EuGH Urteil

Über die Umsatzsteuerpflicht des entgangenen Gewinns bei Kündigung

von: Rechtsanwalt & Notar A.D. Prof. Rudolf Jochem
Nach § 648 BGB kann der Bau- oder Architektenvertrag vom Auftraggeber jederzeit gekündigt werden. Der Auftragnehmer erhält in diesem Fall die vereinbarte Vergütung. Er muss sich jedoch als Folge der Kündigung ersparte Aufwendungen und Ersatzaufträge auf seine Vergütung anrechnen lassen.
Rechteck Recht und Normen
Fahnen der Europäischen Union (EU) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD). Der EuGH legte in einem aktuellen Urteil entgegen der deutschen Rechtssprechung fest, dass der Vergütungsanteil für den "entgangenen Gewinn" im Falle einer Kündigung umsatzsteuerpflichtig ist. Foto:picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Diese Regelung zwingt zu einer Zweiteilung der Rechnung. Die bis zum Kündigungszeitpunkt erbrachten Leistungen sind abzurechnen und Umsatzsteuer fällt hierzu zweifelsohne an. Die von den durch Kündigung noch nicht erbrachten und damit weggefallenen Leistungen sind nach der vertraglichen Vergütungsvereinbarung zunächst darzustellen.

Die als Folge der Kündigung eingetretenen Ersparnisse für die weggefallenen Leistungen einschließlich der nach Wegfall des gekündigten Vertrages erzielten Ersatzaufträge sind von diesem Vergütungsanteil abzusetzen. Umgangssprachlich wird dieser Vergütungsanteil auch als entgangener Gewinn bezeichnet. Ist dieser Anteil der Vergütung umsatzsteuerpflichtig? Die deutschen obersten Gerichte, wie der Bundesgerichtshof und ihm folgend der Bundesfinanzhof, haben jeweils entschieden, dass die Vergütung für den "entgangenen Gewinn" als eine Entschädigung für den Verlust des Auftrages anzusehen ist und haben diesen Vergütungsanteil nicht der Umsatzsteuer unterworfen.

Dies gilt jedenfalls bis jetzt; denn der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 28. November 2024, Az.: RS-C-622/23, gestützt auf Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie am Beispiel der österreichischen, dem deutschen Recht etwa vergleichbaren Regelung, entschieden, dass der Vergütungsanteil für den "entgangenen Gewinn" im Falle einer Kündigung umsatzsteuerpflichtig ist. Da europäisches Recht nationalem Recht vorgeht, ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich diese Rechtsprechung auch entgegen der anders lautenden Urteile des Bundesgerichtshofes und des Bundesfinanzhofes hier in Deutschland durchsetzen.

Praxishinweis

Im Falle der Kündigung eines Bau- oder Architektenvertrages ist deshalb schon aus Gründen der eigenen sicheren Rechnungslegung auf die gesamte Schlussrechnung einschließlich des Anteils des entgangenen Gewinns, Umsatzsteuer zu erheben; denn letztendlich ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch für die Steuerfestsetzung in Deutschland bindend. Der Auftragnehmer will nicht Gefahr laufen, als Folge einer späteren Steuerprüfung fehlende Umsatzsteuer dem Finanzamt nachzahlen zu müssen, die er beim Auftraggeber wegen Verjährungseintritts nicht mehr durchsetzen kann.

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Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autor

Rechtsanwalt & Notar A.D. Prof. Rudolf Jochem

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