.2014 zum Aktenzeichen 21 U 172/12 muss man den Text des Gesetzes in § 632a BGB daher so verstehen, dass sie eine abschlagsweise Vergütung für 100 Prozent des Wertzuwachses vorsieht. Dem entgegen sehen manche Vertragsklauseln oder Vertragsbedingungen von Auftraggebern vor, dass nur 90 Prozent der bisher vertragsgemäß erbrachten Leistungen abschlagsweise vergütet werden sollen. Für den Spezialfall eines sogenannten Verbraucherbauvertrages (§ 650i bis 650n BGB) worunter nicht alle Bauverträge mit Verbrauchern fallen, sondern nur diejenigen, in denen ein (einzelner beziehungsweise einziger) Unternehmer zum Bau eines gesamten neuen Gebäudes oder erheblichen Umbaumaßnahmen von einem Verbraucher beauftragt wird, sieht das Gesetz indes in § 650m die Zahl "90 Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung" vor. Ziel dieser Regelung ist es aber nicht, den Wertzuwachs im laufenden Gebäudeherstellungsprozess geringzuschätzen beziehungsweise "nicht wertzuschätzen", sondern den Generalunternehmer, Bauträger oder das Fertighausunternehmen zur endgültigen Fertigstellung anzutreiben und dann die Schlussrechnung zu stellen. Bereits der Wortlaut dieser Spezialvorschrift knüpft daher an 90 Prozent der Gesamtvergütung an und nicht etwa an 90 Prozent des jeweils erreichten Wertzuwachses.

Folgen für die Praxis

Im Ergebnis bleibt es dabei bei den meisten Bauverträgen und Architektenverträgen/Ingenieurverträgen, dass "der Wertzuwachs" also 100 Prozent des Wertzuwachses abschlagsweise in Rechnung gestellt werden kann. Das OLG Düsseldorf meint daher, dass eine Einschränkung auf einen niedrigeren Prozentsatz in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sein kann. Hierbei kommt es darauf an, wer die allgemeine Geschäftsbedingung gestellt hat. Denn auf die Unwirksamkeit kann sich nur der andere Vertragspartner berufen. Die Unwirksamkeit meiner eigenen AGB kann der Unternehmer nicht geltend machen.

Durch solche Klauseln wird übrigens die VOB/B nicht mehr "als Ganzes vereinbart" und sie verliert ihre Privilegierung im Rahmen der AGB-Kontrolle.

Möglicherweise könnte eine Reduzierung auf nur 95 Prozent des Wertzuwachses auch in AGB wirksam sein, wenn dies in etwa eine Art "Sicherheitseinbehalt" sein soll. Dann dürfen dem Auftragnehmer aber keine zusätzlichen Sicherheiten abgefordert werden, weil sonst eine Übersicherung entstehen könnte, die ebenfalls nicht verlangt werden kann.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden.

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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