BIM am Bau

Welche Lösungen tatsächlich funktionieren

STUTTGART (ABZ). - Bausoftwarehersteller wurden auf der diesjährigen Messe Bau in München allesamt zu Illusionisten. Das neue Zauberwort heißt BIM und jeder gibt vor, diesen modernen Ansatz perfektioniert zu haben. Leider ist in der Tat vieles mehr Schein als Sein. Denn sowohl das Interesse des BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) an einem Regelwerk für das modellorientierte Bauen in der Bundesrepublik als auch die von insgesamt 14 Verbänden der Bauwirtschaft unlängst gegründete Non-Profit-Initiative planen-bauen 4.0, die sich intensiv mit Normen, Richtlinien oder auch Ausbildungs-, Kooperations- und Vergütungskonzepten in diesem Umfeld befasst, schaffen Potenziale für einen großen Markt im Sektor Bau. Einen Markt, den jeder Hersteller erobern möchte, teils mit spektakulär anmutenden Ansätzen, auch "Hollywood-" oder "Bollywood-BIM" genannt. Doch was ist Fassade und welche Lösungen können tatsächlich funktionieren? Diverse Experten haben sich auf der Messe umgesehen und berichten, worauf es bei BIM-Produkten zu achten gilt.

BIM inaller Munde
Die Messe Bau ging kürzlich zu Ende und hat einen neuen Hype losgetreten. In der IT- und Softwarehalle C3 stand bei nahezu allen Ausstellern – ob Hersteller von CAD-Programmen, AVA-Software, Kalkulationssoftware oder Tools zur Ablaufplanung bis hin zu Content-Anbietern – ein Thema klar im Vordergrund: Building Information Modelling, kurz BIM, die Arbeit mit digitalen Bauwerksmodellen. Dabei spielt es keine Rolle, wie das Leistungsportfolio eines Unternehmens tatsächlich aussieht. Jeder brüstet sich mit dem Begriff BIM und verspricht potenziellen Kunden – von Architekten und Ingenieuren über Bauunternehmen bis hin zu öffentlichen Einrichtungen und Handwerkern – eine spektakuläre digitale Software, die möglichst alle Probleme des Planungs- und Baualltages zu lösen in der Lage ist. Man bedient sich eleganter Simulations-Tools, um die neuen Möglichkeiten zu präsentieren. Doch selten entspricht diese Vorstellung mit Greenscreens oder simplen Folienpräsentationen auch der tatsächlichen Realität für Erfolg in Büro und Baustelle. Best-Practice-Beispiele gibt es leider nur sehr wenige oder gar keine. Der BIM-Begriff taucht dabei auch in Variationen auf, deren Anwendung schlichtweg fraglich ist. Andere Hersteller offerieren simplen Content für das modellorientierte Arbeiten. Auch dieser wird unter dem BIM-Dach verkauft und dazu gibt es als Goodie für den Kunden ein Plugin zu einem am Markt etablierten 3D-CAD-System. Es gibt weiter Anbieter, deren BIM-Lösung ganz ohne ein Modell auskommt. Wie soll Building Information Modeling ohne Bauwerksmodell funktionieren? Und nicht nur die Softwarebranche selbst spricht permanent von BIM. Selbst Baustoffhersteller sind teilweise auf diesen Zug aufgesprungen. Versprechen tun alle vieles. Doch eine echte Hilfestellung für die nach Lösungen suchenden Unternehmen bieten solche Tools in den meisten Fällen nicht. Und ohne echte Beispiele aus der Praxis können Neulinge auch nur erahnen, ob sich die Produkte im Büro- und Baustellenalltag tatsächlich bewähren."Hollywood-BIM" oder gar "Bollywood-BIM" sind Begriffe, die die Messe Bau 2015 geprägt hat. Jeder kann BIM. Zumindest gibt dies jeder Softwarefabrikant vor. Der Leidtragende ist am Ende oft der Kunde, denn er geht davon aus, dass sich die spektakuläre Präsentation, die ihm auf der Messe für ein Produkt gezeigt wird, mit allen Finessen in seinem Unternehmen umsetzen lässt und ihn somit automatisch fit macht für die Herausforderungen, die die Branche zukünftig zu meistern hat.Dass viele Branchenvertreter unbedingt jetzt eine BIM-Lösung haben wollen, und die Hersteller daher fast allesamt auf diesen Zug aufspringen, versteht sich von selbst. Denn Deutschland rüstet sich aktuell für das Thema BIM, mit der von Verkehrsminister Alexander Dobrindt geleiteten und von seinem Vorgänger Ramsauer übernommenen Reformkommission Großprojekte. Auch in der Bundesrepublik werden die Fundamente für neue Regeln geschaffen, die den Einsatz von strukturierten, digitalen, modellbasierten Daten statt Papier bei öffentlichen Bauvorhaben vorgeben. Ähnlich wie in Großbritannien, Australien oder in Skandinavien wird es auch in Deutschland vermutlich bald ein Muss sein, in digitalen Umgebungen kompetent agierenzu können, wenn man an komplexen und kosenintensiven Bauprojekten beteiligt sein möchte. Damit hier niemand außen vor bleibt, will jeder, der plant oder baut künftig mit digitalen Prozessen arbeiten.
Klare Konventionenerforderlich
Ein Beispiel ist das Nachbarland Österreich. Hier wurde soeben ein Regelwerk entwickelt, das die Basis für den BIM-Prozess für öffentliche Baumaßnahmen inder Alpenrepublik bilden wird. Die neue ÖNORM wird aktuell lektoriert und von Fachausschüssen geprüft, bevor, voraussichtlich Mitte 2015, die Freigabe dafür erfolgen wird. "International wird Österreich mit diesen Neuerungen auf der Ebene des Vereinigten Königreiches gehandelt. Ein Land, in dem BIM schon länger gesetzt ist", erklärt Anton Gasteiger, Unternehmer und Vorstandsmitglied beim buildingSMART e. V., ein unabhängiger Verein, der sich seit vielen Jahren für die Vernetzung aller am Bau Beteiligten und klare Konventionen für den BIM-Prozess auf internationaler Ebene stark macht. In Deutschland wird es seiner Meinung nach noch etwas länger dauern, bis auch dort klare Regularien für Building Information Modeling vorliegen. Und nicht nur buildingSMART gibt hierfür reichlich Schützenhilfe, sondern auch Unternehmen, die sich mit dem Gesamtprozess BIM beschäftigen. Gasteiger weiter: "BIM kann nur dann funktionieren, wenn ein definierter Prozess an zentraler Stelle in einem Unternehmen fest verankert und vor allem auch komplett durchgängig ist." Dieses Ziel verfolgt der Statiker und BIM-Profi fortan mit einem Konsortium von Spezialisten für das modellbasierte, digitale, interdisziplinäre Planen und Bauen. Das Planungsunternehmen DhochN Digital Engineering GmbH bündelt ein Team von rund 100 Planern in diesem Umfeld, darunter Architekten, Ingenieure, Berater und soweit möglich Bauunternehmen. Die drei Gründer, Anton Gasteiger, Siegfried Wernik und Prof. Hans-Georg Oltmanns gehören als Vorstandsmitglieder von buildingSMART e. V. zu den Protagonisten auf dem Gebiet der digitalen, modellbasierten Planung. Gemeinsam wollen sie nun auch den Bauherren den Mehrwert deutlich machen.Entscheidet sich ein Unternehmen für modellbasiertes Arbeiten, ist selbstverständlich ein Blick in die Praxis von Vorteil: Welche Unternehmen aus welchen Sparten – von der Planung bis hin zum schlüsselfertigen Bauen – haben diese Arbeitsweise erfolgreich umgesetzt und wie sind sie vorgegangen? Welche Erfahrungen haben sie im Zuge des Umstiegs gesammelt und wie kann ein Neuling davon profitieren? Wie sehen die BIM-Prozesse konkret aus und welche Erfolge oder auch Misserfolge gibt es zu vermelden?Ein anderes Unternehmen, das im Bereich modellbasiertes Planen und Bauen bereits seit vielen Jahren eine klare Richtung vorgibt, ist die RIB Software AG mit Sitz in Stuttgart, Baden-Württemberg. Wenngleich weniger im Umfeld des Planens gesetzt, aus dem der BIM-Begriff ursprünglich stammt, geht die Strategie bei RIB schon seit rund zehn Jahren klar in Richtung eines integrierten Bauens. Alle am Projekt Beteiligten arbeiten mit virtuellen Modellen.Neben den drei Dimensionen aus der Grafik, egal ob für Hochbau oder Tiefbau, Tragwerksplanung oder technische Gebäudeausstattung, komplettieren die Kosten als Dimension vier und die Zeit als fünfte Dimension dieses integrale Bauen. Bei RIB spricht man daher auch nicht von BIM sondern von 5D. Erik von Stebut von der RIB Deutschland GmbH über den 5D-Ansatz: "Wir haben bereits vor Jahren erkannt, dass der BIM-Prozess bei den CAD-Anbietern am Ende des Planungsphase aufhört. Doch um aus der Arbeit mit Bauwerksmodellen einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, ist es erforderlich, vor allem die Bauphase in den BIM- oder 5D-Prozess einzubinden. Denn hier entstehen gewöhnlich die meisten zusätzlichen Kosten und Zeitverzögerungen. Daher gehen wir schon lange einen Schritt weiter mit 5D."
Unternehmen müssensich umstellen
Zu den wichtigsten Technologiepartnern der RIB Software AG im gesamten Bundesgebiet zählt das familiengeführte Bauunternehmen Max Bögl. Die Firmengruppe Max Bögl mit Stammsitz in Neumarkt in der Oberpfalz ist unter den Top-5-Bauunternehmen in Deutschland und beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der Digitalisierung in der Baubranche. Ein Expertenteam technisch-baubetriebliche Organisation, angesiedelt im Bereich Unternehmensentwicklung angeführt von Mathias A. Bartl ist unter anderem mit der Entwicklung von Lösungen für das praktische Arbeiten mit BIM-Modellen betraut. "Voraussetzung für eine modellorientierte Arbeitsweise ist zunächst eine Digitalisierung der eigenen Geschäftsprozesse", erklärt er. "Ziel ist, die Basis für ein integratives Arbeiten im Unternehmen zu schaffen." Das haben die Erfahrungen bei Max Bögl über die Jahre gezeigt. So werden im Unternehmen etwa 3D-Modelle für den Rohbau eigenständig erstellt. Bei einer 5D-Arbeitsweise (3D-Geometrie plus Kosten plus Zeit) mit der Software iTWO von RIB bedeutet das für die Praxis, dass sich die Aufgaben und damit verbundenen Entscheidungen von der Kalkulation zur Modellerstellung verlagern. Die bautypische Herausforderung kann somit mittels Modell nicht gelöst werden, sondern sie wird quasi erneut hinterfragt.Mathias A. Bartl weiter: "Voraussetzung für die modellorientierte Arbeitsweise ist eine ordentliche Planung. Die Praxis hat gezeigt, dass eine detaillierte Ausführungs-planung mit dem virtuellen Modell sich als gute Grundlage für den Bau erwiesen hat. Bei der Einbindung von Kosten verzahnen wir Leistungen mit Modelldaten – denn Kosten sind auf Leistungen referenziert." Dass BIM-Modelle immer stärker als die Lösung aller Probleme angeboten werden, sieht das Unternehmen kritisch: "BIM ist lediglich eine Datenbank von vielen, die im Unternehmen miteinander verzahnt werden müssen", fasst Bartl zusammen.Grundsätzlich empfiehlt das Unternehmen Max Bögl ein integratives Arbeiten mit Bauwerksmodellen – vom Virtuellen zum Physischen. Zielführend ist, langfristig alle beteiligten Bereiche und Disziplinen an das modellorientierte Arbeiten anzubinden, so auch Einkauf oder etwa die Finanzbuchhaltung.Die praktischen Erfahrungen aus dem Hause Max Bögl machen deutlich, dass ein Umstieg zum modellbasierten Arbeiten keine simple Lösung aller Probleme ist, sondern vor allem auch neue Herausforderungen im Tagesgeschäft aufzeigt. Diesen gilt es, sich zu stellen. Vor dem Erwerb neuer Produkte und Services empfiehlt sich daher immer ein Blick auf echte Praxisbeispiele.

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