Wie Baumaschinenhersteller mit der Corona-Krise umgehen

„Die Produktion ist schon jetzt nachhaltig gestört“

Coronavirus Baumaschinen
Joachim Schmid (Mitte) ist Geschäftsführer des Fachverbandes Baumaschinen und Baustoffanlagen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA). Foto: VDMA

Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus gerät die Produktion bei vielen Industrieherstellern derzeit ins Stocken oder wird gar komplett lahmgelegt. Über die Situation der Hersteller von Baumaschinen in der derzeitigen Corona-Krise sprach Joachim Schmid, Geschäftsführer des Fachverbandes Baumaschinen und Baustoffanlagen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), im Interview mit ABZ-Redakteurin Sonja Weiße. Um den Herstellern zu helfen, sollten die Fristen der Abgasrichtlinie für Übergangsmaschinen ausgesetzt werden, fordert der Verband. ABZ: Was bedeutet die Ausbreitung des Corona-Virus und die damit verbundenen Einschränkungen für die Hersteller von Baumaschinen und ihre wirtschaftliche Situation?Schmid: Die Produktion ist schon jetzt nachhaltig gestört. Es gibt Firmen, die zugemacht haben, teilweise für zwei Wochen, teilweise auch bis auf weiteres. Und das wird die nächsten Tage nicht besser werden. In Gesprächen, die ich geführt habe, befürchteten Hersteller von 20 bis hin zu 50 oder sogar 60 Prozent weniger Jahresumsatz. Auch wenn das nur Einzelmeinungen sind – man kann auf jeden Fall schon jetzt sagen, dass die Einbußen signifikant sein werden. Aber ich will keine Schwarzmalerei betreiben. Die Auswirkungen werden sich erst noch herauskristallisieren. Wir beobachten jetzt die Thematik. ABZ: Warum machen die Firmen zu? Sind Unterbrechungen der Lieferketten der Grund?Schmid: Nein, unterbrochene Lieferketten sind im Moment gar nicht das größte Problem. Den Unternehmen geht es in erster Linie darum, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen.ABZ: Sind auch Entlassungen zu befürchten?Schmid: Nein, mit Sicherheit nicht. Ich habe noch keine Stimme gehört, die ein Untergangsszenario an die Wand gemalt hat. Die Baubranche ist ja in überhaupt keiner strukturellen Krise! Teilweise verordnen die Firmen Betriebsurlaub, teilweise bauen die Mitarbeiter ihre Überstundenkonten ab. Da gibt es alle Schattierungen. ABZ: Wie lange können die Firmen eine solche Situation durchhalten?Schmid: Ich denke, zwei Monate sind zu schaffen. Vielleicht auch noch ein dritter Monat, dann aber nur mit Unterstützung.ABZ: Wie sollte der Staat den Unternehmen helfen?Schmid: Es sind schnelle und großzügige Regeln gefordert, damit die Liquidität nicht zusammenbricht, die Unternehmen die Rechnungen bezahlen können und kein Konkurs angemeldet werden muss. Hilfreich ist zum Beispiel die Möglichkeit der Kurzarbeit, Überbrückungsgelder und auch Kredite, und zwar im Idealfall zinslos. Der Warenverkehr ist ebenfalls ein großes Thema. Der Grenzverkehr muss möglichst schnell wieder fließen. Die Grenzen dürfen nur für Urlauber geschlossen sein, nicht für Pendler oder Waren. Aber das ist der Politik auch klar, denke ich. ABZ: Gibt es auch spezielle Forderungen der Baumaschinenhersteller?Schmid: In der Abgasrichtlinie sind wir aktuell bei Stufe V angekommen. Es gilt aber, dass Motoren der Vorgängerstufe, die sich schon beim Maschinenhersteller befinden, bis Ende Juni 2020 eingebaut werden dürfen. Solche Maschinen müssen dann bis Ende 2020 in Verkehr gebracht sein. Das werden unsere Mitglieder nicht schaffen. Entsprechend haben wir die Forderung bei der Politik platziert, diese zwei Fristen auszusetzen.ABZ: Wie lange soll es dann möglich sein, diese Übergangsmaschinen zu bauen und in Verkehr zu bringen?Schmid: Wir haben keine konkrete Zeit genannt, wir fordern zunächst einmal die Aussetzung dieser Fristen und hoffen auf ein schnelles Entgegenkommen der Politik. Normalerweise kann so etwas schon einmal neun Monate dauern. Ich hoffe aber, die Politik ist darauf eingerichtet, nun auch einmal schneller und auf kürzeren Dienstwegen zu entscheiden.ABZ: Das Virus breitet sich in sehr viele Ländern der Welt aus. Welche Länder sind für die deutschen Hersteller am problematischsten, wo sind die wirtschaftlichen Verflechtungen am größten?Schmid: Es ist von Firma zu Firma ganz unterschiedlich, aus welchen Ländern sie Teile beziehen. Oft haben Zulieferer ihren Sitz in anderen europäischen Ländern, hauptsächlich EU-Ländern. Wenn deutsche Hersteller derzeit signifikante Probleme in der Zulieferung von Teilen haben, dann sind es Teile, die in Italien hergestellt werden.ABZ: Was passiert, wenn die Zuliefererfirmen auf längere Zeit ausfallen oder die Krise gar nicht überstehen?Schmid: Schlimmstenfalls müsste ein anderes Unternehmen das Teil liefern. Es ist selten, dass Hersteller von einem einzigen Zulieferer abhängig sind.ABZ: Und wie ist es von der Nachfrage her, in welchen Ländern wäre eine Krise diesbezüglich am Gefährlichsten?Schmid: In Bezug auf den Markt sind natürlich die Wirtschaftsgroßmächte China und USA ein großes Thema und sehr wichtig für unsere Mitglieder.ABZ: In Österreich stehen derzeit Baustellen still. Welche Auswirkungen hätte es, wenn dies auch in anderen Ländern passiert?Schmid: Das hängt stark davon ab, wie lange ein solcher Stillstand anhält und wie tief der Einschnitt ist. Irgendwann wird auf den Baustellen weiter gearbeitet werden. Aber wenn die Kunden der Hersteller starke finanzielle Einbußen erleiden, werden sie sich weniger schnell einen neuen Bagger kaufen können und wollen.ABZ: Mit welchen Fragen wenden sich Ihre Mitglieder zur Zeit an den Verband?Schmid: Ihnen geht es darum, die Lage einschätzen zu können, auch bezüglich der Organisation der Firma. Was darf ich noch, was kann ich tun und was soll ich tun? Es ist ein großer Informationsbedarf da. Das sind nicht unbedingt baumaschinenspezifische Themen, solche Fragen beschäftigen alle Mitglieder des VDMA. ABZ: Wie helfen Sie Ihren Mitgliedern?Schmid: Unter anderem haben wir aktuelle Informationen in einem Mitgliederbereich auf unserer Internetseite zusammengetragen, zum Beispiel dazu, wie Unternehmen einen Notfallplan erstellen. Dort informieren wir auch zu vielen rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und versicherungstechnischen Themen. Es geht unter anderem um Arbeitsrecht, Steuerrecht und Vertragsrecht. Zum Beispiel behandeln wir die Frage, ob das neuartige Coronavirus ein Fall höherer Gewalt ist. Der Kollege von der IT hat gesagt, diese Seite ist der absolute Renner. Es wird sehr oft drauf zugegriffen.ABZ: Wie können Hersteller verhindern, dass sich ihre Mitarbeiter auf der Arbeit anstecken, abgesehen von den Schließungen?Schmid: Es gibt Hersteller, die zusätzliche Schichten mit weniger Leuten fahren, damit die Mitarbeiten einen größeren Abstand einhalten können. Von den Mitarbeitern in der Verwaltung arbeiten viele im Home-Office. ABZ: Wie geht der VDMA mit der Ansteckungsgefahr um?Schmid: Ich selber bin derzeit in Quarantäne, denn ich war auf der Conexpo in Las Vegas und bin über Los Angeles zurückgereist. Dieses Gebiet ist vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingeordnet worden. Auch sonst arbeiten derzeit beim VDMA die meisten Mitarbeiter derzeit von zu Hause aus. Es wird in jeder Bürostelle eine Notbesetzung organisiert, damit sie sich um die Post kümmern kann, die nicht elektronisch reinkommt. Besprechungen halten wir per Video-Konferenz ab. Kürzlich hatten wir zum ersten Mal eine Besprechung mit 40 Teilnehmern. Das war ein Stresstest für unsere IT, hat aber überraschend gut geklappt und war effizient. Es war gar kein großer Abstrich im Vergleich zu einem persönlichen Treffen. Die Konferenz muss nur sauber moderiert werden und alle müssen sich an die Tagesordnung halten.ABZ: Gibt es eigentlich auch Hersteller, die die Einschränkungen übertrieben finden, die die Politik beschlossen hat?Schmid: Nein, solche Stimmen habe ich nicht eine gehört. Jedem, mit dem ich gesprochen habe, ist es bewusst, wie kritisch die Lage ist. Ganz im Gegenteil: Die Firmen waren teilweise schneller als die Politik! Die haben gesagt, wir können und wollen nur das tun, was wir auch verantworten können. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, im Extremfall bis hin zur Schließung. Die Gesundheit der Leute muss geschützt werden!

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