Kommentar
Kognitiv
von: Kai-Werner FajgaDie Stadt Hamburg möchte von ihren Bewohnern gern wissen, wie diese ihre Umgebung wahrnehmen, und wie "räumliche Strukturen und Verflechtungen über die Stadtgrenzen hinaus in Interaktion stehen". Eigens dafür wurde nun eine Umfrage gestartet, die – höchst zeitgemäß – online stattfindet und selbstredend anonym und datenschutzkonform abläuft. Interessenten sollen sich dabei möglichst intuitiv ("nur mit ihrem spontanen Gefühl") durch diverse Fragen klicken ("Umfrage dauert etwa 15 Minuten") und sollen so helfen, "mentale Landkarten" zu erarbeiten. Engagierte Bürger und Spaßklicker dürfen dann antippen, wo sie gern hinziehen würden, – raten, in welchem Stadtteil bestimmte Ortsnamen zu finden sind, oder auf einer stilisierten Stadtkarte zeichnen, wo sie mögliche Barrieren wie Flüsse oder Brücken verorten würden. Die Ergebnisse der Umfrage sollen als "mentale Landkarten" in einen Atlas einfließen, den die Stadt Hamburg derzeit erstellt "
Jeder Mensch hat eine andere kognitive Karte eines Raumes", informiert Wikipedia, da jeder Mensch seine Umgebung unterschiedlich wahrnehme – je nach individueller Erfahrung und geistiger Verfassung. Der Begriff der "kognitiven Karte" geht auf Edward C. Tolman (1948) zurück, der ihn zur Erklärung von latenten räumlichen Lernleistungen (räumliches Lernen) bei Ratten in Labyrinth-Experimenten einführte. Laut Tolman sei eine kognitive Karte keine nützliche Hypothese, um das Verhalten von Menschen (oder Tieren) im Raum zu erklären. Eine etwas andere Skizze zu "räumlichen Strukturen und Verflechtungen" würden sicherlich das Statistikamt Nord für Hamburg/Schleswig-Holstein und das Statistische Bundesamt für den Atlas beisteuern.
Laut Statistikamt Nord sind in Hamburg im vergangenen Jahr nur rund 6000 Wohnungen fertig gebaut worden – und damit so wenige wie seit 2012 nicht mehr. "Die Suche nach einer Wohnung kann in Hamburg zum Höllenritt werden", beschrieb jüngst eine Hamburger Zeitung die aktuelle Situation. Das Statistische Bundesamt hingegen ermittelte für Mitte 2023 insgesamt 396 415 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die ihren Wohnsitz außerhalb Hamburgs hatten und täglich ihren Weg zur Arbeit in die Stadt auf sich nehmen (müssen?).