Autofahrerland Baden-Württemberg

Schönes Osterei

von:

RAINER OSCHÜTZ

Da hat ja der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) der schwarz-roten Koalition ein schönes Osterei ins Nest gelegt. Er fordert eine Sonderabgabe von 100 Euro für Autofahrer einzuführen, um die maroden Verkehrswege im Lande wieder flott zu bekommen. Da kann man sich als ständiger Mahner an dieser Stelle, dass der Staat seine Infrastruktur nicht verrotten lässt, nur die Augen reiben.

Der Kieler Regierungschef spricht davon, ein "zusätzliches nutzer-finanziertes System für den Erhalt unserer Infrastruktur" einführen zu wollen. Betrachtet man die verklausulierte Wortwahl jedoch genauer, so ist Albigs Forderung nichts anderes als eine "Maut durch die Hintertür". Offenbar ist der Begriff bei den Sozialdemokraten derzeit nicht opportun, weil die CSU schon damit hausieren geht.

Der norddeutsche Mahner: "Deutschland steht vor dem Infarkt seiner Infrastruktur. Wenn wir kneifen, wird uns die Realität einholen", scheint die ständigen Forderungen der Deutschen Bauindustrie an die Bundesregierung – nun endlich "Butter bei die Fische" zu geben – verstanden zu haben. Der Ministerpräsident verwies auf einen einstimmigen Länderbeschluss, wonach jedes Jahr 7 Mrd. Euro zusätzlich zur Sanierung verfallender Straßen bereitgestellt werden sollten. Die große Koalition in Berlin habe lediglich 5 Mrd. Euro zusätzlich in dieser Legislaturperiode bis 2017 für den Erhalt der Infrastruktur" vereinbart. Das sei einfach zu wenig.

Die Frage an Albig sei jedoch erlaubt, warum der Steuerzahler wieder herhalten muss. Dass eine Pkw-Maut kommt, die zwingend für den Erhalt der Verkehrswege eingesetzt wird, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Fest steht jedoch auch, dass ein Staat mit sprudelnden Steuerquellen in nie gekanntem Ausmaß auch in der Lage sein sollte, seine Infrastruktur in Ordnung zu halten.

Das provoziert gerade die Frage, ob die Prioritäten im Etat wirklich richtig gesetzt sind. Die schwarz-rote Große Koalition sollte besser noch einmal ihre Schwerpunkte bei den Ausgaben überdenken, anstatt sich fantasielos auf zusätzliche Einnahmen zu versteifen.

(dpa). – Als Winfried Hermann nach dem grün-roten Regierungswechsel in Baden-Württemberg Verkehrsminister wurde, war die Skepsis in der SPD groß. Der Grüne galt als prominenter Gegner des Bahnprojektes Stuttgart 21. Mit der Volksabstimmung im Herbst 2011 war dann aber klar, dass der Tiefbahnhof kommt. Hermann muss seitdem beim Bau des umstrittenen Projektes mithelfen. Öffensichtlich gibt sich der Parteilinke hier keine Blöße mehr. In einem anderen Bereich aber bot er zum Vergnügen der oppositionellen CDU in den vergangenen Wochen eine offene Flanke: in der Straßenbaupolitik.

Es ging um die Mittel, die Baden-Württemberg im Jahr 2013 vom Bund erhalten hat oder besser: nicht erhalten hat. Die CDU behauptete, das Bundesland habe auf "mindestens 100 Mio. Euro" verzichtet. CDU-Abgeordnete rechneten in ihren Wahlkreisen vor, welche Straßenbauprojekte mit diesem Geld hätten verwirklicht werden können. Im Autofahrer- und Industrieland Baden-Württemberg ist das Thema keine Petitesse: Die Nachricht fand weite Beachtung und nährte den ohnehin seit langem schwelenden Verdacht, dass der Grünen-Politiker kein Faible für den Straßenbau habe.

Hermann räumte ein, dass von 830 Mio. Euro des Bundes 15 Mio. nicht verbaut wurden und deshalb zurückgegeben werden mussten. Auch profitierte das Land nicht vom "Dezemberfieber-Geld", das der Bund kurzfristig aus dem Topf ungenutzter Mittel verteilt.

Der Minister begründete dies damit, dass die Straßenbauverwaltung nach den Personalkürzungen der Vorgängerregierungen am Anschlag sei und nicht mehr Geld verbauen könne. Die von der CDU genannten 100 Mio. Euro hält er für Spekulation, da unklar sei, wie viel Geld überhaupt im Bundestopf war. Und um mehr Geld zu verbauen, hätte der Bund erst weitere Baufreigaben erteilen müssen.

Tatsächlich hat Hermann das Ende der "Spatenstich-Politik" eingeläutet. Er will – anders als früher die CDU – keinen öffentlichwirksamen Baubeginn feiern, wenn die Finanzierung des Projekts nicht sicher ist. Vom Bund erwartet er deshalb eine verlässliche Planung.

"Sonst wird zu oft auf die Schnelle Steuergeld für Projekte rausgeworfen, die nicht durchfinanziert sind", sagte Hermann kürzlich der "Südwest Presse". "Da bringt der Spatenstich kurz Applaus, schafft dann aber Frust, wenn der Bau stockt." Jedoch fuhren andere Bundesländer mit ihrer Strategie 2013 offenkundig besser: Die FDP verwies darauf, dass Bayern 140 Mio. Euro an "Dezemberfieber-Geld" abgriff, Hessen 47 Mio. Euro und Niedersachsen 80 Mio. Euro.

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