Bauaussichten 2023

Wohnungsbau – Quo vadis

Von Dr. Ronald Rast, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM)
Bauaussichten
Foto: DGfM

Wie hat sich das in der Deutschen Mauerwerksindustrie reflektiert? Aus allen vier Mauersteinsorten, also aus Ziegeln, Kalksand-, Porenbeton- und Leichtbetonsteinen, werden immerhin 70 Prozent aller Wohnungen in Deutschland gebaut. Etwas verwunderlich ist dabei, dass in den Medien und von der Politik immer nur über Holz und Beton gesprochen wird, obwohl mehr als zwei Drittel aller Wohngebäude überwiegend mit Mauersteinen errichtet werden! Durch den hohen Marktanteil ist die Absatzentwicklung bei Mauersteinen dann auch so etwas wie ein Seismograph für den Wohnungsbau. Das 1. Quartal 2022 verlief weitgehend unberührt durch den am Ende des 1. Quartals ausbrechenden Ukraine-Krieg. Weil die Witterung deutlich milder war, als im Vorjahr, lag das 1. Quartal noch zweistellig über Vorjahr.

Doch bereits im 2. Quartal 2022 wechselte nicht nur das Krisenszenario, sondern auch die Stimmung am Bau. Viele Monate bis in das 3. Quartal 2022 hinein war die Stimmung dann zunächst schlechter, als die reale Geschäftslage. Denn nach wie vor lebt die Wohnungsbaukonjunktur im laufenden Jahr neben neu genehmigten Projekten von einem Riesen-Bauüberhang, der zum Jahreswechsel 2021 zu 2022 bei nahezu 840.000 bereits genehmigten, aber nicht fertig gestellten Wohnungseinheiten lag. Insbesondere die institutionellen Bauherren, die vorrangig im mehr-geschossigen Wohnungsbau größere Objekte begonnen hatten, wollten und wollen diese Objekte unbedingt noch zu Ende führen. Daher lag die Nachfrage nach Mauersteinen bis weit in das 3. Quartal 2022 noch annähernd auf Vorjahresniveau und wird wahrscheinlich erst im Verlauf des 4. Quartals 2022 die Vorjahreswerte auch kumuliert unterschreiten. Aber einen regelrechten Einbruch der Wohnungsbaufertigstellungen im Jahr 2022 erwarten wir noch nicht.

Anders sieht das mit dem Blick voraus aus! Seit Jahresmitte 2022 brechen die Baugenehmigungen ein. Zuerst waren die privaten Bauherren betroffen. In der Schere von einerseits ansteigenden Lebenshaltungskosten und andererseits steigenden Bau- und Zins-kosten mussten Viele ihren Traum vom Eigenheim schon zurückstellen oder gar begraben. Bereits per September lagen die Baugenehmigungen in diesem Bereich 16 Prozent unter Vorjahr. Das ist ein klares Signal für das neue Geschäftsjahr 2023 in diesem Bereich. Nun ziehen auch langsam die Baugenehmigungen für mehrgeschossige und größere Wohnungsbauobjekte nach und scheinen von Monat zu Monat weiter unter Vorjahr zurück zu fallen. Viele Experten gehen davon aus, dass der Bauüberhang auch noch im 1. Halbjahr 2023 eine gewisse stabilisierende Wirkung, insbesondere bei der Fertigstellung größerer Bauvorhaben oder Bauprojekte, haben kann, aber alle sind sich praktisch einig, dass ein rasanter Abschwung spätestens im zweiten Halbjahr 2023 beginnt. Kumuliert wird das Geschäftsjahr 2023 bei den Wohnungsbaufertigstellungen im deutlichen zweistelligen Bereich unter Vorjahr liegen. Und wenn die Politik handwerklich weiter einen Fehler nach dem anderen macht und die drastischen Signale aus dem Bereich der öffentlichen, institutionellen und privaten Bauherren überhört, wird es ein ganz böses Erwachen geben.

Sollte die Baukonjunktur im Geschäftsjahr 2023 in eine scharfe Rezession übergehen, wird den Unternehmen entlang der Prozesskette Bau nichts anderes übrigbleiben, als mit Kurzarbeit, Entlassungen und Investitionszurückhaltung zu reagieren. Aber dann steht sofort das Schreckgespenst des sogenannten "Gastronomieeffekts" im Raum. Müssen Fachkräfte entlang der Prozesskette Bau durch eine Rezession freigesetzt werden, besteht wie bei der Gastronomie in Folge von Corona die Gefahr, dass diese Fachkräfte in andere Wirtschaftszweige abwandern und nicht zurückkommen. Das wäre dann für die Zukunft die eigentliche Katastrophe. Denn an der Bedarfsorientierung von 400.000 Wohnungsneubauten pro Jahr hat sich nichts geändert. Ganz im Gegenteil – die Einwanderungen in Folge des Ukraine-Krieges sind bereits dabei, die unglaublichen Zahlen aus dem Jahr 2015 zu überschreiten. Und die durch den Krieg außer Landes getriebenen Flüchtlinge werden erfahrungsgemäß nicht sofort in ihre Länder zurückkehren, wenn es gelingt, den Krieg zu beenden. Und wer soll dann die zukünftigen Bauvorhaben lösen, die uns der Klimawandel aufdiktiert. Egal ob Neubau oder Sanierung – ohne Fachkräfte läuft gar nichts!

Deshalb muss die Politik auch mit Blick auf den Wohnungsbau – um in der Kanzlersprache zu bleiben – am besten mit einem Doppel-Wumms zum Jahresbeginn reagieren. Das könnte ein Mix aus einem stattlich zweistelligen Sondervermögen in Milliardenhöhe zur Förderung des Wohnungsbaus, gepaart mit einem pragmatischen Paket für Superabschreibungen sein! Anders ist wohl pro Wohnungsbau eine Entwicklung in eine extreme Baurezession mit allen Langfristfolgen nicht mehr zu verhindern.

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Verbände und Experten

Ausblick – Baujahr 2023

Nachdem das Jahr 2021 die Branche mit der Pandemie und Lieferkettenproblemen bereits vor Herausforderungen gestellt hatte, bedeutete der Beginne des Ukraine- Kriegs im Februar 2022 eine Zäsur, die bis heute fortwirkt. Energieknappheit, Preisexplosionen, Klimaschutzvorgeben und ein Rückgang der Nachfrage im Wohnungsbau stellten neue Aufgaben und verunsicherten Unternehmen und Manager.

Der erfolgreiche Verlauf und der bauma 2022 zum Jahresabschluss konnte dagegen den positiven Akzent setzen, auf den viele gehofft hatten und der sich zuvor angedeutet hatte – Baumaschinenhersteller berichteten durch die Bank von übervollen Auftragsbüchern. In den nun folgenden Bauaussichten 2023 spiegelt sich die Ambivalenz der aktuellen Entwicklungen wider: Verbände und Experten sind sich einig, dass die Entwicklung der Bauwirtschaft in diesem Jahr eine Delle verzeichnen wird, Hersteller sehen die Herausforderungen des Marktes und nehmen sie tatkräftig an. Trotz aller Widrigkeiten, zu denen auch der permanente Fachkräftemangel zählt, überwiegt eine positive Grundhaltung und die Gewissheit, dass die Baubranche die vor ihr liegenden Aufgaben als wichtigste Stütze der Wirtschaft schon stemmen wird.

Das Signal, das alle Teilnehmenden der Bauaussichten 2023 in den Markt senden, wird dominiert von Stärke und Kontinuität. Dieser gemeinsame Nenner wirkt wie ein Schulterschluss, der die Branche auszeichnet und der anderen als Vorbild dienen kann.

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