In Europa und Afrika

Pumpspeichertechnologie in unterschiedlichen Projekten angewandt

Wien/Österreich (ABZ). – Mit der Festlegung der globalen Ziele zur Eindämmung der Erderwärmung durch die UN-Klimakonferenz hat die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und damit auch der Bedarf an Energiespeichern rasant an Bedeutung gewonnen.
Dillinger Baustellen

Dadurch erfuhr auch die wichtigste und kostengünstigste Form der Energiespeicherung im großen Maßstab – die Pumpspeichertechnologie – einen starken Aufwärtstrend, wie Andritz Hydro berichtet. Als einer der weltweit führenden Anbieter von elektromechanischen Ausrüstungen und Dienstleistungen für Wasserkraftwerke ist Andritz Hydro mit Hauptsitz in Wien laut eigenen Aussagen auch bei herausfordernden Projekten ein gefragter Partner. Bei der Entwicklung anspruchsvoller Stahlkonzepte, großen Bauteilabmessungen und hohen Stückgewichten setzt der Experte auf Dillinger, laut Unternehmen weltweiter Technologieführer für maßgeschneiderte Grobbleche mit Hauptsitz in Dillingen/Saar. Beispielhaft für diese fruchtbare Zusammenarbeit stehen die Kraftwerksprojekte Kaunertal (in Österreich), Nant de Drance (in der Schweiz) und Abdelmoumen (in Marokko).

Die Stärke von Pumpspeicherwerken (PSW) ist die schnelle Reaktionsmöglichkeit auf Schwankungen bei Stromangebot und -nachfrage. Mit geringen Betriebskosten und Risiken sichert ihre Technologie gleichermaßen hohe Verfügbarkeit, Kapazität und Flexibilität. Das garantiert Energiekonzernen die geforderte Netzstabilität und Schwarzstartfähigkeit bei plötzlichem Stromausfall. Andritz Hydro ist eigenen Angaben zufolge einer der größten globalen Anbieter im Markt für hydraulische Stromerzeugung: Weltmarktführer im Bereich Rohrturbinen, Technologieführer bei Peltonturbinen und führend in Service und Modernisierung zur Leistungserhöhung bestehender Wasserkraftwerke. Das Portfolio umfasst das gesamte Spektrum an elektromechanischen Anlagen, Turbinen, Generatoren, Stahlwasserbau, Zusatzausrüstungen und Services für Wasserkraftwerke aller Typen und Größen – bis hin zu mehr als 800 MW Leistung je Turbineneinheit. 7000 Mitarbeiter, 25 weltweite Standorte in Europa, Asien, Nord- und Südamerika kennzeichnen die marktnahe Präsenz des Unternehmens. Mehr als 500 Pumpspeicherwerke mit einer Gesamtleistung von 40.000 MW hat Andritz Hydro bis heute ausgerüstet.

Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal in Tirol

Als Vice President Penstocks & Gates verantwortet Helmut Friedl bei Andritz Hydro weltweit den Bereich Stahlwasserbau für Wasserkraftwerke mit den Schwerpunkten Druckrohrleitungen, Panzerungen, Verteilrohrleitungen mit Abzweigern, Rechen, Schützen und zugehörige Ausrüstungen. Federführend war er auch an den Projekten Kaunertal, Nant de Drance und Abdelmoumen beteiligt.

Die Erweiterung des bestehenden Kraftwerks Kaunertal in Tirol markierte den Beginn einer verstärkten Zusammenarbeit mit Dillinger. Auf dem alpinen Hochtal in 2000 m Höhe sollte durch Zubau eines künstlichen Speichersees als Oberstufe, einer zweiten Unterstufe sowie eines zweiten Kraftwerks die Kapazität um knapp 1000 MW auf 1370 MW erhöht werden. Dadurch wurde das bisherige Durchlaufwerk in ein Pumpspeicherwerk umgewandelt. Abrisse auf der Hangoberfläche erforderten zudem den Ersatz der bestehenden Druckrohrleitung durch eine neue Leitung unterhalb der Gleitlinie des Hangs. Bei ihrem Neubau galt es, auch die anstehende Vergrößerung der Kraftwerksleistung bereits zu berücksichtigen, so das Unternehmen.

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Dillinger Baustellen
Montage eines Abzweigers im Druckstollen des Kraftwerks Kaunertal. Foto: Andritz Hydro

Mit dem Bau dieser Druckrohrleitung wurde Andritz Hydro nach einem komplexen Vorauswahlverfahren beauftragt. So erhielten die potenziellen Lieferanten dieser Leitung vom Auftraggeber Bleche, um diese nach speziell entwickelten Verfahren auf Basis der ausgewählten Schweißzusatzwerkstoffe in ihren Schweißbetrieben zu verarbeiten. Ein unabhängiges Prüfinstitut überprüfte die Ergebnisse auf ihre Eignung für den Einsatz im Berg mit den anspruchsvollen TOFD- und Phased-Array- Prüfverfahren. Das Urteil floss in eine erste Bewerberbewertung mit ein. Die anschließende Verformung der Bleche zu einem Rohr mit über 4 m Durchmesser und unterschiedlichen Wandstärken sowie das Schweißen von Rund- und Längsnähten waren im nächsten Schritt maßgebliche Elemente der Bewertung. Außerdem galt es für die Bewerber, einen Stahllieferanten zu finden, der wesentlich höhere Zähigkeitswerte als von der Norm vorgeschrieben nachweisen kann. Als maximal zulässige Streckgrenze erlaubte der Kunde Stähle der Güte S620. Für die Bifurkationen – Abzweigungen der Druckrohrleitung mit 5 m Durchmesser – galten darüber hinaus besondere Anforderungen an Größe und Dicke der eingesetzten Bleche. In Dillinger fand Andritz Hydro den gesuchten Partner und wurde mit Lieferung, Design, Fertigung und Montage der Druckrohrleitung für das Kraftwerk Kaunertal beauftragt. "Dillinger ist ein absoluter Experte für große Windstärken", erläutert Friedl die damalige Wahl. Er ergänzt: "Zudem hat Dillinger eine größere Quette als andere Hersteller und kann somit diese anspruchsvollen Bleche nicht nur in der geforderten Dicke, sondern auch in entsprechend großen Abmessungen liefern."

Kraftwerk Kaunertal

Nach intensiven Diskussionen zwischen dem Kunden, Andritz Hydro, dem Betreiber, Tiroler Wasserkraftwerke (TIWAG) und Dillinger wurde das von Dillinger entwickelte Stahlkonzept verabschiedet. Auf dieser Basis produzierte der Stahlhersteller dann eigens für die Bifurkationen im Kraftwerk Kaunertal den hochfesten Markenstahl DILLIMAX S620 QL in den Dicken 90 bis 120 mm. "Eine der großen Herausforderungen im Bau von Pumpspeicherwerken mit Rohrdurchmessern von5 Metern und mehr ist die Stahlgüte", erklärt Friedl die Bedeutung der entsprechenden Herstellerkompetenz. Mit dem Durchmesser steigt auch die benötigte Wandstärke. Eine wirtschaftliche Fertigung der Kraftwerkskomponenten ermöglichen nur hochfeste, gut schweißbare Stähle, die eine Ausführung mit dünneren Wandstärken und dadurch kürzeren Fertigungs- und Montagezeiten erlauben. Zur höheren Festigkeit trägt das Kohlenstoffäquivalent (CEV) bei. Gute Schweißbarkeit der Stähle erfordert aber ein möglichst niedriges Kohlenstoffäquivalent. "Dillinger war bereit und fähig, für Kaunertal eine Lösung mit einem CEV unter dem Normwert zu entwickeln, die zugleich die Anforderungen an die maximal erlaubte Streckgrenze und Dimensionen erfüllte", lobt Friedl.

Eine weitere Besonderheit bei dem Projekt Kaunertal war eine kleine Fertigungsstätte, die Andritz Hydro wegen der eingeschränkten Transportmöglichkeiten oben auf dem Berg erstellte. Dort schweißte der Anlagenbauer im Tal gefertigte 6-Meter-Rohre zu den benötigten 12 m langen Segmenten mit unterschiedlichen Durchmessern zusammen. Diese wurden anschließend in den Berg transportiert und abgelassen. Bei der Montage im Stollen kam ein weiterer, ausschlaggebender Grund für den Projektgewinn von Andritz Hydro zum Tragen: die von dem Anlagenbauer für den gesamten Schrägschacht im Kaunertal eingesetzte WIG-Heißdraht-Schweißtechnik. Der dabei von Schweißautomaten verwendete, vorgewärmte Volldraht ohne Ummantelung minimiere den Wasserstoffgehalt im Schweißgut und somit das Risiko von Rissbildung. Alle Abzweigelemente für die Druckrohrleitung wurden ebenfalls in Einzelteilen auf dem Berg angeliefert. Dort wurden sie auf Formate zusammengeschweißt, die in den Stollen transportiert und zusammengebaut werden konnten. 2016 wurde die neue Druckrohrleitung des Wasserkraftwerks Kaunertal in Betrieb genommen. Die Inbetriebnahme der Oberstufe erfolgt voraussichtlich im Jahr 2032.

Speicherwerk Nant de Drance

Beim Ausbau des Pumpspeicherwerks Nant de Drance in den Walliser Alpen in der Schweiz bewährte sich die Zusammenarbeit von Andritz Hydro und Dillinger einmal mehr, betont das Unternehmen. Mit 900 MW installierter Leistung zählt dieses Wasserkraftwerk derzeit zu den leistungsstärksten in Europa. Sechs Francis-Turbinen mit jeweils 150 MW Leistung machen Nant de Drance hochflexibel: In weniger als fünf Minuten kann das Kraftwerk bei Bedarf bei voller Leistung zwischen Pump- und Turbinenbetrieb wechseln. Mit einem Wirkungsgrad von mehr als 80 % gilt es als Benchmark für die Speicherung von Strom. In einem geschlossenen Kreislauf nutzt Nant de Drance den Höhenunterschied von zwei bestehenden Stauseen. Verbunden werden sie durch zwei parallele, vertikal verlaufende Triebwasserwege, die jeweils drei Pumpturbinen in einer riesigen Maschinenkaverne in 600 m Tiefe bedienen. Jeder dieser Triebwasserwege besteht aus einem 2 km langen Druckstollen und einem425 m langen Vertikalschacht mit bis zu7 m Durchmesser.

Der Auftrag an Andritz Hydro umfasste Planung, Konstruktion, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der gesamten Ausrüstung der beiden Triebwasserwege. Sie liegen wie die Kaverne im Berginneren und werden durch einen 5 km langen Tunnel erschlossen. Zu dem beauftragten Leistungspaket von Andritz Hydro gehörten auch die Drosselklappenverschlüsse für die oberen Schieberkammern, die Rollschützenverschlüsse für die untere Schützenkammer sowie die Einlaufrechen für die Ein- und Auslaufbauwerke. Bei der Wahl der eingesetzten Stähle setzte Andritz Hydro erneut in großem Stil auf Qualitätsstähle von Dillinger. Insgesamt 3276 t Stahl in bis zu 130 mm Dicke lieferte der Grobblechspezialist für die Druckrohrleitung. "In den größeren Dickenbereichen und beim S355 ML haben wir uns einfach sicherer gefühlt mit den Materialien von Dillinger", begründet Helmut Friedl die Entscheidung.

Pumpspeicherwerk Abdelmoumen

Für das neue Pumpspeicherwerk Abdelmoumen im Südwesten von Marokko, 70 km nordöstlich von Agadir, liefert Andritz Hydro die gesamte elektromechanische Ausrüstug. "Ein echtes From-Water-to-Wire-Package", freut sich Friedl. Der Auftrag umfasste neben der Konstruktion, Fertigung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von zwei reversiblen 175-Megawatt-Pumpturbinen auch – gemeinsam mit dem Konsortialführer Vinci Construction – den Bau des technisch anspruchsvollen 3 km langen Triebwasserwegs. Die Pumpturbinen sind für 20 schnelle Betriebsartwechsel am Tag zur schnellen Reaktion und Netzregulierung ausgelegt. Der mit Stahl ausgekleidete Wasserweg besteht aus einer streckenweise freiliegenden, 2 km langen Druckrohrleitung, über 700 m Tunnel und drei Schächten mit über 60 m Tiefe.

Im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Projekten fertigt Andritz Hydro für das Kraftwerk Abdelmoumen alle Anlagenkomponenten auf der Baustelle, erläutert das Unternehmen. Die hohen Materialanforderungen an die dabei eingesetzten Stähle und Herausforderungen bei Fertigung und Montage sprachen deshalb erneut für Dillinger, betont Andritz Hydro. Aber auch die schnelle Reaktion und Entwicklungskompetenz des Stahlherstellers in der Angebotsphase spielten in der Lieferantenauswahl eine große Rolle.

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