Wolfgang Schubert-Raab

Austausch zwischen Regierung und Baubranche fördern

Wolfgang Schubert-Raab, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), sprach anlässlich des Jubiläums 125 Jahre ZDB in Berlin mit ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga.
Jubiläum Baupolitik
ZDB-Präsident Wolfgang Schubert-Raab: "Wir haben so viele Bauaufgaben, in allen Bereichen, dass mir um die Zukunft des Bauwesens nicht bange ist, vorausgesetzt, wir verlieren in den nächsten Monaten kein Personal." Foto: Kai-Werner Fajga

ABZ: Herr Schubert-Raab, der ZDB hat jüngst sein 125-jähriges Bestehen in Berlin gefeiert. Wie würden Sie die Stimmung unter ihren Mitgliedsunternehmen angesichts der aktuellen Krise im Wohnungsbau beschreiben?

Schubert-Raab: Der Blick zurück in die 125-jährige Geschichte des Baugewerbes zeigt, die Bauunternehmerinnen und Bauunternehmer waren schon immer krisenerprobt. Inflation und Weltwirtschaftskrise vor 100 Jahren, ab Mitte der 1960er-Jahre die erste große Baurezession der Bundesrepublik, die Wohnungsbaukrise zehn Jahre später oder die langen Krisenjahre um die Jahrtausendwende – Krisen gab und gibt es immer wieder. Aber auf das Durchhaltevermögen und die Resilienz unserer Unternehmerinnen und Unternehmer ist Verlass. Das beweisen sie auch in der aktuellen Wohnungsbaukrise.

Trotzdem besteht bei vielen großer Unmut über die Politik und ich kann diesen nachvollziehen. Denn die politischen Rahmenbedingungen passen einfach nicht und gute Ideen werden viel zu langsam umgesetzt. Gerade im Wohnungsbau. Das ist zu viel politisches Hick-Hack um existentiell wichtige Maßnahmen – zwischen den zuständigen Ministerien, zwischen Bund- und Ländern und zwischen einzelnen Persönlichkeiten. Dieses Hick-Hack, wie zum Beispiel beim Wachstumschancengesetz oder den ständig sich ändernden Förderungsbedingungen beim Wohnungsbau, das kann man keinem Bauunternehmer mehr erklären, der um Aufträge kämpft und versucht, seine Mitarbeiter zu halten. Das kann man aber auch den Menschen nicht erklären, den Familien, Eltern, Kindern, den Auszubildenden, den Studenten und den Senioren, die am Wohnungsmarkt eine bezahlbare Bleibe suchen. Wer baut, braucht Vertrauen in sichere Finanzierung und Bedingungen. Dieses Vertrauen haben viele Menschen gerade nicht.

ABZ: Was sind nach Ihrer Meinung die größten aktuellen Herausforderungen für den Verband und seine Mitglieder?

Schubert-Raab: Langsam aber sicher laufen bei den Wohnungsbauunternehmen die Auftragsbücher leer. Gerade erst kamen neue Zahlen vom Statistischen Bundesamt. Im Januar 2024 hatten wir 23 Prozent weniger Baugenehmigungen als im Vorjahresmonat. Diese knapp 17.000 Wohnungen sind sogar 43 Prozent weniger als vor zwei Jahren. Insgesamt mussten die Unternehmen im vergangenen Jahr 20 Prozent weniger Wohnungsbauaufträge verkraften. Das ist wirklich ein dramatischer Einbruch, den die Unternehmen nicht mehr länger stemmen können. Man muss es klar sagen. Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird es für die Betriebe immer schwieriger, die Beschäftigten halten zu können. Gott sei Dank läuft es bei den Aufträgen für die Infrastruktur besser.

ABZ: Zur Jubiläumsveranstaltung konnte der ZDB unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz als Gäste begrüßen, die sich auch mit Vorträgen einbrachten. Wie bewerten Sie die Präsenz der hochrangigen Regierungsvertreter auf der Veranstaltung?

Schubert-Raab: Wenn ein Verband 125 Jahre alt wird, ist das in der Verbändelandschaft schon eine echte Hausnummer. Der ZDB ist damit nicht nur einer der ältesten Verbände, sondern auch der größte und älteste Bauverband unseres Landes. Seit 1899 schließen wir bereits Tarifverträge bundesweit ab. Dass wir Bundeskanzler Scholz und Bundesbauministerin Geywitz bei unserem Jubiläum als Gäste begrüßen durften, ehrt den Verband mit seinen 35.000 Mitgliedsbetriebe natürlich, unterstreicht aber auch seine Position als Spitzenverband. Beide haben sich neben ihren Glückwünschen auch zum Thema Wohnungsbaukrise geäußert. Das zeigt, dass Sie die Probleme anerkennen, in denen die Branche gerade steckt. Aber wir müssen ganz klar jetzt endlich mal ins Handeln kommen. Die Zeit der Sonntagsreden ist vorbei. Die Menschen warten auf ein echtes politisches Signal für den Wohnungsbau.

Es gibt das Maßnahmenpaket des Wohnungsgipfels im September und der MP-Konferenz im November letzten Jahres. Das muss jetzt umgesetzt werden, damit sich wieder mehr Kräne drehen. Neben der AfA, die hoffentlich am Freitag beschlossen wird, brauchen unsere Kunden auskömmliche Förderprogramme und zwar nicht nur für die höchsten Standards. Schließlich geht es hier auch um Bezahlbarkeit. Gerade die hohen Zinsen sind aktuell eine große Hürde für viele Bauwillige. Ein entsprechendes Zinsverbilligungsprogramm könnte einen echten Unterschied machen. Für unsere Mitarbeiter brauchen wir zudem die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung, um kurzfristige Auftragslücken überbrücken zu können.

ABZ: Bundeskanzler Scholz sagte, vieles spreche dafür, dass sich der Wohnungsbau jetzt stabilisieren könnte. Teilen Sie die Ansicht?

Schubert-Raab: Nun ja, ich kann verstehen, dass der Kanzler Optimismus verbreiten will. Das muss er auch. Zugleich kann aber niemand bestreiten, dass wir in wahrlich schwierigen Situationen stecken. Es ist die Bundesregierung selbst, die für das laufende Jahr nur noch 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum erwartet. Das gleicht nicht mal den Rückgang des vergangenen Jahres aus. Kanzler Scholz sagte, die Inflation sei deutlich gesunken und mit ihr sinken auch die Bauzinsen. Das muss sich aber erst einmal zeigen. Es stimmt, es ist ziemlich sicher, dass die Inflation sich wieder einpendelt und die EZB die Leitzinsen senken wird. Dass dann aber automatisch die Baufinanzierungen günstiger werden, halte ich nicht für ausgemacht. Denn die Bauzinsen hängen in erster Linie an der Rendite der deutschen Bundesanleihe. Hier steigt gerade die Rendite, weil Deutschland in den Augen vieler Investoren aktuell nicht als der verlässliche Partner von einst gilt. Solange die Skepsis hoch ist, könnten auch die Renditen der Bundesanleihen hoch bleiben und nachfolgend auch die Bauzinsen weiter auf dem aktuell hohen Niveau verharren.

ABZ: Frau Geywitz sprach unter anderem vom größten Einbruch seit langer Zeit im Baugewerbe und der "schlechtesten Stimmung". Sie hielt dagegen, dass man vor "riesigen Bauinvestitionen stehe" und erwähnte, dass der Bund in dieser Legislaturperiode die Bauwirtschaft mit 1,5 Milliarden Euro zusätzlich fördere. Wie bewerten Sie die das aktuelle Engagement des Bundes (Welche Erwartungen hat der ZDB?)?

Schubert-Raab: Es stimmt, für den Wohnungsbau sind im Vergleich zu 2023 zusätzliche Mittel vorgesehen. Zu Beginn des vergangenen Jahres standen 1 Milliarde Euro KfW-Förderung zur Verfügung. Jetzt sind es 2,9 Milliarden Euro. Das ist wichtig für Bauherren und Investoren. Aber es ist mehr als fraglich, ob dies ausreicht, dass mehr Wohnungen gebaut werden und der Mietmarkt sich entspannt. Frau Geywitz sagte, dass speziell der geförderte Wohnungsbau sowie das untere und mittlere Preissegment unterstützt werden muss – da hat sie vollkommen Recht. 2022 wurden in Deutschland 295 300 Wohnungen gebaut. 2023 lag dann das Fördervolumen zunächst bei 750 Millionen Euro. Nach wenigen Monaten waren die Mittel alle und wurden im Jahresverlauf auf insgesamt 1,68 Milliarden Euro aufgestockt. Wir gehen für 2023 von gerade einmal etwa 271.000 fertiggestellten Wohnungen aus. 2024 werden es rund 235.000 gebaute Wohnungen. Gleichzeitig fehlen laut dem Bündnis "Soziales Wohnen" in Deutschland mehr als 900.000 Sozialwohnungen. Bis 2030 geht das Bündnis von einem Bedarf von zwei Millionen Wohnungen aus. Da passt was nicht zusammen.

ABZ: Ein emotionaler Höhepunkt des Events war die Ehrung der Kandidaten des Nationalteam Baugewerbe. Sie haben ausgeführt, dass es für Bauunternehmen aktuell schwierig sei, Mitarbeiter zu halten oder gar neue anzuwerben – und dass auf Seiten der politischen Vertreter "mehr und schneller" etwas im Wohnungsbau passieren müsse. Was war damit gemeint? (Rahmenbedingungen, Bürokratieabbau, Fachkräftemangel)

Schubert-Raab: Es ist gut, dass die im Dezember gestoppte Förderung beim klimafreundlichen Neubau von Wohnungen nun endlich wieder läuft. Besonders dringend ist, die zusätzlichen Förderprogramme im Wohnungsneubau zügig an den Start zu bringen. Leider sind die Zinsen für die KfW-Programme in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen, im Gegensatz zu den Finanzierungen der Banken, das lässt nur einen Schluss zu – die Fördermittel sollen so länger verfügbar sein.

Zusätzlich muss die Politik aber auch an die Standards ran. Wenn wir bauen, muss es laut der geltenden Vorschriften immer ein Mercedes sein. Ist das nötig? Die Niederländer machen vor, dass es günstiger geht, indem sie bei qualitativen und energetischen Anforderungen deutlich flexibler sind. Man darf nicht vergessen, allein im Jahr 1973 sind in der BRD über 700.000 Wohnungen gebaut worden. Ein wesentlicher Faktor dafür war, dass die qualitativen Anforderungen, beispielsweise im Schall- und Trittschutzbereich, nicht so hoch waren wie heute. Heutige Vorgaben zu Wärmedämmung, Barrierereduktion, Einbau von Aufzügen, Tiefgaragenstellplätze und großzügigere Flächen um die Wohngebäude sowie der deutlich gestiegene Raumbedarf des einzelnen Bewohners (derzeit etwa 45 Quadratmeter), tun ihr Übriges. Um schneller und günstiger bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssen wir die Ansprüche an Neubauten grundsätzlich hinterfragen und unsere Normenlandschaft entschlacken. Da kann man viel Baukosten einsparen – und das würde den Staat gar nichts kosten. Klar, viele Auflagen und Anforderungen sind für sich genommen richtig, in der Gesamtheit aber erhöhen sie die Neubaukosten. Dass Bundesbauministerin Geywitz auf unserer Veranstaltung sagte, sie durchforste gerade gemeinsam mit ihren Länderkollegen die Vorschriften, hat mich sehr gefreut.

ABZ: Herr Schubert-Raab, Sie sind nun seit Ende September 2023 Präsident, waren zuvor über Jahre Vizepräsident und sind beruflich Bauunternehmer. Wie würden Sie Ihre Arbeit als Präsident bisher zusammenfassen und was wünschen Sie sich für die Zukunft des ZDB?

Schubert-Raab: Wir befinden uns zweifellos in einer tiefen Krise im Wohnungsbau, die sich auf verschiedene Faktoren zurückführen lässt, darunter hohe Bauzinsen, bürokratische Hürden, Inflation und steigende Kosten. Mein Fokus liegt darauf, den Austausch zwischen der Regierung und der Baubranche zu fördern, um gemeinsam an Lösungen arbeiten zu können. In meiner Amtszeit haben wir bisher viele Gespräche mit Politikerinnen und Politikern aller Regierungsparteien geführt. Es ist mir besonders wichtig, immer wieder auf die Probleme der Unternehmen aufmerksam zu machen.

Das geht nur, wenn wir mit allen im Dialog bleiben. Für die Zukunft des Verbands wünsche ich mir eine noch stärkere Zusammenarbeit aller Beteiligten, um einen langfristigen Ansatz für den Wohnungsbau und die Branche zu entwickeln. Wir müssen beim Recycling vorankommen, die Effizienz durch den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Techniken und der Digitalisierung heben, serieller planen und dadurch auch bauen, regulatorische Hürden abbauen, um Investitionen anzukurbeln und den Wohnungsbau zu beschleunigen. Dann können unsere Unternehmerinnen und Unternehmer wieder das tun, was sie am besten können: bauen. Wir haben so viele Bauaufgaben, in allen Bereichen, dass mir um die Zukunft des Bauwesens nicht bange ist, vorausgesetzt, wir verlieren in den nächsten Monaten kein Personal. Dagegen müssen wir alles tun, was uns zur Verfügung steht. Wir brauchen jeden Mann und jede Frau an Bord.

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