Rechteck

Alles neu bei Mängelrechten im Bauträgervertrag?

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht's: Ein Bauträger, der eine Wohnungseigentumsanlage errichtet und die herzustellenden Wohnungen an einzelne Erwerber verkauft, sieht sich in der Gewährleistungsfrist (fünf Jahre ab Abnahme nach Werkvertragsrecht) meist Mängelrechten ausgesetzt, die die Erwerber auf Basis ihres einzeln abgeschlossenen Vertrages geltend machen.

Die Rechtsprechung hat schnell erkannt, dass es kein Zustand sein kann, dass wegen der Mehrzahl an individuellen vertraglichen Mängelrechten betreffend ein und dem selben Baufehler im gemeinschaftlichen Eigentum des Hauses (zum Beispiel an der Dachhaut) die Erwerber unterschiedliche Mängelrechte geltend machen (zum Beispiel der Erwerber der Erdgeschosswohnung die Minderung und der Erwerber der Dachgeschosswohnung die Nacherfüllung).

Denn dann wäre der Bauträger über Gebühr in Anspruch genommen. Der Bundesgerichtshof hatte daher bereits im Jahre 2007 (Urteil vom 12.04.2007; Aktenzeichen VII ZR 236/05) entschieden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss die Durchsetzung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums an sich ziehen kann und dann in alleiniger Zuständigkeit im Gerichtsverfahren als gesetzlicher Prozessstandschafter auftritt.

Zeitlich nach dem Urteil am 01.07.2007 trat die damalige WEG-Novelle in Kraft, die im § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. regelte, dass die Gemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer ausübt und ebenso sonstige Rechte der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Dies führte dazu, dass einzelne Erwerber bis zu einem "Vergemeinschaftungsbeschluss", dem sogenannten An-Sich-Ziehen der individuellen vertraglichen Erwerberrechte, zumindest allein Fristen zur Nacherfüllung setzen konnten oder die Selbstvornahme einklagen konnten. Die Ausübungsbefugnis solcher Rechte war daher keine sogenannten "geborene Ausübungsbefugnis" der Gemeinschaft, die per sei bei der Gemeinschaft lag, sondern eine "gekorene Ausübungsbefugnis", die bis zur Beschlussfassung als "auserkorendes Ereignis" bei den einzelnen Erwerbern lag. Zum 01.12.2020 wurde diese gesetzliche Regelung nun gestrichen und stattdessen § 9a Abs. 2 WEG n.F. eingeführt. Diese Regelung lautet:

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern.

Folgen für die Praxis: Es stellt sich daher nun die Frage, ob einzelne Erwerber noch wirksam Fristen zur Mängelbeseitigung setzen können, um so nach deren fruchtlosen Ablauf zum Beispiel vom eigenen Vertrag zurücktreten zu können.

Der Referentenentwurf vom 14.01.2020 führt hierzu auf Seite 47 auf:

Der geltende § 10 Absatz 6 Satz 3 unterscheidet zwischen der sogenannten geborenen Ausübungs- beziehungsweise Wahrnehmungsbefugnis, die aufgrund gesetzlicher Anordnung besteht, und der sogenannten gekorenen Ausübungs- beziehungsweise Wahrnehmungsbefugnis, die einen Beschluss der Wohnungseigentümer voraussetzt. Dieses Konzept wird aufgegeben. Nach § 9a Absatz 2 übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kraft Gesetzes die dort genannten Rechte aus.

Auf Seite 48 ist weiter aufgeführt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch die Rechte der Wohnungseigentümer ausübt, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, auch wenn sich diese Rechte nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben. Erforderlich sei eine Rechtsausübung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer demnach, wenn schutzwürdige Belange zum Beispiel des Bauträgers an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Wohnungseigentümers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen.

Der Regierungsentwurf hingegen zwei Monate später vom 25.03.2020 führt auf Seite 51 zusätzlich aus, dass die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht, wonach die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Beschlussfassung bestimmte Mängelrechte ausüben kann (zusammenfassend BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05 Randnummern 15 ff.), vom Entwurf unberührt belassen werde. Denn diese Rechtsprechung beruhe nicht auf dem geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3, sondern ist schon zur Rechtslage vor der WEG-Novelle 2007 entwickelt worden. Die Streichung der gekorenen Ausübungsbefugnis nach dem geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3 Halbsatz 2 habe daher keine Auswirkungen.

Soweit in anderen Fällen Rechte eines Wohnungseigentümers durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgt werden sollen, ist das ebenfalls nur noch nach allgemeinen Regeln möglich (zum Beispiel durch Übertragung des Rechts oder Einräumung einer Prozessstandschaft). Soweit auf Grundlage des geltenden § 10 Absatz 6 Satz 3 Halbsatz 2 Beschlüsse gefasst wurden, verlieren diese nach allgemeinen Grundsätzen mit Inkrafttreten der Neuregelung für die Zukunft ihre Wirkung (vergleiche zu gesetzlichen Verboten Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, 2017, § 134 Randnummer 55).

Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei Unklarheiten, ob der Mangel dem Sondereigentum oder dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen sei, es ratsam sei kann, diese individuellen Rechte des Erwerbers an den Verband der Wohnungseigentümer abzutreten, damit jedenfalls die Gemeinschaft diese Rechte geltend machen kann, ohne dass die Unklarheit der Zuordnung eine Rolle spiele.

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

RJ-Anwälte ist eine überregional tätige Rechtsanwaltskanzlei mit Notariat spezialisiert auf Fragen des Bau- und Immobilienrechts.

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