Baurecht

AGB – Auch Anlagen von Anlagen sind Bausoll

von: RA Sophia Noll
Darum geht's: Ein mittelständiges Bauunternehmen (Auftragnehmer) und eine Immobilien- und Bauträgergesellschaft (Auftraggeber) streiten über eine Restwerklohnforderung, dabei im Wesentlichen um die Vergütung für Geothermiearbeiten. Der Auftraggeber hatte den Auftragnehmer durch Generalunternehmervertrag mit der Erstellung eines Bürogebäudes nebst Tiefgarage und Außenfläche zu einem Pauschalpreis beauftragt.

Der Vertrag regelte unter § 2 die Vertragsbestandteile und deren Rangfolge. Als Vertragsbestandteil ausdrücklich einbezogen, wurde ein zwischen dem Auftraggeber und dem Endnutzer geschlossener Mietvertrag.

Der Mietvertrag wiederum hatte eine Baubeschreibung, die Geothermiearbeiten vorsah, als Anlage. Auf diese Anlage nahm der Generalunternehmervertrag nicht ausdrücklich Bezug.

Schon während der Bauausführung war unklar, ob die Geothermiearbeiten überhaupt Leistungsinhalt (Bausoll) des Generalunternehmervertrags und von der Pauschalvergütung umfasst waren. Die Parteien vertagten die Frage der Mehrvergütung auf später. Mit seiner Schlussrechnung machte der Auftragnehmer für die Geothermiearbeiten eine Nachtragsforderung in Höhe von über 1 Million Euro geltend.

Ohne Erfolg! Das OLG Stuttgart entschied, dass die Baubeschreibung integraler Bestandteil des Mietvertrags und damit auch Vertragsbestandteils des Generalunternehmervertrags ist. Die Geothermiearbeiten sind vom Bausoll umfasst und nicht gesondert zu vergüten (OLG Stuttgart, Urteil vom 02.03.2021 – 10 U 57/14).

Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt voraus, dass der Vertragsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann Das bedeutet aber nicht, dass das Beurkundete eindeutig sein muss. Es verbleibt weiterhin Raum für eine Auslegung.

Im vorliegenden Fall ergab der Mietvertrag ohne seine Anlagen keinen Sinn, sodass die Auslegung nicht die Annahme zuließ, dass der Mietvertrag ohne seine Anlagen einbezogen wurde. Die bloße Vorstellung des Auftragnehmers, der Mietvertrag könne nichts Relevantes für die Bauausführung enthalten, hätte allenfalls einen Anfechtungsgrund (Irrtum) darstellen können, der jedoch unverzüglich nach Kenntnis über die streitige Vertragsauslegung hätte erklärt werden müssen.

Praxishinweis

Für die Beurteilung von Nachtragsforderungen ist das geschuldete Bausoll anhand des gesamten Vertragswerks, aus allen vertraglichen Unterlagen (Leistungsbeschreibung/Leistungsverzeichnis, Übergabeprotokoll, Planungsunterlagen und sonstigen Zeichnungen, Statikunterlagen, Bodengutachten und so weiter) zu ermitteln. Auch noch zu erstellende Pläne und Unterlagen und dem Vertrag nicht beigefügte, sondern lediglich einsehbare Unterlagen, können zum Bausoll gehören.

Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden

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Autorin

RA Sophia Noll

RJ Anwälte, Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbB

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