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Streitverkündung erhalten? Wieso? Und was tun?

von: Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem
Darum geht's: Als Bauunternehmer erhalten Sie einen "gelben Umschlag" mit Postzustellungsurkunde, auf den der Postbote mit Kugelschreiber das Datum der Zustellung in den Briefkasten notiert hat. Der Umschlag enthält Post vom Gericht mit Angabe eines Aktenzeichens und den Hinweis, es sei der Streit verkündet worden und man könne beitreten. Anders als bei einer Kneipenschlägerei, in die man (mehr oder minder aktiv) hineingerät, hat man hier also selbst die Wahl. Für Ihre Entscheidungsfindung ist meistens noch ein umfangreicher Schriftsatz einer der beiden Prozessparteien beigefügt (Kläger oder Beklagter oder bei einem selbständigen Beweisverfahren, das ohne Gerichtsurteil, sondern stattdessen mit einem Sachverständigengutachten endet, Antragssteller oder Antragsgegner).

Anhand auch der weiteren Anlagen zu diesem Streitverkündungsschriftsatz kann man meisten schon etwas abschätzen, worüber die anderen streiten.

Es stellt sich dann die Frage, ob man der einen Partei (streitverkündenden Partei) beitritt oder der anderen beitritt, oder dem Prozess gar nicht beitritt und den Brief samt gelbem Umschlag sorgfältig in seinen Unterlagen abheftet. (Den Umschlag sollte man übrigens aufheben, weil darauf das Datum der Zustellung notiert ist und hiervon Fristberechnungen abhängen können).

Folgen für die Praxis: Die Streitverkündung ist ein wichtiges Mittel für die streitverkündende Partei (die den gelben Umschlag und das ganze Procedere angestoßen hat), um gegenüber Ihnen als Empfänger zum Beispiel die Verjährung eigener Ansprüche zu hemmen und für Feststellungen aus dem laufenden Prozess Bindungswirkung für einen etwaigen Folgeprozess/Regressprozess, gegen Sie als Empfänger herzustellen. Womöglich sind Sie ein Subunternehmer und Ihr Hauptunter-nehmer ist Beklagter in einem Schadensersatzprozess des klagenden Bauherrn.

Da der Bauherr nur seinen eigenen Vertragspartner verklagen kann, ist ihm Ihr Beitrag, Verschulden bzw. Ihre Mitwirkungshandlung zu dem Mangel egal, dem Beklagten aber nicht und er bereitet nach Urteil des laufenden Prozesses den Folgeprozess gegen Sie vor. Oder Sie sind Handwerker beziehungsweise Bauausführender und der vom Bauherrn verklagte jetzt streitverkündende bauleitende Architekt meint, Sie seien als Gesamtschuldner mitverantwortlich. Auch in diesem Fall bereitet die Streitverkündung den künftigen Folgeprozess des Architekten gegen Sie vor.

Im Rahmen einer anwaltlichen Beratung würde geprüft werden, ob die Streitverkündung unwirksam ist und ggf. entschließen Sie sich dann, die Unterlagen ad acta zu legen. Meistens besteht jedoch keine Unwirksamkeit und es stellt sich für Sie dann die Frage, ob Sie dem Streit (dem aktuellen Gerichtsverfahren) beitreten, um die eine oder andere Partei zu unterstützen.

Die anwaltliche Betreuung kostet Geld (Rechtsanwaltsgebühren), die aber von der anderen Prozesspartei, der man nicht beigetreten ist, insofern erstattet werden müssen, als diese nicht obsiegt beziehungsweise verliert. Bei einem Vergleich zwischen den Prozessparteien guckt man allerdings zumeist in die Röhre und bleibt auf seinen eigenen Anwaltskosten sitzen. Spekuliert man daher bei einem Streitbeitritt darauf, dass eine der beiden Prozessparteien gewinne und tritt man daher der anderen (nicht den Streit verkündenden) Partei bei, der man höhere Chancen beimisst, so kann die streitverkündende Partei bei rechtzeitiger Rüge die Unzulässigkeit des Streitbeitritts feststellen lassen. Allein das Kosteninteresse ist jedenfalls kein zulässiger Grund für einen Streitbeitritt auf der anderen Seite (also nicht bei der streitverkündenden Partei). In einem kürzlich ergange-nen Urteil des AG Mainz vom 20.05.2021 Az.: 73 C 5/18 ist festgestellt worden, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beklagten als Hauptunternehmer und dem Streitverkündungsempfänger als Subunternehmer über den Auftragsinhalt des Subunternehmervertrages nicht ausreichen, um den Streitbeitritt bei der anderen Prozesspartei zu rechtfertigen. Dies gilt selbst wenn die Befürchtung besteht, dass im Urteil zu diesem Auftragsinhalt Feststellungen getroffen würden, die dann indes "überschießend" wären und deswegen keine Bindungswirkung für ein Folgeverfahren bewirken könnten.

Übrigens: Im Rahmen der anwaltlichen Beratung würde auch erörtert werden, ob es Ihrerseits geboten ist – zum Beispiel wegen der Hemmung der kurzen (dreijährigen) Gesamtschuldnerausgleichsverjährung – ebenfalls den Streit zu verkünden an die weiteren Prozessbeteiligten oder weitere Dritte.

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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden.

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Autor

Rechtsanwalt & Notar Johannes Jochem

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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