Chancen für Bauunternehmen

Hamburg geht ans bundesweite Wasserstoffnetz

von: Dr. Thomas Isenburg
Hamburg. – Das Wasserstoff-Kernnetz ist beschlossene Sache. Es ist die zentrale Weichenstellung der nationalen Wasserstoffstrategie für den Markthochlauf der Versorgung mit grünem Wasserstoff in Deutschland. Hamburg ist mit seinem geplanten 60 Kilometer langen Wasserstoff-Industrie-Netz mit dabei.
Strabag Hamburg Energiepolitik
Leitungstunnel unter der Autobahn A 7: Die Unternehmen Friedrich Vorwerk aus Tostedt und Sonntag aus Dörth (Rheinland-Pfalz) arbeiten hier an der Unterquerung von Straßen und Hafenbahn. Foto: Hamburger Energienetze

Die zum künftigen Wasserstoff-Kernnetz verknüpften bundesweiten Infrastrukturen sollen die großen Verbrauchs-, Erzeugungs- und Importregionen miteinander verbinden. Schon bis 2032 soll bundesweit Wasserstoff durch Leitungen mit einer Länge von 9040 Kilometern strömen. Rund 60 Prozent davon entstehen durch Umrüstung bestehender Erdgasleitungen. Das bundesweite Investitionsvolumen beträgt bis zu 20 Milliarden Euro.

Ein Hotspot für Wasserstoff in Deutschland wird der Hamburger Hafen. Hier liegen die Standorte großer Industrieunternehmen der Metall-, Chemie- und Luftfahrtindustrie. Hier bewegt die Logistik schwere Güter auf Schiffen und Fahrzeugen. Die Hafenanlagen eignen sich zum Import von grünem Wasserstoff.

Um eine Dekarbonisierungsoption für den energieintensiven Standort zu schaffen, fiel bereits 2020 die Entscheidung, ein Hamburger Wasserstoff-Industrie-Netz, kurz HH-WIN, zu errichten. Mit der IPCEI-Förderzusage für die ersten 40 Kilometer Leitungen und der Aufnahme ins Wasserstoff-Kernnetz startete HH-WIN 2024 in die Bauphase. Jetzt muss alles sehr schnell gehen, denn die Förderzusage ist an einen Zeitraum bis 2027 begrenzt.

Auch Hamburgs Politik hat an das Projekt, das die städtische Hamburger Energienetze GmbH realisiert, große Erwartungen. "Der Hamburger Hafen wird ein wichtiger Umschlagpunkt für Energieträger und erfüllt damit eine Versorgungsfunktion für die gesamte Bundesrepublik", sagte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) im November bei der Veröffentlichung einer Fraunhofer-Studie zum hier entstehenden Wasserstoff-Drehkreuz.

Drehkreuz von überregionaler Bedeutung

HH-WIN bringt Hamburg in eine Vorreiterrolle beim Wasserstoff. Und das Energieinfrastrukturprojekt ist zugleich eine gewaltige Chance für alle am Bau beteiligten Unternehmen. Hier entsteht auf kleinem Raum, was später bundesweit die Energieversorgung transformieren soll: Ein 100 Megawatt starker Elektrolyseur auf dem Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks Moorburg wird zentraler Einspeiser.

Ein Ammoniak-Terminal mit Cracker soll den Schiffsimport von grünem Wasserstoff ermöglichen. Er wandelt grünen Ammoniak im Hafen in die Elemente Wasserstoff und Stickstoff zurück und gilt als praktikable Seetransport-Lösung. Anschlüsse von Industrieunternehmen mit Gasdruckregel- und Messanlagen, eine Verdichterstation und eine Anbindung ans Fernleitungsnetz machen HH-WIN zu einem hochrelevanten Nord-Ausläufer des deutschlandweit geplanten Kernnetzes.

"Auch wenn HH-WIN innerhalb der Grenzen Hamburgs entsteht und bis 2027 rund 40 und später 60 Kilometer Länge umfasst, bildet es doch exemplarisch nahezu die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette ab", sagt Dr. Elisabeth Ziemann, Projektleiterin des Pionierprojekts der Hamburger Energienetze GmbH. Die Chemikerin erklärt: "Nicht nur weil unser gesamtes Netz ins Wasserstoff-Kernnetz integriert ist, stehen wir im überregionalen Kontext."

Hoher Zeitdruck und große Chancen

Schon kurz vor der Förderzusage im Sommer 2024 haben die ersten Baumaßnahmen begonnen. Dennoch ist sich Dr. Ziemann der Herausforderung bewusst, die das Team bei Hamburger Energienetze stemmen muss. Während erste Leitungsabschnitte gebaut werden, laufen schon die Genehmigungsverfahren für die nächsten. Andere Bauabschnitte kommen in die Ausschreibung, während für die Erweiterungen von 40 auf 60 Kilometer nun bald die Vorplanung startet. "Wir arbeiten an vielen Stellen parallel, um 2027 den Betrieb aufnehmen zu können" sagt Dr. Ziemann. "Vor allem brauchen wir jetzt bei den Vergabeprozessen Unternehmen, die hier die Chance nutzen, Wasserstoff-Kompetenz aufzubauen."

Mit der Anbindung an das nationale und europäische Netz müssen die entstehenden Leitungen alle Kriterien des nationalen Wasserstoffnetzes erfüllen, denn HH-WIN wird hier sowohl einspeisen als auch Wasserstoff von entfernteren Erzeugern und Speichern an Hamburger Abnehmer leiten. Die Rohrleitungen bestehen aus Stahlrohren, die mit Polyethylen ummantelt sind. Die verwendeten Stähle müssen wasserstoffzertifiziert sein. Zumeist sind sie als DN 200 und DN 500 geplant – mit Durchmessern von 20 beziehungsweise 50 Zentimetern.

Zu den geplanten Anlagen gehören auch Gasübernahmestationen, Gasdruckregelanlagen und Wasserstoff-Einspeiseanlagen sowie eine Verdichterstation. Weil in Zukunft Importterminals und Elektrolyseure mehr Wasserstoff ins Hamburger Netz einspeisen können als im Hafen benötigt wird, ist die Kopplung mit dem überregionalen Netz von großer Bedeutung. HH-WIN verbindet Importeure, Produzenten, Verbrauchsstellen und Wasserstoffspeicher auf kleiner Fläche, aber mit Bedeutung für das entstehende EU-weite System. So werden beispielsweise Dänemark, die Niederlande und das Ruhrgebiet zu möglichen Handelspartnern mit der Hansestadt.

Die Strabag baut in Hamburg mit

Erste Bauvorhaben sind bereits in der Umsetzung, denn einige Baulose werden bereits realisiert. Einer der bereits beteiligten Akteure ist die österreichische Strabag SE mit ihrem deutschen Standort in Köln. Das Unternehmen bietet ein breites Portfolio – vom Hoch- und Ingenieurbau über Verkehrswege bis hin zum Spezialtiefbau. Der erfolgreiche Technologiekonzern sieht in seinem Engagement in Hamburg die Chance, seine Referenzen bei Energiewendeprojekten zu erweitern.

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Ausschreibungen mit unterschiedlichsten Losen: Auch Gasdruck-Regelanlagen werden beim Projekt HH-WIN benötigt. Foto: Hamburger Energienetze

Die Bauleitung liegt in den Händen des technischen Gruppenleiters Knut Stender. Er ist am Standort Hamburg für 60 Mitarbeiter verantwortlich, 50 gewerbliche und 10 kaufmännische. Mit ihnen realisiert er innerstädtische Tiefbauprojekte. In Hamburg übernehmen Stender und seine Mitarbeiter im Auftrag der Hamburger Energienetze Tiefbauarbeiten für mehrere Wasserstoffleitungen. Im Rahmen von HH-WIN bearbeitet das Unternehmen derzeit ein Los mit einer Streckenlänge von nur einem Kilometer. Das erscheint bei einer Gesamtlänge von 40 Kilometern wenig, doch gerade in der engen Zusammenarbeit mit den Leitungsbaukolonnen der Hamburger Energienetze sammelt das Unternehmen wertvolle Erfahrungen für künftige Bauabschnitte.

Auch wenn nun die Rohrgräben nahe der A 7 wie bei klassischen Erdgas-Rohrlegearbeiten aussehen, ist nicht nur Wasserstoff die Besonderheit. "Jede Baustelle im Tiefbau ist etwas Besonderes", sagt Stender. "Hier haben wir es an einzelnen Stellen mit Kampfmitteln im Boden zu tun." Deshalb koordinieren die Tiefbauer die Arbeit mit dem Kampfmittelräumdienst der Feuerwehr. Für Strabag ist der kleine Abschnitt von HH-WIN das erste Projekt in diesem Bereich. Das Unternehmen will in den nächsten Jahren beim Wasserstoff-Leitungsbau wachsen.

Werben um weitere Partner

Seit 2024 bringen die Hamburger Energienetze größere Leitungsabschnitte in EU-weite Bauausschreibungen. Da die Lose unterschiedlich zugeschnitten sind, bieten sie für Unternehmen verschiedenster Größe die jeweils passenden Aufträge. Mit einer Kampagne haben die Hamburger Energienetze gezielt Unternehmen angesprochen, die mit der geforderten Leitungsbaukompetenz für die Ausschreibungen infrage kommen. Dazu sagt Bernd Eilitz, Pressesprecher der Hamburger Energienetze: "Bei unserer Direktmarketing-Aktion haben wir das Informationsmaterial in einem kurzen Rohr und damit symbolisch die Vorreiterrolle beim Wasserstoff übergeben."

Jetzt will das Unternehmen auch Anlagenbauunternehmen auf seine Ausschreibungen hinweisen, um hier die Aufträge kompetent vergeben zu können. Zunächst gibt es einen Teilnahmewettbewerb. Hier wird die Eignung der Unternehmen geprüft.

Das Ganze findet europaweit statt und muss 30 Tage lang veröffentlicht werden. Dann folgt die Angebotsphase in einem zweistufigen Vergabeprozess. Nach einem Erstangebot und einem technisch-kommerziellen Vergabegespräch folgt ein Zwischenangebot, auf dessen Grundlage die Hamburger Energienetze eine finale Vergabeverhandlung und die Abgabe des finalen Endangebotes vornehmen. Das kann fünf bis sechs Monate dauern, schätzt Jonathan Buzin, der bei HH-WIN für die Ausschreibungen des Leitungsbaus zuständig ist.

"Wir achten bei unseren Ausschreibungen stets darauf, marktgerechte Lose zu bilden. So bieten wir einen bunten Blumenstrauß an Losgrößen, damit auch kleine und mittlere Unternehmen teilnehmen können", so Buzin weiter. Die Losgrößen reichen von 500 bis 700 Meter, bei größeren Abschnitten sind es zwei bis drei Kilometer. Rund zwölf Kilometer sind bereits vergeben.

Eine Besonderheit sind Straßen- und Bahnquerungen in geschlossener Bauweise. Zwei Tunnel sind bereits fast fertig. In einem speziellen Vortriebsverfahren presst die Tunnelbohrmaschine Betonröhren horizontal durch den Untergrund, so dass darüber verlaufende Straßen und Gleisanlagen befahrbar bleiben.

An anderen Stellen setzen die Hamburger Energienetze auf Micro-Tunneling. Hier, wie auch bei den Anlagen, hängt der Erfolg von HH-WIN auch von der Kompetenz der Zulieferer und Dienstleister ab. Was interessierte Unternehmen wissen müssen, hat das Unternehmen auf einer eigenen Internetseite zusammengestellt.

Mit solch transparenter Kommunikation will das Unternehmen möglichst viele kompetente Partner beteiligen. Denn hier geht es um mehr als nur die Versorgung in Hamburg: Es geht um ein Drehkreuz für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland und Europa.

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Dr. Thomas Isenburg arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Wissenschaftsjournalist. Er schreibt vor allem über Erneuerbare Energien, naturwissenschaftliche Themen und Afrika.

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