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Frist zur Mangelbeseitigung

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht's: Ist eine Frist zur Mangelbeseitigung wirkungslos, wenn der Auftraggeber nicht gleichzeitig eine taugliche Sanierungsplanung vorgelegt?
Recht und Normen

Bestehen an der Werkleistung Mängel, so kann der Auftraggeber Geldansprüche geltend machen zum Beispiel Schadensersatz oder Bezahlung der sogenannten Selbstvornahme durch Drittunternehmen, allerdings erst, nachdem eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde und diese erfolglos abgelaufen ist. Die Frist hierzu muss wirksam gesetzt sein. Wie die Frist gesetzt sein muss und welche Zusatzinformationen der fristsetzende Auftraggeber bereitzustellen hat, ist immer wieder Frage gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Liegen der Fristsetzung keine Unterlagen oder nur unvollständige Informationen bei, so kann im Extremfall die Fristsetzung wirkungslos sein. Als Beispiel können zwei Urteile von Oberlandesgerichten (OLG) genannt werden.

Das OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2021, Aktenzeichen 10 U 58/21, stellt in seinem ersten Leitsatz fest, dass eine Aufforderung zur Mangelbeseitigung wirkungslos ist, wenn die Mangelbeseitigung einer planerischen Vorgabe des Auftraggebers bedarf und bei der Aufforderung zur Mangelbeseitigung die planerische Vorgabe fehlt.

Bei diesem Bauvorhaben ging es um die Herstellung einer Betonfertigteilfassade. Insgesamt war es eine Stahlbetonkonstruktion, die aber auch unter anderem Vorhangfassaden mit Betonfertigteilen und Betonlamellen vor den Fensterelementen vorsah, wobei die Betonlamellen eine textile Bewehrung erhalten sollten. Dies ging offenbar so nicht, da bereits bei der erstmaligen Bauerrichtung auch für die Betonlamellen eine aus Stahl bestehende Bewehrung erfolgte. Man gelangte früh zu der Erkenntnis, dass die Lamellen wegen der erforderlichen Schichten mit der ausgeschriebenen geringen Höhe beziehungsweise Dicke nicht mit textilen Bewehrungen er-richtet werden konnten. Der Feinbeton erhielt einen Zusatz gelber Flüssigfarbe, um die optischen Anforderungen zu erfüllen. Es handelt sich um filigrane, architektonisch wichtige Elemente. Die Lamellen vor den Fenstern sind optisch als Fortsetzung der ebenso breiten optischen Streifen in den daneben liegenden Fassadenelementen konzipiert.

Knapp vier Jahre nach Fertigstellung und Abnahme wurden Haarrisse in der Oberfläche gerügt. Zudem wurde in den Betonlamellen ein Girlandeneffekt und Durchbiegungen gerügt und Mangelbeseitigungskosten von knapp 830.000 Euro behauptet. Falls eine Mangelbeseitigung nicht erfolgen könne, wurde behauptet, es bestünden wegen der nicht geraden, sondern durchbogenen Lamellen optische Beeinträchtigungen, die Betonlamellen seien dann wertlos und es bestehe ein Minderwert von 440.000 Euro.

Ein Sachverständiger stellte fest, dass Durchbiegungen weit über dem nachDIN 1045 errechneten Grenzwert liegen. Er stellte aber auch fest, dass eine mangelfreie Ausführung der Betonlamellen unter Einhaltung der im Leistungsverzeichnis vom Auftraggeber vorgegebenen Abmessungen und Betonrezeptur nicht zu erreichen ist. Die Durchbiegungen sind daher primär konstruktionsbedingt als Folge zu großer Schlankheit beziehungsweise zu filigraner Planung.

Vor Gericht wurde daher erörtert, dass Änderungen an der Konstruktion der Betonlamellen, ebenso wie die seitens des Auftraggebers erwogene Verschiebung der Aufhängepunkte beziehungsweise einer Montage mit Feldunterstützungen mit bauseits notwendigen Planungsänderungen ver-bunden wären, da offensichtlich der optische Gesamteindruck beeinträchtigt wäre. Von der Baufirma kann eine Ersetzung dieses planerischen Ermessens des Auftraggebers nicht verlangt werden. Eine mangelfreie Herstellung der Lamellen ist technisch daher zwar möglich, allerdings nur einhergehend mit Veränderungen der seitens des Auftraggebers gemachten Vorgaben. Für die Wahrung der architektonischen Gestaltung des Bauwerks ist daher eine Bauherrenentscheidung zu treffen, wie die Konzeption der Fassadengestaltung auszusehen habe. Hierfür ist die Mitwirkung des Auftraggebers erforderlich, was im vorliegenden Fall nicht erfolgt war.

Die Folge dieser unterlassenen – und nicht angebotenen – erforderlichen Mitwirkung ist die Wirkungslosigkeit einer von ihm erfolgten Aufforderung zur Mängelbeseitigung. (Dies hat der Bundesgerichtshof BGH, im Urteil vom 08.11.2007 zum Aktenzeichen VII ZR 183/05 bereits in einem anderen Fall entschieden.) Da der Auftraggeber kein "letztes Wort" zur Verweigerung seiner Mitwirkungshandlung abgebeben hat, sondern nur darauf beharrte, eine abweichende rechtliche Bewertung in Bezug auf die Planungsverantwortlichkeit der beklagten Baufirma für die Betonlamellen hatte, kann er nach wie vor seine Mängel-rechte geltend machen, jedoch bis zur Erfüllung der Mitwirkungshandlung nur Nacherfüllung und keine Geldansprüche.

Einen andersherum gelagerten Fall hatte das OLG Köln in seinem Beschluss vom 23.06.2020 zum Aktenzeichen 7 U 242/19 zu behandeln. Hier hatte der Auftragnehmer die Ausführungs-planung für die Dachdeckung selbst zu verantworten und nach Abnahme und Mängelrüge legte der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein Sanierungskonzept vor, das ggf. untauglich war. Hier konnte sich der Auftragnehmer auf eine vermeintlich unwirksame Fristsetzung, wegen der nicht umsetzbaren Sanierungsplanung berufen, weil er, ohne Bedenken anzumelden, die gesetzte Frist einfach so untätig hat verstreichen lassen.

Folgen für die Praxis: Die im Bauvertragsverhältnis bestehende Kooperationspflicht setzt sich auch nach Abnahme insoweit fort, dass man von den Parteien zumindest verlangen kann, die technischen Aspekte miteinander zu erörtern.

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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

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