Wohnen mit Aussicht

Kommen Hochhäuser wieder in Mode?

von: Susanne Kupke
Hochhäuser
Hochhäuser, wie hier in der Hochhaussiedlung Asemwald in Stuttgart, schienen lange Zeit aus der Mode. Im Zuge des Wohnraummangels könnten sie nun wieder eine praktikable Lösung sein. Fotos: Sebastian Gollnow

Karlsruhe/Stuttgart. – Wohnraum dringend gesucht! Doch woher nehmen, wenn kein Platz ist? Karlsruhe denkt über Hochhäuser nach. Die sind auch andernorts wieder angesagt. Ein Rezept gegen Wohnungsnot sind sie allerdings nicht. Für die einen sind sie Mahnmale alter Bausünden, für die anderen sind sie trendy. Für Werner Pohl, Bewohner im Hochhaus-Komplex Stuttgart-Asemwald, sind sie einfach eine gute Art zu wohnen: Hochhäuser. Eine Weile schienen sie out zu sein. Nun könnten sie neu entdeckt werden. Angesichts von Wohnungsnot und einem Mangel an Bauflächen suchen Städte Wege der "Nachverdichtung". Weil nicht jedes Gebäude aufgestockt werden kann und freie Flächen rar sind, dürfen aus Sicht von Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) auch neue Hochhäuser kein Tabu sein. "Denkbar sind sie prinzipiell überall außerhalb der als schützenwürdig erachteten Stadtstruktur", sagt Stadtsprecher Bernd Wnuck. Ein Schweizer Planungsbüro erarbeitet derzeit ein Konzept, das bis Ende 2019 geeignete Flächen identifizieren soll.In ganz Deutschland setzen Großstädte seit einigen Jahren wieder auf neue Wohnhochhäuser. So hat Bremen seinen 70 m hohen Landmark-Tower, Hamburg den 17-stöckigen Marco-Polo-Tower, Frankfurt den 40-geschossigen Henninger Turm, und Architekt Ole Scheeren will dort den Union-Investment-Turm zum Wohnhaus machen. Der Stararchitekt plante u. a. in Singapur "The Interface". Der Wohnkomplex mit mehr als 1000 Apartments in 31 übereinander gestapelten und verschachtelten Gebäudeblöcken wurde 2014 als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum ausgezeichnet.Als Patentlösung gegen die Wohnungsnot sieht Markus Neppl, der Leiter des Fachgebiets für Stadtquartiersplanung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Hochhäuser allerdings nicht. "Wohnen in Hochhäusern ist heute eher ein teures Wohnen." Statik, Brandschutz, Klima-, Sicherheits- oder Aufzugstechnik trieben bei Hochhäusern die Kosten in die Höhe. Das gelte auch für die Infrastruktur und die Stellplätze. Zudem müssten aufgrund der Verschattung entsprechend große Abstandsflächen gewahrt werden. Der Architekt kennt so gut wie keine aktuellen Beispiele von kostengünstig gebauten Hochhäusern, die bezahlbaren Wohnraum in den benötigten Größenordnungen schaffen können.

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Bei vielen gelten Hochhäuser als unästhetischer Massenwohnraum mit maximaler Anonymität, andere schätzen sie als ökonomische und ökologische Art zu wohnen mit einmaliger Weitsicht.

Speziell in Karlsruhe gelten statisch besondere Anforderungen: Die Stadt liegt im Oberrheingraben. Das bedeutet: Die Planung muss Maßnahmen für die Erdbebensicherheit berücksichtigen. Doch auch sonst sind Hochhäuser herausfordernd. So ruhten nach der Pleite des früheren Gewa-Tower-Investors in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) die Bauarbeiten am geplanten dritthöchsten Wohngebäude Deutschlands knapp zwei Jahre. Inzwischen baut ein neuer Investor das 107 m hohe Haus unter dem Namen Schwabenland-Tower weiter – mit kleineren Wohneinheiten als ursprünglich geplant.Bekommt nun auch Karlsruhe demnächst einen modernen Wohnturm? Architekturprofessor Neppl würde das begrüßen: "Innovative und mutige Gebäude würden Karlsruhe gut tun."Gerhard Mauch, Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg, kann sich neue Hochhäuser "im Einzelfall" in größeren Städten vorstellen. Es müsse ins Stadtbild passen. Aus Sicht von KIT-Städteforscher Neppl könnte dies auch in Mannheim der Fall sein. Direkt in Stuttgart sei es klimatisch schwierig, eine Stadt wie Freiburg habe eher ein anderes Selbstverständnis. Hochhäuser müssen auch sozial verträglich sein: Bei Anonymität, einseitigen Strukturen und überforderten Nachbarschaften könne ein Quartier "abstürzen", warnt Städtetagsdezernent Mauch. "Der Normalbürger will in überschaubaren Einheiten wohnen, wo die Anonymität nicht so groß ist."Die richtige Mischung macht's, sagt dazu Städteplaner Neppl. Alle gesellschaftlichen Gruppen, Alte oder Junge, Singles oder Familien, Reiche oder sozial Schwache hätten unterschiedliche Bedürfnisse. Mit pauschalen Lösungen werde man diesen nicht gerecht. "Die Stadt aber grundsätzlich auch vertikal weiterzudenken, darf kein Tabu sein", sagt der Experte. "Aber bitte differenziert und mit Augenmaß."So wie in Stuttgart-Asemwald. Mehr als 1100 Wohnungen gibt es hier in drei Wohnblocks mit bis zu 23 Stockwerken. "Das brachiale Äußere schreckt manchen ab", sagt Bewohner Pohl. Familien etwa, die vom Häuschen im Grünen träumen. Doch Ältere und Singles schätzen die Infrastruktur mit Rund-Um-Hausmeister-Service. Mit Rollator lässt es sich hier genauso gut leben wie mit Rollstuhl, weiß Pohl, der seit einem Sportunfall auf Barrierefreiheit angewiesen ist. Für den Journalisten ist es eine ökonomische und ökologische Art zu wohnen. Anonym sei der Asemwald nicht: "Wir haben hier ein ausgeprägtes Wir-Gefühl."Gut aufgehoben fühlt sich auch Matthias Gaebler, "Ureinwohner" in einem Hochhaus in Stuttgart-Fasanenhof. Man kennt sich, das Haus ist gut in Schuss, und was ihn nach vielen Jahren noch immer fasziniert, ist der grandiose Blick aus seiner Wohnung im 20. Stock. "Licht, Luft und Sonne" – das war es, was der französisch-schweizerische Architekt Le Corbusier in den 1920er-Jahren propagierte. Als Vision für die moderne Stadt der Zukunft.

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