Baurecht

Baugrundrisiko ist nicht immer Auftraggeberrisiko

von: RA Sophia Noll
Darum geht es: Weicht der, dem Bauvertrag zugrunde gelegte und erwartete, Baugrund (Bodenklasse 3 bis 5) im Verlauf der Baumaßnahmen von den tatsächlichen Baugrundverhältnissen ab (es wird eine höhere Bodenklasse vorgefunden), stellt sich die Frage, wer die damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Konsequenzen trägt. Welche Vertragspartei, der Auftraggeber oder Auftragnehmer, trägt das Baugrundrisiko für die geotechnische Abweichung?
Rechteck Recht und Normen
Bodenaushub in München. Nach einem aktuellen Urteil gilt, dass ein Baugrundrisiko, für dessen vielseitige Verwirklichung der Auftraggeber stets einzustehen hat, nicht exisiert. Foto: picture alliance/dpa | Katharina Redanz

Das OLG Bamberg entschied (Beschluss vom 09.10.2019 – 4 U 185/18) in diesem Fall, dass der Auftragnehmer das Risiko der Bodenverhältnisse übernommen hatte. Der Auftragnehmer hatte dem Auftraggeber die Errichtung eines Rohbaus angeboten, wozu auch der erforderliche Bodenaushub gehörte. Nach Abschluss der nötigen Arbeiten verlangte der Auftragnehmer vom Auftraggeber eine Mehrvergütung für den Bodenaushub. Wegen der höheren Bodenklasse erhöhte sich der Stahlverbrauch und weitere Zusatzarbeiten fielen an, welche im vertraglichen Leistungssoll nicht enthalten waren.

Pauschal wird vielfach "nach herrschender Meinung" erklärt, der Bauherr, trage das Baugrundrisiko. Der Baugrund wird als "Stoff" i.S.d. § 645 BGB verstanden, den der Auftraggeber dem Auftragnehmer "zu liefern" habe. Der Bauherr sei schließlich vielfach der Eigentümer des Grundstücks und stehe dem Grundstück und seiner Beschaffenheit am nächsten. Er ziehe den Nutzen aus dem Grundstück und müsse auch die mit ihm verbundenen Nachteile tragen – folglich auch die Vergütung für zusätzliche Arbeiten zahlen.

Bereits mit seinem Urteil vom 20.08.2009 (VII ZR 205/07) stellte der BGH klar, dass diese generelle Annahme unzutreffend ist: "Allerdings können Mehrkosten wegen von den Vorstellungen des Auftragnehmers abweichender Bodenverhältnisse nicht mit der allgemeinen Erwägung geltend gemacht werden, den Bauherrn treffe das Baugrundrisiko. Auszugehen ist vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalls und den konkreten Vereinbarungen."

Praxishinweis

Ein Baugrundrisiko, für dessen vielseitige Verwirklichung der Auftraggeber stets einzustehen hat, existiert nicht. Vorrangig und entscheidend bleiben wie so oft die Hauptpflichten aus dem geschlossenen Werkvertrag. Den Parteien steht es frei, jegliches Wagnis zu vereinbaren. Werden, wie im beschriebenen Fall, keine Einschränkungen bezüglich der Bodenklassen gemacht, so ist der Aushub des jeweils vorgefundenen Bodens geschuldet und von der vereinbarten (Pauschal-)Vergütung umfasst. Lässt sich der Auftragnehmer auf ein Risiko ein, kann er dessen Verwirklichung nicht im Nachhinein auf den Auftraggeber abwälzen.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autorin

RA Sophia Noll

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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