Sechs Unternehmen, drei Kontinente, ein Bauvorhaben

Projektrisikomanagement für größte Schrägseilbrücke Afrikas

von: Mouncey Ferguson
Bau digital
Der Bau eines Pfeilerkopfes. Foto: Egis JMI

Marokko/Afrika. – Der Bau einer Brücke über den Fluss Bou-Regreg in Marokko stellte sechs Unternehmen, die über drei Kontinente hinweg zusammenarbeiteten, vor komplexe Herausforderungen. Jedoch hatte auch niemand erwartet, dass die Errichtung der längsten und größten Schrägseilbrücke Afrikas einfach werden würde. Um von der ehemaligen marokkanischen Hauptstadt Fes nach Casablanca zu gelangen, mussten Autofahrer bislang die Route über die heutige Hauptstadt Rabat nehmen. Neben Verkehrsproblemen verursachte dies auch Beeinträchtigungen im Handel bzw. beim Gütertransport. Im Jahr 2010 beschloss die staatliche Autobahnbehörde Autoroutes Du Maroc (ADM) dies zu ändern und begann mit dem Bau einer Umgehungsautobahn, die Fes direkt mit Casablanca verbinden soll. Damit die Umfahrung fertiggestellt werden konnte, musste ADM jedoch eine Brücke über den Fluss Bou-Regreg bauen. Die Autobahn überquert den Bou-Regreg an der Flussbiegung ein Stück westlich des Damms Sidi Mohammed Ben Abdallah. Als sei diese Herausforderung noch nicht schwierig genug, machte sich ADM daran, die längste Schrägseilbrücke Afrikas über das kilometerbreite Tal zu errichten.

Von allen Brücken weltweit ist dies wohl die komplexeste – und beeindruckendste. Sechs Unternehmen brachte ADM im Rahmen dieses Vorhabens zusammen. Dabei geht die am Südufer beginnende 200 m lange Zugangsbrücke in die 742 m lange Schrägseilbrücke über, deren zwei Pfeiler an islamische Kunst und Architektur erinnern.

Entworfen wurde die in beide Richtungen dreispurige Brücke von den französischen Unternehmen Setec TPI und Strates Architects. Für den Bau sind zwei chinesische Unternehmen mit Niederlassungen in Marokko verantwortlich: China Overseas Engineering Corporation (COVEC) und Major Bridge Engineering Corporation (MBEC). Die Konstruktionszeichnungen erstellte Egis JMI von seinen Niederlassungen in Frankreich und Thailand aus und das Bridge Reconnaissance and Design Institute (BRDI) mit Sitz in China fertigte die genauen Schalungspläne und Bewehrungszeichnungen. Arnold Ledan, Bauingenieur bei Egis JMI, war für die Konstruktionszeichnungen zuständig. Die Teammitglieder bei Egis hatten in der Vergangenheit komplexe Infrastrukturprojekte in Afrika, Asien und Europa umgesetzt.

Auch das Bou-Regreg-Vorhaben war kein leichtes Unterfangen. "Bei dem Projekt mussten laufend Informationen zwischen verschiedenen Teams rund um den Globus ausgetauscht werden", erklärt Ledan. "Dies resultierte in einem hohen Maß an Komplexität, das zweifellos eine Herausforderung darstellte."

Für die Brücken erstellten die beiden Unternehmen 2174 Dokumente mit den finalen Konstruktionsdetails. Um für alle Projektbeteiligten an jedem Ort der Welt jederzeit unmittelbaren Zugang zu den aktuellen Modellen und Zeichnungen sicherzustellen, benötigt es eine zuverlässige Datenverwaltungsplattform.

Das Team verwendete Autodesk Vault, um Dokumente anhand eines zentralen Repository zu speichern und freizugeben. Trotzdem war, wie Ledan einräumt, "die Dateiversionierung eine Herausforderung", die mit einem selbst entwickelten Dateiverwaltungssystem bewältigt wurde. Sie nutzten zudem Inventor "wegen seiner Flexibilität" bei der Brückenmodellierung und aufgrund seiner Verknüpfung mit Microsoft Excel, was die Zusammenarbeit sowie die gemeinsame Nutzung erleichtert. Für Digitalmodell-Felder und zur Oberflächentriangulierung wurden AutoCAD, AutoCAD Civil 3D und Inventor eingesetzt.

Mit Konstruktionszeichnungen wird die Genauigkeit und Durchführbarkeit aller Abmessungen sorgfältig verifiziert und – abgesehen von dem Ausbaumaß des Plans – die Verantwortung dafür. "Dies ist ein hochspezialisierter Vorgang mit eigener Sprache und eigenen Methoden, der erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg des Projekts haben kann", erläutert Ledan.

Know-how und Kommunikation sind maßgeblich. "Während des Prozesses kommen fast immer Fragen über Vertragsunterlagen auf", fügt er an. "Der Konstrukteur ist dafür verantwortlich, diese innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beantworten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Kommunikation mit dem Bauherrn reibungslos funktioniert."

Für das Bou-Regreg-Projekt entschied sich Egis gegen herkömmliche 2D-Konstruktionszeichnungen und verwendete stattdessen ein 3D-Modell. Die eindrucksvollen Pfeiler z. B. waren schwer zu konstruieren. "Wir mussten die Geometrie jedes Details korrekt kommunizieren und alle Kabel berücksichtigen", ergänzt er.

Während dieses Prozesses entdeckte Egis die erste "Kollision", bei der es sich allerdings nicht um einen Planungsfehler handelte. "Die Konstruktion in jeder 2D-Zeichnung schien zu funktionieren. Erst, als wir uns das Ganze in 3D ansahen, entdeckten wir das Problem. Anhand von 3D können Sie die Umsetzung der Planungsabsicht im fertigen Bauwerk überprüfen," so Ledan.

Die Details des Pfeilerproblems waren komplex. Der entscheidende Punkt war, dass Egis die Schwachstelle identifizieren und eine neue Konstruktion vorschlagen konnte, um sie zu beseitigen. Egis stieß zudem auf ein Problem in der Konstruktion der Brückenfahrbahn. "Indem wir das Modell veränderten, fanden wir heraus, dass der Durchmesser der Fertigkabel im vorgespannten Zustand eine Kollision verursachen würde, was aus dem 2D-Entwurf nicht hervorging", beschreibt Ledan. "Wir führten eine Kollisionsprüfung durch, und das Ergebnis garantierte, dass es keine Kollision geben würde."

Dank des neuartigen 3D-Modell-Ansatzes für herkömmliche Konstruktionszeichnungen war keine Nachbesserung erforderlich, damit der Entwurf bewilligt wurde. Ohne das 3D-Modell und die globale Kooperationsplattform wäre es zu beträchtlicher Nacharbeit, erheblichen Verzögerungen und finanziellen Verlusten während der Bauphase gekommen.

Dieser Artikel erschien auch auf redshift.autodesk.com.

Mouncey Ferguson lebt als Publizist und Filmemacher in Los Angeles.

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