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Koordinierungsfehler – ein Schreckgespenst in der Architektenhaftung?

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht's: An einem Trinkbrunnen mit Bodeneinlauf in einer Schule zeigen sich Feuchtigkeit, Nässe und Schimmel und zwar im Boden und an den Wänden. Obwohl der Bauherr hierfür Fachplaner eingesetzt hat, haftet der Architekt zur Schadensbeseitigung voll!

In einem Urteil vom 05.07.2021, Aktenzeichen 29 U 110/20, stellt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main fest, dass nicht fachgerechte Abdichtungsarbeiten vorliegen.

Der Trinkbrunnen und der zugehörige Bodeneinlauf im Flur waren nicht fachgerecht hergestellt. Die eingebauten Bodeneinläufe waren undicht. Das Architekturbüro meinte hierzu sicher, dass dieses Versäumnis den Fachplaner treffe. Dies ist wohl richtig, jedoch nach dem Urteil nur die halbe Wahrheit. Das OLG meint, es hätte (im Rahmen der Objektplanung Gebäude!) eine gegebenenfalls zu ändernde Planung der Abdichtung gegen Feuchtigkeit erfolgen müssen, deren Fehlen die Entstehung von Nässe und Schimmel zusätzlich begünstige.

Die Planung der Bodeneinläufe betrifft zwar nur den Fachplaner. Das Architekturbüro ist als Objektplaner Gebäude aber für das Gesamtbauvorhaben zuständig und muss die Fachleistungen koordinieren und in seine eigene Planung integrieren. Die Anforderungen der Analyse der Inhalte der Fachplanung und der Auswirkungen auf die umliegenden Bauteile ist dabei hoch. So meint das OLG, dass bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Fachplanung durch das Architekturbüro dieses eine Inkompatibilität der eigenen bisherigen Abdichtungsplanungen hätte erkennen müssen und eine eigenständige Nachplanung der Bodenabdichtung hätte vornehmen müssen. Womöglich hätte alternativ eine geänderte Fachingenieur-Planung erfolgen können.

Folgen für die Praxis: Bei gedanklicher Befassung mit der Schnittstelle im Rahmen der beiden vorliegenden Planungsbeiträge in der Planungsphase hätte das schadensverursachende Problem bereits auffallen können. Dies ist die Tätigkeit der Integration, die hohe Anforderungen an den Architekten bereits in der Planungsphase stellt und zwar nach vermeintlich abgeschlossener eigener Planungsleistung. Es würde bei Offenlegung des Problems dann die Frage auftauchen, wer der beiden Planungsbeteiligten seine Planung ändern müsse und ob dies mit oder ohne Honorarnachträge erfolgen muss. Fällt das Problem zunächst nicht auf, so besteht im Rahmen der späteren Bauüberwachung nochmals Gelegenheit zur Offenlegung.

Das Gericht meint hierzu, dass der mit der Bauaufsicht beauftragte Architekt bei wichtigen und kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, zu besonderer Aufmerksamkeit und zu einer intensiven Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet ist. Hierzu zähle auch der Einbau von Bodeneinläufen, da diese bestimmungsgemäß Wasser führten und damit das Risiko der Bodendurchfeuchtung bergen würden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass zwar sowohl die Fachplanung als auch das mit der Objektplanung Gebäude und Bauüberwachung betraute Architektenbüro verantwortlich waren.

Die Einschaltung der Fachplaner hat das Architekturbüro aber nicht von der Haftung freigestellt. Stattdessen müssen beide Büros gegenüber dem Bauherrn haften. Nach den Grundsätzen der Gesamtschuld darf der Bauherr aber aussuchen, wen von beiden er in Anspruch nehmen will. Der Bauherr hat sich für den Architekten entschieden. Diesem steht in solchen Fällen aber ein eigener Ausgleichsanspruch gegen den Fachplaner zu, der innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis der Thematik verjährt. Dies ist spätestens der Zeitpunkt des Auftretens der Feuchtigkeitsschäden, auch wenn der Bauherr sich damals noch gar nicht entschieden hat, wen von beiden er in Anspruch nehmen will. Architekt und Fachplaner sind daher in solchen Fällen gehalten, gegenseitig verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Maßnahmen zum wechselseitigen Freistellungsanspruch einzuleiten.

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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

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