Strukturwandel

Digitalisierung und Logistik in der Gerüstbau-Branche

von:

Michael Haas

Biblis (ABZ). – Im letzten Jahr fand in Berlin die Gründungsversammlung des Deutschen Instituts für Höhenzugangstechnik (www.dihz.de) statt. Hauptthema: "Der Einfluss des digitalen Wandels auf die deutsche Gerüstbau-Branche".

"Das Baugewerbe zählt mit knapp einer Million Beschäftigten und einem Jahresumsatz von ca. 110 Mrd. Euro in 2016 zu den wichtigsten produzierenden Gewerben in Deutschland. Zunehmend sieht sich die Bauindustrie mit einem hohen Wettbewerbsdruck konfrontiert, der einen harten Preiskampf zur Folge hat. Zwar sind einige, zumeist größere Baufirmen in der Logistikplanung und -organisation bereits weit fortgeschritten, aber besonders die kleinen, mittelständischen Bauunternehmen (KMU) operieren zumeist in traditionellen Marktsegmenten und lokalen Märkten und haben neben Kostendruck verstärkt mit der Saisona-lität der Nachfrage und Konjunkturabhängigkeit zu kämpfen. Produktionskonzepte und zugehörige Prozesse in EDV und Logistik sind oft veraltet, durch einen hohen Individualisierungsgrad geprägt und schöpfen die Potenziale einer intelligenten Logistik kaum aus. Demnach steht der Bauwirtschaft ein tief greifender Strukturwandel bevor, wie er sich in anderen Industriezweigen bereits vollzogen hat . . .", schreibt dazu der Bundesverband der Deutschen Bauindustrie in seinem aktuellen Jahresbericht.

Auch wenn die Zahlen des Bauhauptgewerbes allgemein, nicht 1:1 auf die Gerüstbaubranche in Deutschland übertragbar sind, so lässt sich doch der Trend zu einem Strukturwandel in den Bereichen EDV und Logistik auch in "unserem" Branchensegment beobachten.

Auch in der Gerüstbaubranche sind bereits einige der Großbetriebe (mehr als 50 MA) – auch getrieben durch Niederlassungskonzepte und Forderungen ihrer (Industrie-)Kunden – bei der Organisation ihrer EDV und ihrer Produktions- und Logistikprozesse weiter fortgeschritten als der "Durchschnittsbetrieb" (Max 10 MA).

Die aktuell viel diskutierte BIM-Methode (Building Information Modeling) dürfte dabei für einen Großteil der Gerüstbaubetriebe in Deutschland ebenso Zukunftsmusik sein, wie die Einführung der "laufenden Inventur" zur Verbesserung der materialwirtschaftlichen Planungs- und Investitionsprozesse – auch wenn diese Themen sicher Richtungsweisend für die Zukunft sind. Wie immer im Wirtschaftsleben stehen "Wettbewerbsthemen" als Treiber von Veränderungsprozessen obenan – z. B. bei der GPS-Erfassung von Fahrzeugen und bei der Mobilzeiterfassung. Beides in der Gerüstbaubranche verbreitete EDV-Lösungen, die i. d. R. ihre Daten an eine Branchensoftware übergeben.

Bedeutet die Einführung oder Ergänzung eines EDV-Systems für viele Handwerksbetriebe schon eine Herausforderung, so scheitern organisatorische Änderungen des Produktionsprozesses mit dem Ziel höherer Produktivität bei gleichzeitig hoher Anforderung an Arbeitssicherheit oft schon an nicht vorhandener Datenlage.

Genau an dieser Stelle setzen einige Gerüsthersteller oder Softwarehäuser durch entsprechende (Schulungs-)-Angebote bereits an bzw. bieten komplette Planungsdienstleistungen für Gerüstverwender an.

Vergleicht man die Veränderungen der Gesamtgesellschaft durch den digitalen Wandel (insbesondere die Veränderungen durch "social media") mit der Veränderungsbereitschaft in EDV-organisatorischen Fragen bei Gerüstbaubetrieben, so hinken die Betriebe organisatorisch deutlich hinterher. Die Folge ist, das in manchen Betrieben die EDV-Rechenleistung der Spielekonsole des Azubis, die der Bauleitung übersteigt. Doch weder die "Hardware" ist an der Stelle ausschlaggebend, weil vergleichsweise günstig und technisch einwandfrei beschrieben beschaffbar. Auch nicht die "Software", denn für fast jeden Einsatzfall findet sich auch eine entsprechende (mittlerweile meist web-basierte) Miet-Software-Lösung. Die meisten EDV-Projekte scheitern, weil Wille, Beharrlichkeit und die Kommunikationsfähigkeit der Unternehmensleitung nicht ausreicht um die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu planen und (ggf. mit langem Atem) auch umzusetzen.

An dieser Stelle setzen dann auch die Themen "Fachkräftemangel" und demographischer Wandel ein, denn die meisten Branchenprogramme sind "Expertensysteme"- will man sie in Ihrem vollen Leistungsumfang (z. B. "Controlling", Materialwirtschaft etc.) nutzen. Denn das reichhaltige Software-Angebot trifft im Alltag z. B. auf Bauleiter,die nicht in der Lage sind E-Mails zu schreiben oder eine Excel-Tabelle zu bearbeiten – von 3D-CAD-Programmen erst gar nicht zu reden.

Gleichzeitig gibt es in jedem Unternehmen Mitarbeiter, die sich über social media vernetzen, sich über Arbeitsbedingungen ihrer Arbeitgeber oft im Klartext und in Echtzeit austauschen, sich online bewerben, die Jobs über Xing suchen (und dort z. B. von headhuntern gefunden und angesprochen werden), die Wettervorhersage aus einer App kennen, Online-banking übers eigene Smartphone machen etc., d. h. die Allgemeingesellschaft verändert sich schneller als die Handwerks-Unternehmen das tun!

Mittlerweile verfügt quasi jeder Azubi über Smartphone und Flatrate – während es auch heute noch Betriebe gibt, die Ihre Zeiterfassung per Stundenzettel organisieren und so tun als wäre das Internet noch nicht erfunden!

Begrüßenswert an der Stelle ist, dass z. B. der Gerüstbau-Bundesverband das Thema Digitaler Wandel als Haupt-Thema seiner diesjährigen Bundesversammlung gewählt hat. Ähnlich wie im Bereich EDV sieht es auch beim Thema Logistik aus. Vor 25 Jahren sprachen meine damaligen Hochschuldozenten von der Beherrschung der "Losgröße 1" als Utopie der Lagerhaltung und vor allem der Produktion. Amazon macht uns heute jeden Tag vor, dass diese Utopie (zumindest im Konsumgütersegment) längst Wirklichkeit geworden ist und die Erfindung der 3-D-Drucker hat die ehemals kostspielige Prototypenproduktion revolutioniert.

  1. Welche Ansprüche meiner Kunden, meiner Mitarbeiter, meiner Bank (und nicht zuletzt der Finanzbehörden) gehen zukünftig damit einher?
  2. Wie finde ich mit meinem Unternehmen die "Veränderungsbalance" (so viel wie nötig und so wenig wie möglich)?
  3. Wie genau kann ich meinen Betrieb "fit für die Zukunft" machen?

… sind nur einige Fragen, die in diesem Zusammenhang von an nachhal-ti-ger Entwicklung des eigenen Unternehmens interessierten Menschen gestellt werden sollten. Insbesondere in einer Branche, die mittlerweile sieben Jah-re Wachstumsphase hinter sich hat und die unter enormem Wettbewerbsdruck steht, wie in der ABZ-Ausgabe vom 6. Januar 2017 zu lesen war. In unserer zunehmend komplexer werdenden Welt werden Zukunftsprognosen zunehmend schwierig.

Als auch zukünftig gesichert gelten, kann allerdings ein Zitat von Lothar Späth aus dem Jahr 2002: "Meine Erfahrung hat gezeigt, dass, wenn die Wettbewerbssituation für alle gleich ist, meistens die Schnellen und nicht die Großen gewinnen. Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen. Und die Schnellboote befinden sich schon in Wartestellung."

Der Autor ist Mitarbeiter im Ingenieurbüro für Höhenzugangstechnik GmbH, Biblis.

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