Gebäude planen fern der Heimat

Steigende Nachfrage von Bauingenieuren aus dem Ausland

Ausbildung und Beruf
Luis López Fortis stammt aus dem südspanischen Granada und arbeitet seit dem Sommer 2013 in einem Duisburger Ingenieurbüro. Fotos: IK-Bau NRW
Ausbildung und Beruf
In einem Aachener Ingenieurbüro ist Roberto Fontecha Gonzalez beschäftigt. Der 25-Jährige hatte in Barcelona Bauingenieurwesen studiert und war 2010 an die RWTH Aachen gewechselt.

DÜSSELDORF (ABZ). - Wenn das Heimweh zu groß wird, hilft der Blick aufs Foto der Alhambra ein wenig. "Das ist mein kleines Fenster nach Hause", sagt Luis López Fortis und schmunzelt. López Fortis ist Bauingenieur aus dem spanischen Granada und arbeitet seit knapp einem Jahr im Duisburger Ingenieurbüro Domke Nachf.

Als Erinnerung an das Zuhause hat er sich das Bild der bekannten Stadtburg aus seiner Heimatstadt über den Schreibtisch gehängt. Ein Souvenir an die Heimat, die der 28-Jährige verlassen hat, weil die dortige Jobmisere ihn zum Umzug ins Ausland gezwungen hatte. So wie ihm geht es auch anderen Bauingenieuren aus Süd- oder Osteuropa – immer mehr Ingenieurbüros in Nordrhein-Westfalen verzeichnen eine steigende Nachfrage aus dem Ausland.

López Fortis hatte in seiner Heimatstadt Bauingenieurwesen studiert, seine Visitenkarte weist ihn als "Ingeniero de Caminos, Canales y Puertos" (Ingenieur für Straßen, Kanäle und Häfen) aus. Nach seinem Hochschulabschluss hatte er zunächst für kurze Zeit in einem Büro in Sevilla gearbeitet. Da ihm der Job dort aber nicht zusagte, kam er auf die Idee, es einmal im Ausland zu versuchen. "Ich habe mich für Deutschland entschieden, weil ich den Eindruck hatte, dass die Situation für Bauingenieure dort besser ist", erzählt er. In Spanien sei die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Leuten besonders hoch. "Da sind mehr als 50 % ohne Job, viele gehen ins Ausland – oft nach Südamerika, weil sie dort die Sprache sprechen."

Dass López Fortis nach Deutschland umzog, obwohl er erst noch die Sprache lernen musste, liegt an seinem Großonkel. Der hatte aus der Assistentenzeit Beziehungen zu dem Beratenden Ingenieur Prof. Dr. Michael Fastabend, der Partner in dem Duisburger Ingenieurbüro ist. "Luis hat sich dann bei uns beworben, ohne seinen Großonkel zu erwähnen. Er wollte als eigene Persönlichkeit anerkannt werden", erzählt Fastabend, der auch Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer-Bau NRW ist. Erst bei dem Vorstellungsgespräch wurde bekannt, dass sein Großonkel mit dem Chef in spe gemeinsam als Assistent an der Uni Essen gearbeitet hatte.

Seit dem 1. Juni 2013 arbeitet der 28-Jährige jetzt in Duisburg – zuvor hatte er noch Sprachkurse in Spanien und Deutschland absolviert und einen Deutsch-Test für Zuwanderer mit 160 von 165 möglichen Punkten abgelegt. In dem Ingenieurbüro ist er vor allem für die Berechnung der Tragwerke und die Analyse der Standsicherheit am Computer zuständig. Er betreut unter anderem Projekte zum Bau eines Bürogebäudes in Mönchengladbach und von Shopping-Centern in Rheine und Neumünster. Bei Kontakten zu Auftraggebern aus Spanien wird seine Sprachkompetenz genutzt.

Michael Fastabend ist von der Arbeit des jungen Spaniers sehr angetan. "Luis hat sich sehr schnell integriert", erzählt er. Das Studium in Spanien sei zwar breiter ausgerichtet als in Deutschland, grundsätzlich biete es aber "eine gute Basis, um auch hierzulande als Bauingenieur zu arbeiten. Der Sprung in die Praxis kann aber schwierig sein", erklärt Fastabend. Vornehmliches Betätigungsfeld für López Fortis war und ist deshalb zunächst die Berechnung der Standsicherheit am Computer. Die Kontakte zu deutschen Kunden können dann später intensiviert werden.

Die Anwerbung ausländischer Ingenieure ist mittlerweile ein Weg, um dem grassierenden Ingenieurmangel zumindest etwas entgegenzuwirken. Laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie fehlen pro Jahr etwa 1000 bis 2000 Ingenieure im Bauwesen, da die Zahl der Hochschulabsolventen den Bedarf nicht mehr deckt.

Die Ingenieurkammer-Bau NRW sieht neben dem Bedarf an Arbeitskräften auch den Effekt der internationalen Vernetzung, die durch den Zuzug ausländischer Ingenieure forciert wird. "Das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten schafft Freiräume für den Abbau bestehender Vorurteile und eröffnet Chancen, die Neugierde auf das in Zukunft geforderte globale Miteinander in jeder Hinsicht zu fördern. Vertrauen kann hier nur durch Vertrauen gewonnen werden", sagt der Präsident der Kammer, Dr. Heinrich Bökamp.

Eine verstärkte Nachfrage von Ingenieuren aus dem Ausland beobachtet auch Thomas Kempen. "Die Zahl der Bewerbungen vor allem aus Spanien und Griechenland ist in den vergangenen zwei Jahren hochgeschossen. Davor bekamen wir praktisch keine Anfragen, heute sind es ein bis zwei Bewerbungen pro Woche", sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Ingenieurbüros Kempen Krause in Aachen. Etwa ein Zehntel der am Standort Aachen beschäftigten Mitarbeiter von Kempen Krause stamme mittlerweile aus dem Ausland.

Grundsätzlich seien die Hochschulausbildungen international "durchaus vergleichbar", betont Kempen. Entscheidend bei der Auswahl der Mitarbeiter seien vor allem die Qualifikation, ein guter Abschluss und das Renommee der Hochschule, die Sprachkompetenz und das Wissen um die europäischen Normen. "Gerne nehmen wir Leute, die schon an einem Lehrstuhl als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig gewesen waren oder in einem Büro mitgearbeitet haben." Damit sei gewährt, dass die Bewerber ihren Berufswunsch in der Praxis "schon erprobt" hätten. Robert Fontecha Gonzalez erfüllt diese Kriterien. Der 25-jährige Spanier hatte in Barcelona Bauingenieurwesen studiert und ab 2010 an der RWTH Aachen gelernt. Nach seinem Abschluss im Sommer 2012 hatte er sich bei Kempen Krause beworben und war genommen worden. Seit dem 1. Januar arbeitet er in dem Aachener Büro als Projektingenieur in der Tragwerksplanung. Sein hauptsächliches Arbeitsfeld ist die Statikberechnung von Gebäuden an Computern.

"Nach der großen Immobilienkrise in Spanien war es deutlich schwerer geworden, eine Stelle als Bauingenieur zu finden. Also hatte ich geschaut, ob ich in Deutschland einen Job bekommen kann", erzählt er. Die deutsche Sprache hatte Fontecha Gonzalez bereits in Spanien gelernt, weil er in einer Ferienanlage in der Region Girona gearbeitet hatte. Durch sein Studium in Deutschland, das über ein Erasmus-Programm ermöglicht wurde, konnte er seine Kontakte vertiefen. Zudem hat er eine deutsche Freundin, die er bereits 2009 in Spanien kennen gelernt hatte. Sie hilft ihm beim Eingewöhnen ins neue Umfeld. Eine Sehnsucht kann sie ihm aber nicht nehmen: "Ich vermisse das Wasser schon", gesteht der 25-Jährige. Auch die Bundesagentur für Arbeit bestätigt den Trend zum verstärkten Zuzug ausländischer Fachkräfte. So hätten sich im ersten Quartal 2014 fast 9000 junge Leute wegen einer dualen Ausbildung oder einer regulären Arbeitsstelle gemeldet und Fördermittel etwa für Deutschkurse oder den Umzug nach Deutschland angefordert – darunter seien überdurchschnittlich viele Spanier und weitere Südeuropäer.

Wie viele von den Anträgen von Ingenieuren stammen, sei nicht erfasst, erklärt eine Sprecherin der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur. Fakt sei in jedem Fall, dass sich bereits im ersten Quartal dieses Jahres mehr Antragsteller gemeldet hätten als im gesamten Vorjahr zusammen.

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