"Scharfe Kante"

Atelier aus Leichtbeton am Ammersee gebaut

Architektur
Durchgefärbter Leichtbeton und markanter Grundriss machen aus einem kleinen Atelier eine bemerkenswerte Wohnskulptur, die alles Wesentliche beinhaltet. Foto: BetonBild/peters fotodesign

DIESSEN (ABZ). - Mit rot durchgefärbtem Leichtbeton haben Axel Tilch und Gisela Drexler Architekten am Ammersee ein rigoros durchdachtes Wohnhaus gebaut. Auf das Wesentliche reduziert, ist die Nutzung vielfältig und reicht vom Atelier über ein Gästehaus bis zum Alterssitz.

Lang gestreckt liegt der rote Bau auf einem Grundstück in Diessen am Ammersee. Bereits in den frühen 80er-Jahren hatten hier Axel Tilch und Gisela Drexler Architekten für sich und die Familie ein Wohnhaus aus Leichtbeton gebaut. Was lag näher als nun mit der bewährten Bauweise auch einen "Pavillon" ans andere Ende des Gartens zu setzen? Mit 50 m² ist das Nebenhaus vielseitig zu nutzen: "Zwei Räume eine Nasszelle, kein Speicher, kein Keller für die überflüssigen Dinge. Ein Raum mit viel Licht, Sonne von Ost über Süd nach West und ein Raum nach Norden mit Blick in den Bach. Viel Grün rundherum und ein Sonnendeck auf dem Dach", so schildert Architektin Drexler ihr Projekt.

"F: Soll nun ein Haus so aussehen wie ein Schlafwagen oder wie ein Schiff? S: Nein. F: Wie denn? S: Wie ein Haus." Diese kleine Sequenz aus Josef Franks "Vom neuen Stil", stellten die Bauherren ihrer Projektbeschreibung voran. Vielleicht symptomatisch für die Überlegungen, die der Planung vorausgegangen waren. Dem Gelände angepasst entwarf das Architektenpaar einen Grundriss mit zwei aneinander gesetzten Trapezen. Das große öffnet sich mit großen Schiebefenstern nach Süden hin, ein schmales sich verjüngendes Trapez ist nach Norden ausgerichtet. In der Mitte ordneten sie als schmales Gelenk eine Box mit Dusche, Waschbecken und WC an. Einzig die Westwand im nördlichen Trapez ist parallel zur Ostwand im südlichen Trapez, sonst liegt das Haus wie ein gekrümmter Bumerang in der Wiese.

Auch Jahrzehnte nach der Werkbundbewegung kann ein kleines Projekt in Bayern immer noch aufregend polemisch und visionär wirken. Dazu braucht es nach Ansicht der Architekten gar nicht viel: "Die Technik ist sekundär, es hat sich nicht so viel geändert, man sitzt auf der Türschwelle und schaut in die Sonne. Die Sonnenenergie wird ohne Umwandlungsverluste über die großen Schiebefenster genutzt, und im Boden und den Wänden gespeichert." Realisiert haben die Architekten ihren Pavillon mit flachem Dach und Sonnendeck aus rot durchgefärbtem Leichtbeton. Seine charakteristische Farbgebung verdankt er der Pigment-Beimischung von 5 bis 7 % Eisenoxyd. Mit Zuschlägen aus geblähtem Material bringt der gefügedichte Beton bei 50 cm Wandstärke die nötige Dämmung und Speichermasse für ausgeglichene Temperaturen. Die zur Sonne hin ausgerichteten Holzfenster, teils mit bis zu 2,80 m breiten und hohen Schiebeelementen, sorgen für solare Gewinne. Das Sonnenlicht und bei Bedarf ein Grundofen zur Bodentemperierung reichen als Energiequelle aus. "Unser umweltfreundliches Wohnhaus aus den 80ern funktioniert bereits mit 40 cm Wandstärke gut", so Architektin Drexler. "Inzwischen haben die Hersteller Leichtbeton nochmals wesentlich verbessert und mit unserem Wandaufbau ist das Haus noch sparsamer."

Die Betonbauten der Architekten vom Ammersee funktionieren immer nach einem einfachen Prinzip: Die einfallenden Sonnenstrahlen treffen auf massive Bauteile und werden in Wärme umgewandelt. Decken, Wände und Böden bilden die Speichermasse, die an sonnigen Tagen wie ein solarbeheizter Kachelofen arbeitet. Die massiven Wände geben die eingefangene Wärme mit Zeitverzögerung als Strahlungswärme wieder ab.

"Die rohe Sichtbetonwand mit ihrem heftigen Anblick lässt uns in Ruhe, sie tut nicht so als ob, sie zeigt und sie ist, was sie ist," meinen die Architekten und ihr Faible für Beton spiegelt sich auch in den Innenräumen. Da die Leichtbetonwände ohne Dämmung auskommen, entspricht der Rohbau dem Ausbau. Nur die Nasszelle grenzt sich mit orangefarbenen Mosaiksteinchen von der rötlichen Decke und der gegenüberliegenden Wand aus Leichtbeton ab.

Dem Unternehmen Urban Weber aus Utting, das den Rohbau in zwei Monaten erstellt hat, ließen die Architekten freie Hand beim Einsatz der Stahlschalung mit glatter Beschichtung, die aufgrund der polygonen Form individuell hergestellt werden musste. Ausgeführt in Sichtbetonklasse SB2 wurden auch die Anordnung der Befestigungspunkte den Betonspezialisten überlassen. Das Abzeichnen der Schalungsstöße oder leichte Nuancen der Oberflächenstruktur sind Ausdruck des authentischen Baumaterials. Mit Vertrauen in die Natur, den Werkstoff und das ausführende Unternehmen ist auf diese Weise ein selbstbewusstes Projekt entstanden. Worauf in der bayrischen Provinz die abschließende Reminiszenz an den Künstler Nam June Paik besonders gut passt: "When too perfect, dann lieber Gott böse."

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