Der VDMA zur bauma 2022

„Die Chancen stehen gut, dass wir einen Pflock einschlagen können“

Joachim Schmid, Geschäftsführer VDMA Baumaschinen und Baustoffanlagen Mining, erläutert ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga das Engagement des Verbands zur diesjährigen Messe.
ABZ Exklusivinterview Messen und Veranstaltungen
Joachim Schmid ist Geschäftsführer VDMA Baumaschinen und Baustoffanlagen. Foto: VDMA

ABZ: Herr Schmid, verschiedene Einflüsse prägen aktuell das Geschehen in der Baubranche – nach Feiern ist niemandem Zumute. Was meinen Sie, wie sich das auf die bauma 2022 auswirken wird?

Schmid: Das ist momentan ein Blick in die Glaskugel. Zunächst könnten neu auftretende Varianten des Corona-Virus natürlich noch signifikant Einfluss nehmen. Aber wenn wir diese Möglichkeit jetzt einfach mal ausblenden und davon ausgehen, dass kein erneuter Einschnitt aus dieser Richtung erfolgt, ist die Grundstimmung, um auf eine Messe zu gehen, gut. Wir haben zweifellos ein paar Riesenthemen wie den Krieg in der Ukraine oder die Corona-Problematik in China vor Augen, da werden einige potenzielle Besuchergruppen ausfallen.

ABZ: Welches Bild wird sich den Besuchern in diesem Jahr bieten?

Schmid: Ich denke, insgesamt wird die Situation der bauma keinen Abbruch tun, weil viele für die Unternehmen wichtige Kontakte oder Entscheider sich einfach über Neuheiten informieren wollen. Ich bin seit rund 20 Jahren in der Branche und habe eine derart umfangreiche Transformationszeit wie die jetzige noch nicht erlebt. Ich glaube, die Menschen sind wirklich neugierig und wollen sich austauschen. Sicher bin ich kein Prophet, aber ich halte es für realistisch, dass ungefähr bis zu 20 Prozent weniger Besucher kommen werden. Ganz ehrlich – das würde der bauma an manchen Stellen sogar gut tun, denn auf der letzten Veranstaltung war es an verschieden Orten einfach zu voll.

ABZ: Das deckt sich auch mit der Einschätzung der Messe München als Veranstalter. Was sind die Erwartungen des VDMA an die Messe?

Schmid: Wir erwarten von der bauma ein gutes Programm und tolle Diskussionen zu allen Technikthemen. Wir sind ideeller Träger der Messe und unterstützen die Messe München ganz intensiv. Wir sind in Konzeption und Organisation des Rahmenprogramms stark involviert. Wir organisieren das bauma Forum, die Verleihung des Innovationspreises und die THINK BIG!- Nachwuchsinitiative sowie den Science-Hub-Gemeinschaftsstand der branchennahen Hochschulen. In früheren Zeiten hatten wir immer ein Partnerland oder eine Partnerregion ausgerufen, das ist 2022 eine echte Umstellung, da dies das erste Mal nicht der Fall ist – also ein ganz wesentlicher Switch, den wir gemacht haben. Statt einer Region werden diesmal fünf Leitthemen für die fünf Wochentage in den Fokus gerückt. Es geht viel um Klimaneutralität, die klimaneutrale Baustelle oder um neue Antriebssysteme. Oder darum, wie Energie auf die Baustelle kommt und die Digitalisierung vorangetrieben werden kann. Diese Themen waren noch nie so virulent wie heute.

ABZ: Welche Themen fokussiert der VDMA in diesem Jahr?

Schmid: Einerseits, wie schon erwähnt, Klimaneutralität oder die Verringerung des CO2-Fußabdrucks. Ein anderes wesentliches Thema ist die Arbeitsgemeinschaft Machines in Construction 4.0. Dahinter steckt eine umfassende Standardisierung, die es einem Bauunternehmer ermöglicht, Maschinen aus unterschiedlichen Häusern in ein einziges System einzubinden. Ferner haben wir den Kernpunkt Teilautomatisierung. Ziel ist es, die Bedienung von Maschinen komfortabler und leichter zu machen und damit die Maschineneffizienz zu erhöhen und gleichzeitig bei mangelndem Fachpersonal zu unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich Mining, und dort speziell die Digitalisierung des Bergwerks. Das Thema der neuen Bauverfahren liegt uns natürlich auch am Herzen. Vor allem, weil wir an dieser Stelle eine Transformation vor uns haben, die den Bau günstiger und insgesamt energieeffizienter machen soll. Bei den Baustoffen und Bauverfahren muss sich ganz klar etwas verändern. Beispielsweise in Richtung CO2-freier oder CO2-reduzierter Zement. Das sind die Punkte, die für uns auf der bauma im Fokus stehen.

ABZ: Was sind denn Ihrer Meinung nach die Highlights in diesem Jahr?

Schmid: Natürlich sind es eben diese technischen Themen, weil sich die bauma schon immer als Innovationsmarktplatz auszeichnete. Viele Aussteller entwickeln speziell zur Messe hin ihre neuen Produkte und Anwendungen, was aber nie so in den Blickpunkt gerückt wurde. Nehmen wir ein Highlight heraus – die MiC 4.0. Sich auf ein einheitliches Datenverständnis zu einigen, ist eine wirkliche Herausforderung, an der mittlerweile über 60 Firmen arbeiten. Ob Telemetrie- oder Arbeitsdaten – exakte Beschreibungen und Definitionen sind unerlässlich, ebenso wie die Frage wer welche Daten nutzen darf. Hier ist schon viel passiert und erste Ergebnisse zum Beispiel plug and play bei Anbaugeräten, werden auf der bauma vorgestellt. Und ja, ich bin wirklich mal gespannt, wie die Besuchernachfrage sein wird. Aber auch andere Angebote in der Innovationshalle LAB0 mit den Partner-Universitäten auf dem Science-Hub-Gemeinschaftsstand greifen die Leitthemen auf, ebenso wie die annähernd 50 Start-ups, die erstmals eine herausgehobene Plattform auf der bauma erhalten. Also, ich glaube wirklich, diese Mischung aus Zukunftsthemen und neuen Akteuren, das werden Highlights sein. Aber der Renner auf der bauma bleibt die Art und Weise, wie sich Hersteller mit ihren neuen Entwicklungen präsentieren. Das ist es, was den Bauunternehmer interessiert. Wie sieht die Maschine aus? Was kann sie? Warum ist sie besser als die Maschine, die ich bis jetzt im Betrieb habe? Und das wird, denke ich, von den Firmen wieder eindrucksvoll und super präsentiert werden.

ABZ: Wie wird der VDMA auf der bauma in Erscheinung treten?

Schmid: Messegäste finden uns in der Halle LAB0, im ICM mit der THINK BIG!-Initiative, in Halle C2 mit dem Mining Stand und dem OPC UA Demonstrator sowie in Halle A3 mit der Antriebs- und Fluidtechnik. Unsere Zentrale befindet sich auf der Grenze zwischen Hallen und Freigelände im Pressezentrum Ost.

ABZ: Noch einmal zum Thema MiC 4.0. Vernetzung und Digitalisierung auf der Baustelle sind ja nicht ganz neu. Manche Marktteilnehmer haben sich da schon aufgestellt. Ist es möglicherweise zu spät, jetzt noch eine Plattform zu entwickeln, die für alle Hersteller verpflichtend sein soll?

Schmid: Einfach wird es auf keinen Fall. Für große Unternehmen ist es immer ein sehr lukratives Geschäftsmodell, über die Maschine hinaus noch Zusatzangebote anzubieten und damit Geld zu verdienen. Natürlich ist es einfacher, etwa ein Flottenmanagementsystem für eigene Produkte zu entwickeln. Nur wird sich kein Bauunternehmer dazu verpflichten, ausschließlich Maschinen von einem Hersteller zu kaufen. Abgesehen davon gibt es momentan wahrscheinlich niemanden, der alle Maschinensegmente abdeckt. Und die Produkte von Fremdherstellern zum Beispiel durch Anbauten anzupassen, wird sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir gehen davon aus, dass der Markt Druck ausübt und Kunden erwarten, dass sich jede Maschine in eine solche Plattform einbinden lassen muss, und zwar völlig unabhängig vom Hersteller. Das ist auch der Grund, warum wir die Schnittstellen vollständig offen gestalten. Es kann jeder mitarbeiten und wer nicht mit im Boot ist, kann dann später diesen Standard zumindest benutzen. Im Prinzip bin ich da schon guter Dinge. Wobei mir bewusst ist, dass wir ein wirklich großes Rad drehen. Aber die Zeit ist reif dafür. Den Unternehmerinnen und Unternehmern wird immer klarer, dass proprietäre Lösungen, die nicht kompatibel sind, immer weniger Akzeptanz finden. Und deshalb bin ich fest überzeugt, dass wir an dieser Stelle einen Pflock einschlagen können.

ABZ: Wirken auch Bauunternehmer unter ihren Mitgliedern an dem Projekt mit?

Schmid: Genau deshalb haben wir die MiC 4.0 gegründet. Bauunternehmen können satzungsgemäß kein Mitglied im VDMA werden. Wohl aber können sie in dieser Arbeitsgemeinschaft mitarbeiten. Wir haben dazu eine eigene Satzung und einen Vorstand, in dem die Bauindustrie und die Bauunternehmer vertreten sind. Es ist uns wichtig, hier alle im Boot zu haben. Und bei allem, was noch vor uns liegt, wird es immer wichtiger, dass verbandsübergreifend und branchenübergreifend intensiv zusammengearbeitet wird.

ABZ: Warum wurde für die Plattform MiC 4.0 keine aktuelle Lösung aus dem Markt adaptiert?

Schmid: Sicher könnte man sagen, dass manch ein Hersteller bereits funktionierende Systeme hat, die womöglich auch Dritten angeboten werden. Allein, das sehe ich nicht. Nur eine neutrale Plattform wird im Markt eine Chance haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Komatsu, Caterpillar oder Liebherr die Plattform eines Wettbewerbers nutzen will.

ABZ: Ich schwenke jetzt zu einem anderen Bereich, der alle Unternehmen angeht. Und zwar die Krisen, die die Branche derzeit in Atem halten. Ob Rohstoffknappheit, Lieferkettenprobleme, oder Ukraine-Krieg. Welche der aktuellen Herausforderungen macht den VDMA-Mitgliedsunternehmen zurzeit am meisten zu schaffen?

Schmid: Momentan sind es bei den meisten Lieferkettenprobleme und die Verfügbarkeit von Teilen. Es stehen tatsächlich Maschinen bei Herstellern, die nicht fertig gebaut und ausgeliefert werden können. Das dürfte aktuell das Hauptproblem sein. Weitere Probleme sind natürlich die anstehenden Preiserhöhungen für Strom und Gas als auch der drohende Energiemangel. Planungen werden damit fast unmöglich. Viele Firmen sind aktuell damit befasst, Prozesse, die zum Beispiel Gas benötigen, umzustellen. Dadurch entsteht erst einmal eine Belastung, die Leute müssen sich kümmern. Das bestehende System funktioniert plötzlich nicht mehr, und man muss die gesamte Produktion anpassen und umbauen.

ABZ: Der VDMA hatte Ende Juli eine Pressemeldung veröffentlicht, nachdem die Baumaschinen-, Baustoff- und Anlagenindustrie in schwierigem Fahrwasser unterwegs ist und kein Umsatzwachstum trotz guter Auftragslage generieren kann. Wie beurteilen Sie insgesamt das Marktgeschehen hinsichtlich der Entwicklung in diesem Jahr und im kommenden Jahr?

Schmid: Im Moment ist alles im Fluss und verändert sich rapide. Da ist es schwierig, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Bei verschiedenen Gesprächen und Besuchen haben wir mitgenommen, dass sich das Thema Auftragseingang dreht.

Bei den meisten besteht im Moment ein ordentlicher Auftragsbestand, nur ist der Auftragseingang nicht mehr so, wie zu Beginn des Jahres. Das heißt, wir haben auf jeden Fall mit Rückgängen zu rechnen. Und ab hier wird es komplex bei der Vielzahl kritischer Einflussfaktoren verlässlich zu prognostizieren, wann mögliche Auswirkungen in welcher Ausprägung zu erwarten sind. Letztendlich muss die Auftragslage mit vorhandenen Produktionskapazitäten matchen. Im Idealfall. Heutzutage gibt es viel mehr Stellschrauben als früher. Vor nicht allzu langer Zeit war sicher, wenn ein Auftrag da ist, kann man in drei Monaten den Umsatz zu 100 Prozent planen. Heute ist nicht klar, ob jeder vorhandene Auftrag auch zu Umsatz führt oder wie sich Auftragseingänge entwickeln. Aus der Bauindustrie wissen Sie, dass die Planungen bei neuen Projekten stocken. Das hat am Schluss immer auch Auswirkungen auf unsere Branche, wenn auch mit Zeitverzug. Ich fürchte schon, dass wir im nächsten Jahr ein schwieriges Umfeld zu erwarten haben.

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