Straßen im Schichtbetrieb bauen

"Wir können nicht zaubern"

von: Bernhard Sprengel

Hamburg. – Staugeplagte Autofahrer haben eine Lobby. Hamburgs Straßen sollen ausgebaut werden, und zwar ganz schnell, fordert die Opposition in der Bürgerschaft. Vorschläge, die Firmen mit einem Bonus-Malus-System und Schichtbetrieb anzutreiben, halten Experten aber für weltfremd. Vor Jahren nervten Schlaglöcher und überstrapazierte Straßen die Autofahrer, jetzt sind es die Baustellen. Muss überall gleichzeitig gebaut werden, fragen sich viele. Tatsächlich ist die Abstimmung der jährlich rd. 1200 Maßnahmen auf Hamburgs Hauptverkehrs- und Fernstraßen sehr komplex. Kurz vor Weihnachten hat der Hamburger Senat eine bessere Koordinierung beschlossen. Nun sollen auch die Bezirke einbezogen werden, um im digitalen System Roads alle Baustellen zu erfassen. Ziel ist, Staus und Beeinträchtigungen möglichst in Grenzen zu halten.

Schneller gebaut wird deswegen nicht. Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) stellt klar: "Wir können nicht zaubern." Aber wie kann eine Beschleunigung funktionieren? Die Opposition macht vor allem zwei Vorschläge: Mit einem Bonus-Malus-System soll die Stadt die Firmen belohnen, die ihre Aufträge schneller als vereinbart erledigen, und diejenigen bestrafen, die länger brauchen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion fordert zudem, auf Straßenbaustellen sollte der Zwei- oder gar Drei-Schichtbetrieb zur Regel werden.

Die Bauwirtschaft weist diese Vorschläge zurück. Ein Malus-System gebe es bereits bei jeder Baumaßnahme, denn bei Verzögerungen drohten Vertragsstrafen. "Einen Bonus in Aussicht zu stellen, ist in Anbetracht der ohnehin meist außerordentlich engen Taktung der Baustellen allenfalls bei Großprojekten sinnvoll, die von Generalunternehmern durchgeführt werden", erklärt der Sprecher der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft, Michael Seitz. Politisch gewollt sei aber die Mittelstandsförderung, ergänzt der Leiter des Geschäftsbereichs Fernstraßen im Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, Carsten Butenschön. Eine Baumaßnahme müsse nach geltendem Recht in Losen und einzelnen Gewerken vergeben werden, es gebe also meist keinen Generalunternehmer.

Den Ausbau der A 7 zwischen dem Dreieck Hamburg-Nordwest und Bordesholm bei Kiel hat die Deges, die Planungsgesellschaft des Bundes, in Öffentlich-Privater Partnerschaft ausführen lassen. Für jeden Tag Verzögerung sollte das von Hochtief geführte Konsortium Via Solutions Nord 55.000 Euro zahlen. Das Projekt in Schleswig-Holstein ist seit dem 18. Dezember nach vierjähriger Bauzeit praktisch abgeschlossen, doch der Lärmschutzdeckel in Hamburg-Schnelsen wird erst ein Jahr später fertig. Strafe zahlen muss Via Solutions Nord dennoch nicht, wie Deges-Bereichsleiter Bernd Rothe bestätigt. Ursache der Verzögerung ist hauptsächlich der sumpfige Baugrund, der eine wesentlich umfangreichere Gründung erforderte als gedacht. Doch das liege in der Verantwortung des Auftraggebers.

Die Stadt hat schon versucht, bei der Auftragsvergabe schnellere Firmen zu bevorzugen. Von vier Unternehmen, die sich für eine Sanierung der A 7 in Heimfeld meldeten, sei nur eins darauf eingegangen, sagt Butenschön. Doch das Angebot sei unverhältnismäßig teuer gewesen, weswegen es gar nicht erst in die Wertung genommen werden durfte.

Auch der Schichtbetrieb wird von den Bauexperten mit Skepsis gesehen. An Brennpunkten wie dem Elbtunnel müssten umfangreiche Arbeiten zwar nachts erledigt werden. Aber: "Aus qualitativer Sicht ist es selten sinnvoll, nachts zu arbeiten", meint Stefan Jung von der Geschäftsleitung der Firma Kemna, die viel an der A 7 baut.

Ein Walzenfahrer könne nur bei Tageslicht den frischen Asphalt ohne Fehler glätten. Hinzu komme: "Unsere Mitarbeiter arbeiten gerne lang, die wollen verdienen." Eine Tageslichtzeit von max. 16 Std. in zwei Schichten zu teilen, sei für sie nicht attraktiv. Gesetzlich erlaubt seien max. 10 Std. Arbeit pro Tag. Zudem würden Lärm- und Umweltvorschriften den nächtlichen Betrieb nicht nur auf der Baustelle selbst, sondern auch an den Standorten von Mischwerken für Beton und Asphalt beschränken.

Worunter alle Beteiligten am Straßenbau leiden, ist der Mangel an Facharbeitern und Ingenieuren. Die Unternehmen beschäftigten bereits viele Migranten, sagt Seitz. In diesem Ausbildungsjahr habe die Branche in Hamburg 33 % mehr Lehrlinge eingestellt. Jeder fünfte dieser Auszubildenden habe einen Fluchthintergrund. Der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund insgesamt liege über 50 %. Die Hamburger Bauwirtschaft hat eine Ausbildungsoffensive gestartet und wirbt um Ingenieure.

Was zzt. nicht fehlt, ist Geld. Allein die Deges investierte 2018 rd. 240 Mio. Euro in Hamburg und Schleswig-Holstein, 2019 sollen es 243 und im folgenden Jahr 268 Mio. sein. Manchmal stehe sogar mehr Geld zur Verfügung als ausgegeben werden könne.

Nach Ansicht der Bauwirtschaft könnten vor allem zwei Dinge für eine Beschleunigung sorgen: weniger Bürokratie und die kontinuierliche Vergabe von Aufträgen. Das würde den Unternehmen erlauben, kontinuierlich in Personal und Maschinen zu investieren.

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