Wahlforderungen vorgestellt

Verband fordert Neustart in der Baupolitik

Zum Wohnungsbaugipfel in Berlin stellte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe einen "Wahlcheck Baugewerbe 2025" genannten Forderungskatalog vor. ZDB-Präsident Wolfgang Schubert-Raab und ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa sprachen mit ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga über die Hintergründe des Papiers und die aktuellen Herausforderungen im Baugewerbe.
Fachkräftesicherung
Felix Pakleppa (Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), l.) und Wolfgang Schubert-Raab (Präsident ZDB), stellten jüngst in Berlin die Forderungen des Verbands an die Politik für das kommende Jahr vor. Foto: Kai-Werner Fajga

ABZ: Herr Schubert-Raab, der ZDB vertritt in Deutschland 35.000 Bauunternehmen. Wie würden Sie die aktuelle Lage ihrer Mitgliedunternehmen und des Baugewerbes skizzieren?

Schubert-Raab: Wir stehen aktuell vor einer heterogenen Verbands- und Unternehmenslandschaft. Wir sehen ernsthafte Probleme im Wohnungsbau, und was uns Sorgen macht, ist, dass die Firmen, die im Wohnungsbau zu wenig zu tun hatten, bisher in den Wirtschaftsbau ausgewichen sind. Doch auch der Wirtschaftsbau lässt seit diesem Jahr deutlich nach. Nehmen Sie die Stichworte VW oder Thyssen in diesem Zusammenhang, die bauen Arbeitsplätze ab.

Das sind keine positiven Standortentscheidungen für den Standort Deutschland, denn das bedeutet eben auch, dass natürlich hier keine neuen Büros und keine neuen Fabriken gebaut werden. Unternehmen, die im Wohnungsbau tätig sind, haben es im Moment sehr schwer – das muss man ganz klar sehen. Von den jährlich angestrebten 400.000 Wohneinheiten wird Deutschland weit entfernt bleiben. Wir erwarten für 2024 250.000 bis 255.000 Fertigstellungen – einen deutlichen Rückgang gegenüber 294 400 Wohneinheiten im Jahr 2023. Die Rahmenbedingungen – stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten – bleiben ungünstig.

Es gibt natürlich auch einzelne Bereiche im Baugewerbe, die gut laufen, wenn sie zum Beispiel im Bereich Energieinfrastruktur arbeiten – also etwa Stromtrassen verlegen. Insgesamt sind die Geschäftserwartungen unserer Unternehmen für 2025 verhalten. Es zeichnet sich eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau ab. Die Unternehmen blicken nicht mehr tiefer ins Tal der Krise, sondern orientieren sich zunehmend entlang der Talsohle. 2025 dürfte das fünfte Jahr in Folge mit realen Umsatzverlusten sein: Die Umsätze werden bei einer Preisentwicklung um 2,5 Prozent um real 2,5 Prozent sinken

ABZ: Gibt es bezüglich Firmeninsolvenzen und Geschäftsaufgaben belastbares Zahlenmaterial?

Pakleppa: Nein, das können wir im Moment noch nicht sagen. Wir haben jetzt 28 Monate Rückgang bei den Baugenehmigungen mit dem Stand vom September 2024 –gegenüber 2022 ist das ein Rückgang von mehr als 40 Prozent. Und das trifft besonders schlimm den ländlichen Bereich im Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern, wo viele kleinere Wohnungsbauunternehmen tätig sind. Es ist richtig, dass wir ein Plus bei der Insolvenzquote von 17 Prozent haben. Das ist aber immer noch ein relativ niedriges Niveau.

Wir haben eher den Eindruck, dass es momentan weniger in Richtung Insolvenz, sondern eher in Richtung geordneter Rückzug vom Markt geht. Mitgliedsunternehmen sagen beispielsweise, dass sie sich die Durststrecke, die jetzt kommt, nicht mehr antun wollen. Unternehmer im Alter von 61, 62 Jahren sagen uns, dass sie lieber jetzt aufhören, als mit 65 oder 67 Jahren. Was natürlich auch oft damit zusammenhängt, dass keine Nachfolger mehr gefunden werden können.

ABZ: Der ZDB hatte kurz vor dem Wohnungsbaugipfel, der in diesen Tagen in Berlin stattfand, einen "Wahlcheck Baugewerbe 2025" genannten Forderungskatalog vorgelegt, also mitten in der Zeit, wo sich die aktuelle Regierung in Berlin quasi auflöst. Was ist der Hintergrund für dieses Paper?

Schubert-Raab: Die Parteien arbeiten bereits an ihren Wahlprogrammen und wir sehen, dass aktuell im Dezember in allen Parteizentralen an Konzepten gefeilt wird. Ab Januar werden diese Wahlprogramme verabschiedet. Das bedeutet, ab Januar werden innerhalb von vier Wochen alle Parteien ihre Wahlparteitage haben. Von daher war es jetzt wichtig, unsere Forderungen und unsere Rezepte vorzulegen, wie es sowohl im Wohnungsbau als auch im Infrastrukturausbau wieder besser werden kann. Es ist uns wichtig, dass das noch einfließt in die Wahlprogramme der Parteien.

ABZ: Jüngst fand der Wohnungsbaugipfel in Berlin statt, Bundeskanzler Scholz hatte die Leitung kurzfristig an Bundesbauministerin Klara Geywitz abgegeben. Wie bewerten Sie das Vorgehen?

Pakleppa: Bundeskanzler Scholz hatte ursprünglich geplant, dass man noch mal eine Art Schlussspurt in dieser Legislaturperiode setzen wolle. Damals hatte man allerdings das reguläre Ende der Legislaturperiode im Sinn, also September 2025. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen hat sich das nun erledigt. Natürlich hätten wir gerne nochmal mit dem Bundeskanzler über die Situation im Wohnungsbau gesprochen. Daraus wurde dann ein Termin mit der Bauministerin, in dem wir Bilanz gezogen haben – aber man muss auch positiv bewerten, dass wir erst wieder seit dieser Legislaturperiode überhaupt ein Bauministerium als Ansprechpartner haben.

ABZ: Wenn Sie zurückblicken auf die Arbeit des Bundesbauministeriums in der aktuellen Legislaturperiode, wie würden Sie das zusammenfassen?

Schubert-Raab: Es ist gut, dass wir ein Bauministerium haben, aber es könnte besser bzw. stärker aufgestellt sein. Das Bauministerium war nur für den Neubau zuständig, hatte aber nicht die Kompetenz für die energetischen Anforderungen. Es fehlte die Kompetenz für die Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch die Zuständigkeit im Bereich Sanierung. All diese Bereiche müssen in einem Haus gebündelt werden, wenn ein Ministerium effizient arbeiten soll. Das Wirtschaftsministerium hat Anforderungen in den letzten Jahren verschärft und Förderungen gestrichen. Das Bauministerium musste dann dafür den Kopf hinhalten, dass keine 400.000 Wohnungen gebaut werden konnten. Diese Konstellation war nicht gut.

Wir wollen in jedem Fall ein Bauministerium behalten, aber es muss für Neubau und Sanierung zuständig sein und es muss Kompetenzen für die Förderprogramme der KfW aus dem Wirtschaftsministerium erhalten. Und ich stelle mir auch vor, dass das Bundesbauministerium zum Beispiel für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zuständig sein sollte, so dass sie über einen Gebäudebestand verfügen und über die Bundesanstalt auch eigene Einnahmen generieren können – die unter Umständen in ein Förderprogramm gesteckt werden könnten.

ABZ: Wie würden Sie die Ergebnisse des Wohnungsbaugipfels zusammenfassen?

Pakleppa: Wenn wir auf das Gipfeltreffen des Bündnisses für Wohnungsbau schauen, also quasi die letzte Spitzenrunde mit der Ministerin, muss man zwei Dinge festhalten – die 400.000 Wohnungen sind nicht erreicht worden und wir haben auch nicht mehr bezahlbaren Wohnraum. Das hat aus unserer Sicht mehrere Ursachen: die deutlich gestiegenen Immobilienzinsen und natürlich die auch immer noch kriegsbedingten hohen Materialpreise. Es gab einen Kostenschock bei importierten Produkten, zum Beispiel bei kohle- oder erdölbasierten Produkten aus Asien und bei Zulieferteilen. Außerdem sind die Kosten für Energie deutlich teurer geworden.

Die Kombination aus den gestiegenen Immobilienzinsen, den Materialpreisen und der Entscheidung der Bundesregierung, die Neubauförderung zu streichen, war zu viel für den Wohnungsmarkt. Der Markt ist ins Straucheln geraten und die Maßnahmen des Bauministeriums haben nicht gereicht, das auszugleichen. Das Thema AfA ist zu spät gekommen. Die Förderprogramme Jung kauft Alt oder Gewerbe zu Wohnraum sind erst jetzt, in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres aufgelegt worden, also im Grunde genommen zum Ende der Legislaturperiode. Das war leider zu spät.

Aber ein paar Dinge waren auch positiv an diesem Bündnis und an dem Gipfel. Wir haben über den Gebäudetyp E, also über das einfache Bauen gesprochen. Wir haben die degressive AfA zumindest angeschoben. Nicht zuletzt haben wir ein eigenes Bauministerium und dieser Gipfel hat das Bewusstsein für die Branche, für das Bauen geschärft.

ABZ: Die nicht erreichten 400.000 Wohnungen als Zielmarke hatten Sie gerade erwähnt, letztlich wurden rund 295.000 Wohnungen in 2023 gebaut. Welche Zahl an neu zu bauenden Wohnungen halten Sie für 2025 und danach für realistisch?

Schubert-Raab: Das Jahr 2025 ist im Grunde genommen schon gelaufen. Man muss bedenken, dass wir einen Vorlauf von 22 Monaten im Baugewerbe haben – von der Beantragung der Baugenehmigung bis zur Fertigstellung im Ein- und Zweifamilienhausbau. Bei mehreren Geschossen sind wir bei 28 Monaten Vorlaufzeit. Das bedeutet für das Jahr 2025 schon jetzt, dass sich nicht mehr groß was ändern wird. Wir gehen davon aus, dass im nächsten Jahr circa 220.000 Wohnungen gebaut werden.

Die Reichweite der Auftragsbestände hat sich allerdings stabilisiert und liegt im September 2024 bei gut fünf Monaten. Dies deutet darauf hin, dass die Talsohle der Nachfrage im Wohnungsbau erreicht ist. Für 2024/2025 wird mit weiteren realen Umsatzrückgängen im Wohnungsbau von 14 Prozent 2024 und 7 Prozent im Jahr 2025 gerechnet.

ABZ: Also nochmal ein deutlicher Rückgang im Wohnungsbau. Kommen wir zum Bereich Infrastruktur. Herr Schubert-Raab, Sie haben festgehalten, dass erhebliche Mittel notwendig sind, um Brücken instand zu setzen und die Infrastruktur instand zu halten. Wo sehen Sie die Hauptprobleme im Bereich Infrastruktur und wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Schubert-Raab: Das Erste, was wir brauchen, ist Verlässlichkeit und Planbarkeit. Wir diskutieren immer wieder darüber, ob es mal eine Milliarde Euro mehr gibt oder eine Milliarde weniger. Das ist aber nicht der Knackpunkt. Die Mittel müssen verlässlich vorhanden sein. Die Autobahn GmbH ist für 4000 Brücken zuständig, die sanierungsbedürftig sind, bei der Bahn gibt es eine ähnliche Anzahl sanierungsbedürftiger Brücken.

Um diese Aufgaben stemmen zu können, muss eine Verlässlichkeit in der Finanzierung geschaffen werden. Die Auftraggeber müssen wissen, mit wie viel Geld sie rechnen können, mit wie viel sie planen können. Erst dann wissen auch die Firmen, die in diesen Bereichen tätig sind, wieviel sie in Personal und in Maschinen investieren können. Wir haben jetzt wieder vorläufige Haushaltsführung.

Im letzten Jahr war die Situation ähnlich unsicher, als das Bundesverfassungsgericht die Sondervermögen für verfassungswidrig erklärt hat. Da ist insgesamt zu viel Unruhe drin. Deswegen brauchen wir eine verlässliche Finanzierung in Jahresscheiben, unabhängig vom jeweiligen Bundeshaushalt. Nur dann haben auch Unternehmen Luft zum Atmen für überjährige Finanzierungen.

ABZ: Welche Form der Finanzierung stellen Sie sich vor?

Pakleppa: Tatsächlich über eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung der Autobahn GmbH, indem man der Autobahn GmbH einen geschlossenen eigenen Finanzierungskreislauf gibt. Es müsste beispielsweise festgelegt werden, dass Mauteinnahmen komplett der Autobahn GmbH zugutekommen. Das Stichwort lautet: Straße finanziert Straße. Man kann dabei auch mit Verkehrsprognosen arbeiten und ungefähr abschätzen, was an Mitteln kommt. Auf dieser Basis lässt sich dann auch länger jährlich planen und man ist eben nicht von den Haushaltsberatungen von Jahr zu Jahr abhängig.

ABZ: Wesentliche Themen der Branche lauten noch immer Digitalisierung und Fachkräftemangel. Welchen Stellenwert räumt der Verband diesen Themen ein?

Pakleppa: Wir werden allein aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft weniger Fachkräfte haben. Gleichzeitig müssen wir mehr bauen, denn die Bedarfe sind riesig. Die Digitalisierung, der Einsatz von KI und Robotik werden einfach notwendig sein, um diesen Bedarf mit ggf. weniger Personal zu schaffen. Das heißt aber nicht, dass die Anforderungen an das Bauen einfacher werden. Das heißt auch nicht, dass wir beim Thema Fachkräftesicherung nachlassen dürfen.

Ganz im Gegenteil. Wir brauchen dringend den Nachwuchs, um die riesigen Baubedarfe stemmen zu können. Das Thema Ausbildung in der Bauwirtschaft muss nach oben auf die Prioritätenliste. Die baugewerblichen Unternehmen sind beim Thema Ausbildung übrigens immer noch unschlagbar. Rund 80 Prozent der Branchenlehrlinge werden in den baugewerblichen Unternehmen ausgebildet.

ABZ: Der Bereich überbordende Bürokratie macht der Bauwirtschaft seit Jahren zu schaffen. Es folgten in dieser Legislaturperiode einige Entbürokratisierungs-Gesetze in verschiedenen Abstufungen. Wie bewerten Sie diese Maßnahmen?

Schubert-Raab: Wir würden es natürlich sehr begrüßen, wenn es gelänge, die bürokratischen Anforderungen auf ein erträgliches Maß herunterzufahren. Wir sind jetzt beim vierten Bürokratieentlastungsgesetz in einer Legislaturperiode angelangt, aber die Betriebe spüren keine Entlastung in der Praxis. Denn wenn ein Ministerium Bürokratie abbaut, baut das nächste sie wieder auf oder es kommt die nächste Bürokratielawine aus der EU.

Wir haben in dieser Legislaturperiode gleichzeitig das nationale Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz und ein europäisches Lieferkettengesetz bekommen. Wir haben uns jüngst die Entwaldungsrichtlinie eingefangen und einige neue Vorschriften. Das heißt, das, was abgebaut wurde, ist weniger als das, was neu dazugekommen ist. Und die Unternehmerinnen und Unternehmer sagen mir mittlerweile, dass sie eineinhalb Tage in der Woche nur noch mit Bürokratie beschäftigt sind, mit Dokumentations- und Berichtspflichten. Dann kommt noch die EU-Taxonomie nächstes Jahr dazu. Die wird ja erst ab 2025 scharf geschaltet, bedeutet aber eine neue riesige bürokratische Verpflichtung auch gegenüber den Banken, um noch in einem vernünftigen Kreditranking zu bleiben.

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