UMG Göttingen

Kanal ersetzt aufwendiges Pumpensystem

Baupolitik
Blick in den Startschacht VTDZ-UMG beim Beginn des Rohrvortriebs. Fotos: I.CO.P.

GÖTTINGEN (ABZ). - Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) gehört mit ca. 7500 Mitarbeitern und einer Bettenzahl von 1460 zu den führenden Kliniken in Deutschland. Da es sich in einer Senke des Stadtgebietes Göttingens befindet, erfolgte die Entwässerung des Schmutz- und Regenwassers bisher mittels einer aufwendigen Hebeanlage. Zum Schutz vor Überlastung der Kanalsysteme befindet sich auf dem Gelände zusätzlich ein großvolumiges Regenrückhaltebecken. Für den Betrieb dieses Beckens war bisher der Betrieb von technisch aufwendigen und mit den entsprechenden Betriebsrisiken verbundenen Pumpensystemen nötig. Im Rahmen des geplanten Neubaus eines Bettenhauses sowie eines neuen OP-Traktes mit Intensivstation werden die Flächen dieses Rückhaltebecken in Anspruch genommen, da es innerhalb der Liegenschaft keine weiteren geeigneten Flächen gibt. Vor diesem Hintergrund errichtet die UMG bis in den Herbst 2015 für rund 12Mio. Euro einen 1,2 km langen neuen Kanal, der in bis zu 13 m Tiefe das Regen- und Grundwasser vom Klinikareal als Freispiegelleitung abführt. Um alle Anforderungen an die Erstellung sowie um eine langfristige Nutzung gewährleisten zu können, setzen die Bauherren auf Stahlbetonvortriebsrohre in FBS-Qualität.

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Abladen der Stahlbetonvortriebsrohre DN 1400/DA 1700. Im Hintergrund das Universitätsklinikum Göttingen.

Detlef Benezé, Projektleiter der Gesamtmaßnahme schildert die baulichen Maßnahmen zur Neuordnung der Entwässerung: "Nachdem wir viele Alternativen geprüft hatten, wurde ein Kanal mit einem Gefälle von mindestens 2 ‰, welcher zusätzlich als Stauraumkanal das Regenrückhaltebecken ersetzt, als optimale Variante ausgewählt. Möglich wurde die Kanal-Lösung für die UMG nach Verhandlungen mit den Projektbeteiligten – der neuen Straße am Güterverkehrszentrum (GVZ), der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen mbH (GWG), und den Göttinger Entsorgungsbetrieben (GEB). Der Regenwasserkanal der UMG konnte dadurch so geplant werden, dass er in den ebenfalls neu gebauten Entwässerungskanal des GVZ mündet."

"Die Bestimmung des optimalen Verlaufs der Kanaltrasse erforderte intensive geologische Untersuchungen", erklärt Markus Gajowski vom beauftragten Ingenieurbüro Gajowski. Hierbei stellte sich heraus, dass die geologischen Verhältnisse, die durchörtert werden sollten, stark heterogen waren. Ziel war es, eine optimale Trasse unter Vermeidung von Beeinträchtigung der komplexen Infrastruktur durch die stark heterogene Geologie zum Einleitepunkt zu finden. Aus diesem Grund bohren wir in Tiefen zwischen 10 und 13 m. Das ist eine Tiefe, bei der wir sicher sein können, auf keine unentdeckte Weltkriegsbombe zu stoßen. Die Bohrtrasse liegt mehrere Meter unterhalb der maximalen Einsinktiefe solcher Bomben von etwa 5 m bei den in Göttingen vorkommenden Bodenverhältnissen." Die geplante Trasse des neuen Regenwasserkanals führt vom Gelände der UMG weitgehend unter öffentlichem Grund in Richtung "Grüner Weg" und von dort unter dem Gelände der Firma Novelis hindurch bis zum Anschlusskanal in der neuen Straße des GVZ.

Über eine Strecke von 1210 m verbindet der Kanalneubau das vorhandene Kanalnetz der UMG mit der Entwässerungsanlage des GVZ. Von dort aus wird das Regenwasser in die Lutter geleitet. "Die Aufnahmekapazitäten des Kanalneubaus sind dabei auf die Zukunft ausgelegt", erklärt Manfred Fiedler, Leiter Kanalplanung und Sanierung der Göttinger Entsorgungsbetriebe (GEB). Bei der Dimensionierung haben wir den höheren Anteil versiegelter Flächen durch die zukünftigen Baumaßnahmen auf dem Klinikgelände berücksichtigt. Auch sind Wetterextreme mit sehr großen Regenmengen bereits in die Berechnungen eingegangen." Der Kanal besteht aus drei Abschnitten in den Durchmessern 1400, 1600 und 2000 mm. Dabei dient der längste Abschnitt (zwischen Klinikum und Grüner Weg) mit einer Länge von 650 m und einem Innendurchmesser von 2 m zukünftig als Rückstauraum und ersetzt das heutige Rückhaltebecken.

Durch die Konstruktion des Drosselbauwerks im Grünen Weg wird das anfallende Regenwasser umweltfreundlich und dosiert in den Vorfluter eingeleitet.

Die Besonderheit des gesamten Bauvorhabens wird deutlich, wenn man sich das Bauverfahren vor Augen hält. Hierzu Ralph Küsters von der Tunnelbaufirma I.CO.P: "Gebohrt wird mit einer 70 t schweren Micro-Tunnel-Maschine rund um die Uhr, außer an Sonn- und Feiertagen. Da die Bohrung über 10 m tief unter der Erde verläuft, werden die Anwohner weder mit Lärm noch – wie üblich – mit Stäuben oder Vibration belastet. Um der Geologie Rechnung zu tragen, kommen druckluftgedämpfte flüssigkeitsgestützte Bohrverfahren zur Anwendung. Insgesamt werden für die gesamte Kanalstrecke etwa 400 Vortriebsrohre eingebaut und fachgerecht verbunden. Eines davon wiegt bis zu 15 t. Ein speziell auf die zu erwartende Geologie angepasster Bohrkopf zerkleinert das Material. Mit Hilfe eines aus natürlichen, Tonmineralien bestehender Bohrsuspension wird der Abraum abtransportiert und mit der überirdisch aufgestellten Separationstechnik wieder deponiefähig aufbereitet.

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Einfahrt der Tunnel-Bohr-Maschine in den Zielschacht.

Bedingt durch die geologischen Verhältnisse, die anspruchsvolle Trassenführung und die zu erwartenden Belastungen, wurden seitens des Auftraggebers Stahlbeton-Vortriebsrohre nach DIN EN 1916/DIN V 1201 in FBS-Qualität ausgeschrieben. Produktion und Lieferung der Rohre erfolgte durch die Firma Haba-Beton, Johann Bartlechner KG mit Hauptsitz in Garching/Alz. Projektleiter Hubert Stark aus dem Haba-Werk im oberpfälzischen Mantel schildert die Anforderungen an die Stahlbetonrohre: "Für die zu erwartenden Expositionsklassen XC4 (Bewehrungskorrosion durch Karbonatisierung, wechselnd nass und trocken), XD3 (Bewehrungskorrosion durch Chloride, außer Meerwasser, wechselnd nass und trocken) sowie XA2 (Betonkorrosion durch chemischen Angriff, chemisch mäßig angreifend) waren die Stahlbeton-Vortriebsrohre mit einem Beton der Festigkeitsklasse C45/55 unter Verwendung von CEM I 42,5 R-HS (hochsulfatbeständiger Zement) mit einem Wasser-Zement-Wert < 0,4 und einer Betondeckung von cmin = 40 mm herzustellen. Die Produktion der Rohre erfolgte daher in schalungserhärtender Fertigung; ein Entfernen der Schalung erfolgte frühestens acht Stunden nach Betonierende. Die Rohrverbindung wurde mit Führungsringen 250 x 10mm aus Stahl S355J2W+N (wetterfester Feinkornbaustahl), einer Keilgleitdichtung nach DIN EN 681-1 und einer zusätzlichen Sekundärdichtung (Blockprofil) hergestellt. Dabei waren die Dichtungen auf einen permanenten Wasseraußendruck von 1,5 bar (15 m Wassersäule über Rohrsohle) zu bemessen und nachzuweisen. Die Druckübertragung erfolgt bei geraden Vortrieben und Vortrieben mit Radien über 1000 m mit wasserfest verleimten Spanplatten P5 und bei Vortrieben mit Radien kleiner 400 m mit einer hydraulischen Fuge, die in diesen Bereichen die Verwendung von Rohren mit Baulänge 3 m ermöglicht", so Stark.

Um die gewünschte Qualität auf diesem Niveau zu erreichen, wurden bereits in der Phase der Angebotslegung durch den Rohrhersteller umfangreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen als fester Vertragsbestandteil zugesichert. Ebenfalls im Vorfeld wurde die Eignung der angebotenen Rohre für das komplexe Projekt in vollem Umfang nachgewiesen. Die umfangreichen Qualitätssicherungsmaßnahmen durch Hersteller und Auftraggeber während der Rohrproduktion werden in einer QS-Mappe dokumentiert und stehen den Projektbeteiligten quasi in Echtzeit zur Verfügung. Der Rohrvortrieb DN 2000 wurde im Dezember 2014 begonnen und wird voraussichtlich im Januar 2015 abgeschlossen. Für den letzten Abschnitt DN 1600 hat die Schachteinrichtung Mitte Januar 2015 begonnen.

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