Unterschlagung im großen Stil

Kriminelle Banden sorgen für Millionen-Schäden

von: Jennifer Schüller
Recht und Normen
Trotz GPS-Trackern oder Videoüberwachung auf Baustellen wurden in Deutschland in den vergangenen Jahren Baumaschinen in einem Wert von mehreren Millionen Euro entwendet. Foto: Adobe Stock/bluedesign

Hannover/Perleberg. – Gemietet, abgeholt und nie wieder zurückgebracht – nach diesem Muster haben kriminelle Banden der deutschen Baumaschinen-Mietbranche in den vergangenen Jahren einen Schaden im mittleren zweistelligen Millionenbereich beschert. Die strafrechtliche Verfolgung der Diebe gestaltet sich häufig schwierig. Die ABZ sprach mit Geschädigten und einer Privat-Detektei, die für einige große Anbieter versucht, die entwendeten Maschinen und die Täter ausfindig zu machen.Als Herr Schmidt (Name seitens der Redaktion geändert) im Oktober 2020 seinen Minibagger an einen Unternehmer mit einer Baustelle in Wuppertal vermietet, erscheint alles ganz normal. Die Gewerbeanmeldung des Entleihers ist einwandfrei, die Kaution wird ohne Probleme hinterlegt und die freundlichen Herren, die die Maschine abholen, bleiben sogar einen Augenblick zum Plausch, bevor sie samt Bagger vom Hof des Mittelständlers fahren – unglaublich dreist und selbstsicher, wie Schmidt diese Begegnung im Nachhinein bewertet. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Er wird den 1,8-Tonnen-Kubota-Bagger nie wieder sehen."Wirklich besorgt, dass etwas nicht stimmen könnte, war ich erst, als der Entleiher nach einer Verlängerung um eine weitere Verlängerung bat", sagt Schmidt, der seit 20 Jahren in der Baubranche arbeitet. "Am Tag, an dem wir den Bagger zurückbekommen sollten, wurden wir angerufen, dass der Mieter den Kubota erst gegen Abend abliefern könne. Als um 19:30 Uhr immer noch nichts vom Entleiher und der Maschine zu sehen war, habe ich den Mieter noch einmal angerufen, doch unter der Nummer war niemand mehr zu erreichen. Seitdem herrscht Funkstille." Die Maschine bleibt verschwunden.Schmidt ist bei weitem nicht der einzige Geschädigte dieser Art. Diverse Unternehmen haben in den vergangenen Jahren mit den Machenschaften organisierter Banden Bekanntschaft gemacht und dabei Maschinen und somit bares Geld verloren. Doch nur wenige möchten offen darüber sprechen. Auf Anfrage der ABZ wollten nur zwei Unternehmen ein Statement diesbezüglich abgeben.Eines dieser Unternehmen ist Zeppelin Rental. In einer offiziellen Stellungnahme des Vermiet-Riesens wird bestätigt, dass, insbesondere seit 2019, eine Serie zu beobachten ist. "Die Täter gehen immer professioneller vor, sodass wir mittlerweile von organisierter Bandenkriminalität ausgehen", heißt es in dem Schreiben. 2020 sei die Zahl an Diebstählen und Unterschlagungen etwas zurückgegangen. Dazu könnten die Lockdowns und geschlossenen Grenzen während der Corona-Krise beigetragen haben, vermutet das Unternehmen.Wer nun meint, Unternehmen, die Opfer von Unterschlagung und Diebstahl wurden, hätten nicht genug zur Sicherung ihrer Maschinen getan, irrt. Die allermeisten Unternehmen statten ihre Maschinen mittlerweile mit GPS-Trackern aus, die es ermöglichen, den Aufenthaltsort einer Maschine zu bestimmen. Das Unternehmen Schlüter für Baumaschinen hat damit gute Erfahrungen gemacht. In den vergangenen Jahren seien "Diebstähle zum Glück nur sehr selten vorgekommen", erklärt Schlüter auf Anfrage der ABZ. Und weiter: "Das satellitengestützte Maschineninformationssystem Komtrax von Komatsu gehört zur Standardausrüstung fast aller Komatsu-Maschinen. In Notfällen – wie dem Diebstahl von Maschinen – können wir sofort reagieren und eine präzise Standortbestimmung der mit Komtrax ausgestatteten Maschinen durchführen." Im vergangenen Jahr habe man so zwei Diebstähle umgehend auflösen können. Die erste Maschine wurde in Polen lokalisiert und die Täter konnten über Interpol gefasst werden. Die zweite Maschine konnte kurz vor der deutschen Grenze geortet werden und wurde umgehend zum Kunden zurückgebracht.Doch selbst die cleverste Technik kann nicht immer für einen hundertprozentigen Schutz sorgen. "Professionelle Täter finden immer neue Möglichkeiten, die Technik zu umgehen", teilt Zeppelin Rental diesbezüglich mit. Diese Einschätzung teilt auch Rainer Harms. Er arbeitet als Privatdetektiv für die Agentur "Incognito" in Perleberg und vertritt rund 20 Firmen, die durch Unterschlagungen im großen Stil geschädigt wurden."Die Täter gehen oft gleich vor", erklärt Harms im Gespräch mit der ABZ. "Die Banden nutzen wahre Identitäten anderer Unternehmen, kopieren Briefköpfe und Logos und übernehmen selbst die Telefonnummern bis auf eine oder zwei Ziffern." Mit diesen gefälschten Papieren werden die Maschinen dann ausgeliehen. Und da sich die Diebe echter existierender Firmen bedienen, die bei den Vermiet-Unternehmen häufig bereits hinterlegt sind, werden die Bagger, Radlader und Co. dann auch ausgeliefert. "Häufig werden die Maschinen in Gewerbegebiete bestellt und dann von dort direkt über die Grenze geschmuggelt", so Harms. Die meisten Maschinen verschwänden in den Ostblock, aber auch Richtung Belgien würden die unterschlagenen und gestohlenen Maschinen verbracht. Ins-gesamt sei der Vermiet-Branche so in den vergangenen Jahren ein Schaden im mittleren zweistelligen Millionenbereich entstanden, weiß der Detektiv.Bei derart hohen Summen sollte man meinen, dass die kriminellen Machenschaften mittlerweile auch von den deutschen Behörden durch eine Sonderkommission beobachtet werden. Das ist jedoch nur äußerst selten der Fall. "Wir zeigen Fälle von Diebstahl und Unterschlagung immer bei der Polizei an, allerdings wird häufig nur lokal ermittelt. Viele Verfahren enden ergebnislos, ohne dass Täter ermittelt werden können", teilte Zeppelin Rental auf Nachfrage seitens der ABZ mit. Ähnliche Erfahrungen musste auch Schmidt machen. Tatsächlich verliefen Ermittlungen häufig im Sande, sagt Harms. Der Grund: Zuständigkeiten. Da die Täter Maschinen aus einem Bundesland entleihen, um es in einem anderen angeblich nutzen zu wollen und dort die Maschine verschwindet, sind eigentlich gleich mehrere Polizeidienststellen gefragt. Gerade diese Tatsache führe aber oft zu Problemen, weil unklar sei, wer für was zuständig ist.Für die Geschädigten ist das kein wirklicher Trost. Vielleicht haben auch deshalb so viele Unternehmen die Detektei aus Perleberg engagiert. "Wir haben jetzt nach 1,5 Jahren intensiver Ermittlungsarbeit eine Bande dingfest machen können", berichtet Harms im Interview.Da ein Teil der Bande in Slowenien sitzt, hofft die Agentur nun, über eine dortige Partner-Detektei Europol mitein-beziehen zu können. "Wir hoffen, unsere gesammelten Unterlagen dann an die Polizei übergeben zu können und dass dann auch wirklich endlich etwas passiert." Insgesamt konnte die Detektei "Incognito" mit ihrer Ermittlungsarbeit vier bis fünf operierende Banden mit unterschiedlicher Professionalität ausmachen. Eine kleinere Gruppe "arbeitet" im Großraum Hannover, eine andere in NRW, eine weitere im Raum München. Ob diese trotz aller zusammengetragener Unterlagen seitens der Privatermittler weiter auf freiem Fuß bleiben werden, hängt nun von den deutschen Behörden ab. Den Geschädigten wäre ein Erfolg in jedem Fall zu wünschen, denn während die größeren Unternehmen eine Unterschlagung oder einen Diebstahl noch wegstecken, können derartige Fälle für kleinere Unternehmer existenzbedrohend sein.

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