Zukunftskonferenz bei Raab

Unternehmerpaar vertraut auf Ideen der Mitarbeiter

von: Markus Häggberg
Fachtagungen und Kongresse
Eine Familie steht geschlossen hinter dem Konzept der Zukunftskonferenzen mit Mitarbeitern. Gisela Raab (r.) und ihr Mann Wolfgang Schubert-Raab haben initiiert, was Seltenheitswert besitzt und auch bei der Folgegeneration (l.) Beachtung findet. Fotos: Markus Häggberg

Ebensfeld. – Ebensfeld ist eine Marktgemeinde im Norden Bayerns. Aus Sicht der Metropolen ein Irgendwo in der Provinz. Aber hier ist Platz für modernes Denken, würde Gisela Raab einwerfen. Die Geschäftsführerin eines Bauunternehmens ist sich sicher, einer Methode zur Zukunftsbewältigung auf die Spur gekommen zu sein und leistete schon vor mehr als 20 Jahren in einer Frage Pionierarbeit: Wäre es nicht denkbar, dass die eigenen Mitarbeiter Ideen entwickeln, um die Firma im Wettbewerb zu stärken?

Es ist der 16. Januar 2020 und es ist noch nicht 8 Uhr. Gleich wird sie die Dreifachturnhalle betreten, welche die Raab Baugesellschaft von der Marktgemeinde zur Verfügung gestellt bekam. Der Traum, den sie in diesem Moment mit sich trägt, lässt sich in Zahlen fassen: 180. So viele ihrer Mitarbeiter und Angestellten hofft sie hinter der Tür in der Halle anzutreffen, um mit ihnen am Wochenende gemeinsam zu beraten und zu beschließen, wohin überall das Firmenschiff Kurs aufnehmen könnte. In einem Punkt wird sie sich kurz nach Betreten der Halle täuschen: hier kamen heute keine 180 Mitarbeiter, hier kamen mehr. Marktwirtschaft kann freundlich sein.

Zukunftskonferenz – das Kind hat einen Namen. Es ist ein in der Wirtschaft nicht allzu häufig auftauchendes Kind. Tatsächlich macht kaum ein Unternehmen Gebrauch von der Vorstellungskraft all der eigenen Mitarbeiter, die nicht im Marketing sitzen oder nicht BWL studiert haben. Hinzu kommt, dass Unternehmen oft hierarchisch sind – oben wird entschieden und unten ausgeführt, Vertrauen ist gut und Kontrolle ist besser. "So eine Denkweise ist die Verschwendung von Ressourcen", erklärt Gisela Raab. Sie erklärt es im Hinblick auf die Herausforderungen der neuen Zeit, der Wirtschaft, der Zukunft, der Mitarbeitergewinnung. Ressourcen, das sind für sie die Ideen, die Mitarbeiter entwickeln können, die Talente, nach denen sie noch keiner gefragt hat und der Wald, den sie trotz lauter Bäume noch sehen. Eben weil sie auf fremdem Fachgebiet nicht mit Betriebsblindheit geschlagen sind.

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Ein häufig vorkommendes Bild bei der Zukunftskonferenz: Ideen werden zu Papier gebracht, geordnet, sortiert. Dann braucht es wieder neue Unterlagen.

Man hat sich gefunden. An 14 Tischen quer durch die Halle sitzen Männer und Frauen, sie sind Kollegen und in diesen Stunden und Tagen sogar Kollegium. Da sitzt der Techniker vom Hochbau neben dem Baggerfahrer vom Tiefbau, ihnen gegenüber die Kollegin vom Einkauf mit dem Polier vom Brückenbau. Es geht disziplinübergreifend zu. Plötzlich fallen Begriffe, steuern aufeinander zu, docken aneinander an und werden zu einer bisher noch niemandem in den Sinn geratenen Geschäftsüberlegung.

So gerade passiert an Tisch 14, der dem Thema Alleinstellungsmerkmale und Marktlücken vorbehalten ist. An ihm sitzt beispielsweise Wolfgang Weis vom Büro. "Ich habe den Eindruck gehabt, am Tisch sind Ideen entstanden, die zündend sind", sagt er. Von der Zuschauer-empore und aus der Höhe betrachtet, scheint es so, als ob hier auf 14 kleinen Inseln dichtes Gedränge herrscht. Ideen werden aufgeschrieben, ausformuliert und vorgetragen. Es gibt so etwas wie spürbare atmosphärische Dichte und Gesprächskultur, über die von Tischvorständen geachtet wird. Jeder darf ausreden, jeder darf andenken und es gibt Thementische zu den unterschiedlichsten Bereichen. Und irgendwo an einem Tisch sitzen auch Gisela Raab und ihr Mann Wolfgang. Auch sie jetzt eingebettet in Diskussionen und ganz flache Hierarchien, jetzt wahrgenommen vielleicht nur als Erste unter Gleichen. Man hat das Gefühl, die beiden Geschäftsführer genießen auch diesen Umstand irgendwie. Er hat schon Tradition.

Rückblende: Mitte der 90er Jahre gerät Vielleserin Gisela Raab an ein Buch über Menschenführung. "So bin ich damals auf den Begriff Mozartfähigkeit gestoßen", erklärt sie. Der Mann, der diesen Begriff formte, war der Autor Rudolf Mann in "Die neue Führung". Was die Bauingenieurin und Jungunternehmerin in diesem Buch las, trieb sie um. Sie wollte den Autor persönlich kennenlernen und machte sich gemeinsam mit ihrem Mann auf den Weg zu ihm nach Mannheim, um mehr über die Mozartfähigkeiten herauszubekommen. Grob gesagt bedeuten sie, dass man sie bevorzugt bei Menschen vorfindet, die ihrem Tun aus Begeisterung und Freude nachgehen. Oder anders gesagt: Was man liebt, für das entwickelt man Talente und Gespür. Solche Talente vermutete die junge Unternehmerin bei ihren Mitarbeitern, solche Talente erwüchsen aber bevorzugt in einem Klima aus Respekt und Wertschätzung. Und was wäre respektvoller als seinen Mitarbeitern zuzugestehen, dass sie Profis sind, und darum ihre Meinung zu Firmendingen einzuholen? So kam es Ende der 90er zur ersten Zukunftskonferenz bei der Firma, zehn Jahre später berief sie eine weitere ein und nun fand die dritte statt.

"Die Wirtschaft sucht verzweifelt nach Antworten, wie sie mit unserer schnelllebigen Zeit umgehen kann", so Gisela Raab. Sie sieht einerseits Hemmendes an Hierarchien und Bürokratie, andererseits ständig neue Wortschöpfungen wie New Leadership oder Agiles Führen. Dem setzt sie das Vertrauen auf den Ideenreichtum eigener Mitarbeiter entgegen. Das Ergebnis waren Veränderungen. In der vorletzten Zukunftskonferenz haben Mitarbeiter ersonnen, wie man den Umweltschutz verbessern und die Baukrise überstehen kann. Das zahlte sich finanziell aus. Sie kamen auch auf den Trichter, wie man Arbeitsunfälle stark reduziert. Auch das zahlte sich aus. Jetzt haben sie zu 14 Themen wieder die Köpfe angestrengt, ohne Scheuklappe und mit praktikablen Vorschlägen.

"Füreinander Zukunft bauen", hieß das Motto der zweitägigen Mitarbeiterkonferenz. Aber damit man nicht einfach nur sein Gewissen beruhigt und sagt, man habe ja etwas getan und hinterher doch beim Gewohnten bleibt, betreibt man im Unternehmen Ideennachsorge statt Aktionismus. Es gibt "Kümmerer", die darauf achten, dass beschlossene Ideen umgesetzt werden, die nachfragen, nachhaken. Mit den Zukunftskonferenzen soll es nicht nur weitergehen, man überlegt sogar, ob sie nicht gar in noch kürzeren Abständen sinnvoll wären. Das befürwortet auch die nächste Generation des Familienunternehmens.

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Der Autor ist Journalist und Filmemacher aus Lichtenfels in Oberfranken. Er ist als Redakteur für das Stadtmagazin Lichtenfels tätig und schreibt darüber hinaus für die Tageszeitung Fränkischer Tag und das Obermain Tagblatt.

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