Vorsicht Falle!?

Für und wider zum Gerüstsystem-Tausch

von:

Roger Mohn

BERLIN. – In der letzten Zeit mehren sich wieder die Fälle eines Gerüstsystemtausches, eine "Unart", die bereits in der zweiten Dekade der 90er Jahre in der Folge so manch einen Betrieb nah an den Rande des Ruins, oder gar in die Insolvenz getrieben hat."Ich möchte noch einmal komrplett neues Material im Bestand haben", uma) für die nächsten 10–12 Jahre, die ich noch mache, mal Ruhe zu haben undb) meinem Sohn/meiner Tochter in der Firmennachfolge einen Betrieb im Top-Zustand zu übergebensind die meistgehörten Argumente für die Motivation eines Tausches.Es liegt natürlich auf der Hand, dass ein Gerüsthersteller, der einen Neukunden wittert, zunächst einmal die für den Anwender positiven Seiten hervorhebt. Für den Gerüstbauer empfiehlt es sich jedoch dringend, die Transaktion vor Abschluss eines Tauschgeschäftes einer intensiven steuerlichen Betrachtung zu unterziehen. Aber auch die unmittelbaren Auswirkungen auf das Tagesgeschäft sind nicht zu unterschätzen, hierzu unten mehr.Betrachten wir einen Systemtausch beispielhaft unter Zugrundelegung eines Gerüstbestandes von ca. 50.000,00 m². Hieraus ergibt sich mit systemgebundenen Zubehör ein Listenpreis von ca. 50 Euro/m², somit in Summe ca. 2 500.000,00 Euro.Erfahrungsgemäß beträgt die Rabattdifferenz zwischen dem Gebraucht- und dem Neumaterial ca. 30 %–35 %. Unter der Voraussetzung, dass die ursprüngliche Materialmenge beibehalten werden soll, ergibt sich demnach – bei günstiger Betrachtung (30 %) – ein neu zu finanzierender Kaufpreis i.H. von 750.000,00 Euro. Bei einer angenommenen Finanzierungsdauer von 72 Monaten entspricht dies einer Monatsrate von ca. 11.000,00 Euro.Bekanntlich wird der Verkaufserlös aus dem Anlagevermögen (bezahltes und abgeschriebenes Gebrauchtmaterial) im Folgejahr vollständig versteuert. Aus diesem Grunde wird die Bewertung des Gebrauchtmaterials erfahrungsgemäß sehr gering dargestellt, um diesen außerordentlichen Ertrag möglichst zu minimieren.Die folgende, steuerliche Betrachtung berücksichtigt im Verkauf des Gebrauchtmaterials einen Restwert von 28 % vom Listenpreis (=700 T Euro) und geht davon aus, dass das Gebrauchtmaterial einen Restbuchwert von 0,00 Euro hat.Daraus ergeben sich nachstehende, zusätzliche Steuerbelastungen für eine Kapitalgesellschaft:

  • Gewerbesteuer ca. 12 %,
  • 4.000,00 Euro – je nach Hebesatz
  • differierend, gerechnet wurde mit
  • Hebesatz ca. 340 %,
  • Körperschaftssteuer (15 %)
  • 105.000,00 Euro,
  • Soli-Zuschlag (5,5 % v. K.-st)
  • 5775,00 Euro
  • Gesamtsteuer 194 775,00 Euro.

Bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften wird die Steuerlast, je nach Konstellation, vermutlich noch höher ausfallen. Selbst unter Berücksichtigung der Abschreibung für das neu angeschaffte Gerüstmaterial verbleibt eine nicht unerhebliche Zahlungsverpflichtung.Aus der Erfahrung vieler Kundengespräche ist zu erkennen, dass zudem der praktische Aufwand der Rückführung, (Sortierung, Bündelung, Bereitstellung, Verladung, Logistik von zwei nicht kompatiblen Systemen, Bearbeitung etwaiger Reklamationen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Gebrauchtmaterials etc.), im Tagesgeschäft von allen unterschätzt wurde. Der Routine-Arbeitsablauf wird erheblich behindert, die Tagesleistungen der Monteure sinken, (s. u.). Ohne zusätzliches Personal und demnach Kosten ist der Zusatzaufwand nicht zu bewältigen. Hinzu kommt oftmals noch der Unmut von einigen Mitarbeitern, die sich über die Umgewöhnung an ein anderes System beschweren.Natürlich sind dies in der Regel vorübergehende Umstände, trotzdem erfordern sie Motivationsgespräche und binden Zeit (Geld).Bis zur vollständigen Abwicklung des Tausches eines Betriebes mit einer Größenordnung von 50.000 m² vergehen mindestens 1,5 Jahre, bei einem hohen Anteil von 100er Rüstung auch länger. Auch dieser Fakt sollte in der Gesamtbetrachtung nicht außer Acht gelassen werden.Zusammengefasst kennt der Autor nur einen (!) Gerüstbauer, der noch einmal einen Tausch durchführen würde, alle anderen haben zu verstehen gegeben, dass sie dieses Vorhaben sicher nicht noch einmal praktizieren würden. Der finanzielle und praktische Aufwand wurde im Vorfeld allgemein unterschätzt. Diese ehrlichen Bewertungen sind sehr bemerkenswert, da die Gerüstbaubetriebe sich damit einen Fehler eingestehen, was bei Unternehmern – und besonders aus menschlicher Sicht – eher ungewöhnlich ist.Zum Abschluss noch der Hinweis, dass das Gebrauchtmaterial auch kurzfristig wieder in den Markt fließen und somit den Mitbewerbern Gelegenheit zu einem günstigen Materialeinkauf gegeben wird. Dies wird sich in der Kalkulation (der Quadratmeterpreise) dieser Betriebe wiederfinden. Auch dieser Umstand basiert auf Erfahrungswerten.Also: Vorsicht Falle!? Sicher nicht in jedem Fall. Aber die Empfehlung kann nur lauten: individuell im Vorfeld detailliert prüfen, welche finanziellen Belastungen aus einem Tausch erwachsen und den praktischen Abwicklungsaufwand nicht zu unterschätzen.

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