Erster recyclebarer Bau in Lamme

Baustart des Supermarkts aus Holzbausteinen ist erfolgt

von: Cornelia Rachow
Braunschweig. – Rund 40 Gäste hatte Edeka eingeladen, um den Fortschritt und die Bauweise des neuen Marktes "Neue Mitte Lamme" anzuschauen. Das Gebäude soll der erste recyclebare Supermarkt Deutschlands, errichtet aus Holzbausteinen von Triqbriq, werden. Die ABZ war in Braunschweig dabei und hat sich das Leuchtturm-Projekt angesehen
Triqbriq Nachhaltigkeit Hausbau
Ein Teil des neuen Supermarktes steht bereits. Foto: Cornelia Rachow

"Da kommt man im Brandfall fast in Versuchung, erst noch an die Kasse zu gehen und seine Einkäufe zu bezahlen", scherzte Stephan Kühl, Fachbereichsleiter Bauordnung Zentrale Vergabestelle bei der Stadt Brauschweig. Er berichtete den interessierten Zuhörern, dass die Feuerwiderstandsprüfung des neuen Marktes eine Zeit von 74 Minuten ergeben habe.

"Die innovative Bauweise passt mit ihrem Beitrag zur CO2-Minderung im Baubereich in die heutige Zeit. Das Bauvorhaben war auch für uns eine spannende und den Horizont erweiternde Aufgabe", betonte er. Im Vergleich zur herkömmlichen Massivbau- und Stahlbetonbauweise ermögliche die Holzbauweise mit diesem System eine umweltfreundlichere Alternative, weil dadurch etwa 50 Prozent weniger CO2-Emissionen entstehen sollen.

Natürlich erhalte der Markt auch die für Edeka-Märkte mittlerweile gängige Photovoltaikanlage und ein ausgeklügeltes Konzept zur Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, dass alle Energieverbräuche im Objekt überwacht und energieeffizient steuere, erörterte Carl Niklas Daser, Geschäftsführer Expansion bei der Edeka Minden-Hannover. Die Eröffnung des rund 1100 Quadratmeter großen Marktes im Westen von Braunschweig im Stadtteil Lamme ist für das Frühjahr 2025 vorgesehen. "Der Markt wird in dieser Form einzigartig in Deutschland sein und verbindet ein modernes Design mit einer nachhaltigen Bauweise", sagte er und weiter: "Wir sind froh, dass wir dabei auch die Rückendeckung der Stadt spüren, dieses besondere Projekt an diesem Standort umsetzen zu können."

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So soll der Markt bei der geplanten Eröffnung im Frühjahr 2025 aussehen. ABB.: EDEKA Minden-Hannover Foto: Cornelia Rachow

Dass sich auch Max Wörner, Vorstand der Triqbriq AG, gut gestimmt und voller Begeisterung für das Projekt zeigte, überraschte nicht. "Dieses zukunftsweisende Projekt zeigt eindrücklich das breite Anwendungsspektrum unseres TRIQBRIQ-Systems. Ökologisch und ökonomisch macht der Einsatz von TRIQBRIQ im Retailbereich hochgradig Sinn. Das liegt vor allem an unserem kreislauffähigen und ressourceneffizienten Ansatz. Gleichzeitig profitieren alle Beteiligten von der schnellen Aufbauzeit und der flexiblen Nutzung. Wir bedanken uns für das von der Edeka Minden-Hannover entgegengebrachte Vertrauen", sagte der Vorstand des erst im Jahr 2021 gegründeten Holzbau-Start-ups.

"Wir sind begeistert von diesem wegweisenden Projekt", sagte Wörner. "Der Einsatz unseres TRIQBRIQ-Systems bringt eine Vielzahl von Vorteilen im Bauablauf und in der Nutzung des Gebäudes. Der Bau dieses Supermarktes zeigt außerdem eindrücklich, dass nachhaltiges und kreislaufgerechtes Bauen in der Praxis funktionieren kann. Das rechnet sich und bietet für alle Beteiligten einen Mehrwert." Nachhaltigkeit fange im Wald an. Holz speichert CO2 – im Wald wie auch im verbauten Zustand. Wenn Holz geschlagen und weiterverarbeitet wird, bleibt der darin gebundene Kohlenstoff für Jahrzehnte oder gar für Jahrhunderte in einem Depot. Laut TÜV-Berechnungen kann TRIQBRIQ mehr als 200 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wandfläche langfristig einlagern, heißt es seitens des Unternehmens.

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Noppen und Sacklöcher machen die Verbindung stabil. Foto: Cornelia Rachow

Rund 15 Kilogramm schwer sind die einzelnen Holzbausteine (BRIQs), die die Außenwände des neuen Marktes "Neuen Mitte Lamme", bilden. Jeder Anwesende konnte einfach mit bauen und sich via Unterschrift auf der Unterseite des Steins verewigen. Mittels Buchenholzdübel werden die unter anderem aus Rest- und Altholz hergestellten Holzbausteine, die dem skandinavischen Kinderspielzeug nicht unähnlich erscheinen, miteinander verriegelt, nachdem sie aufeinander gesteckt wurden – Noppen und Sacklöcher machen dies möglich.

Sogar Schadholz könne verwenden werden, also Holz, das in der herkömmlichen Bauwirtschaft oft keine Verwendung findet und verbrannt wird. Dabei werde vollständig auf künstliche Verbindungsmittel und Klebstoffe verzichtet – die Innen- und Außenwände sind somit komplett rückbaufähig und Trocknungszeiten müssen beim Bau nicht berücksichtigt werden, versichern die Beteiligten.

Auch der Stein selbst wird über ein dreiaxiales System aus Kanthölzer (8 Zentimeter) aus Nadel-Kalamitätsholz mittels Buchenholz-Dübeln verbunden. Gemeint ist Holz, das als Ergebnis von Sturmschäden, Trockenheit und/oder Schädlingsbefall für eine weitere Nutzung eigentlich nicht nutzbar ist. Es stammt von beschädigten, umgefallenen beziehungsweise aufgrund der Schäden gefällten Bäumen. Die unterschiedlichen BRIQs werden in drei standardmäßigen Längen produziert, wobei Sonderanfertigungen möglich sein sollen.

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Freuten sich über die Baustellenfeier: Stephan Kühl (Stadt Braunschweig, v. l.), Max Wörner (Vorstand Triqbriq AG), Andreas Popko (Einzelhändler bei der Edeka Minden-Hannover), Niklas Daser (Geschäftsführer Standortentwicklung Edeka Minden-Hannover) und Cordula Uhde (Architekturbüro Architekten Klaassen – Uhde). Foto: Cornelia Rachow

Sonderanfertigungen seien beispielsweise auch für den Bau von Hochhäusern notwendig. Reiche beim Einfamilienhausbau oder bei Gewerbeobjekten wie in Lamme Kalamitätsholz durch das ausgeklügelte System aus den in unterschiedliche Richtung zusammengesteckten Kanthölzern, benötige ein Hochhaus noch mehr Festigkeit im BRIQ. Dafür müsse dann hochwertigeres Holz mit höheren Festigkeitsklassen verarbeitet werden. "Im Vergleich zur herkömmlichen Massivbau- und Stahlbetonbauweise ermöglicht uns die Holzbauweise mit diesem System eine umweltfreundlichere Alternative", sagte Ben Balon, Projektleiter bei der Edeka Minden-Hannover.

Der neue Markt in Lamme wird somit nicht nur ein Ort für den täglichen Einkauf, sondern auch ein Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen. Die Verwendung von Holz als Baumaterial und das innovative Holzbausystem sollen zeigen, dass es möglich ist, ein modernes Design auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Damit auch die Einkaufenden später dieses Design sehen und die Natürlichkeit des Holzes riechen können, sollen die Innenwände nicht verkleidet werden. Außen sorge eine weitere Holzfassade für zusätzliche Wärmedämmung und Optik. Damit die Innenwände unverkleidet bleiben können, musste das Dach umgeplant werden. Es wird komplett in Holzbauweise entstehen. Anstatt der üblichen Stahltrapezbleche im Dachtragwerk werden Mehrschichtholzplatten verbaut.

Ursprünglich war der Bauantrag für den Supermarkt noch in anderer Weise eingereicht worden. Erst Anfang des Jahres war Balon, wie er berichtete, von Alexander Pleinelt, Nachhaltigkeitsmanager bei CEV Handelsimmobilien im Edeka-Verbund aus Hamburg, auf TRIQBRIQ aufmerksam gemacht worden. Die Gesamtplanung und der Bauantrag wurden geändert und dann ging alles ganz zügig. Die Architekten Klaassen – Uhde aus Braunschweig planten um. Das beauftragte Unternehmen ist die Industriebau Haldensleben GmbH. Ein inhabergeführtes, mittelständisches Bauunternehmen. Seit 1996 realisiert das Team Gewerbebauten für Kunden unterschiedlicher Größe.

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Jeder Anwesende durfte sich auf einem BRIQ verewigen – im Bild Max Wörner – und den Stein selbst in die Mauer einsetzen. Foto: Cornelia Rachow

Das Bauunternehmen war bereits für den Supermarktbau vorgesehen, als die TRIQBRIQ noch kein Thema war. Ein geändertes statisches System führte zu kleineren Fundamenten und somit der Einsparung von CO2-intensivem Beton. "Ich bin die ersten zwei Tage hier mit auf der Baustelle gewesen und habe unterstützt", erläutert Lewin Fricke, beim Stuttgarter Start-up für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Mit strahlenden Augen berichtet er wie leicht sich die Holzbausteine auch für die Bauarbeiter bearbeiten lassen: "Es ist nicht staubig und die Bauzeit verkürzt sich extrem."

Eine Etage von 500 Quadratmetern aus TRIQBRIQs soll in zwei Tagen errichtet werden können. Der konventionelle Rohbau mit Beton würde im Gegensatz dazu circa zehn bis 20 Tage in Anspruch nehmen. "Da beim Bau mit TRIQBRIQ keine Trocknungszeiten einkalkuliert werden müssen und außerdem kaum Bedarf an Fachkräften besteht, werden die Warte-, Planungs- und Bauzeiten auf ein Minimum reduziert", sagt er. Je nachdem mit wie vielen Mitarbeitern das Bauunternehmen in Lamme vor Ort ist, stehen die Wände in diesen Tagen. Bereits für Herbst dieses Jahres ist das Richtfest geplant. Die Bauweise mit den TRIQBRIQs habe laut Fricke aber auch den Vorteil, dass Bauherren sehr flexibel bei der Gestaltung der Wände seien.

So soll es beispielsweise möglich sein, wie bei einem Mauerwerksmassivbau, Öffnungen auch noch nachträglich in die Wände einzubauen. Im Vergleich zu anderen Holzbauweisen, wie zum Beispiel dem Holzrahmenbau, sind mit dem TRIQBRIQ-Holzbausystem zukünftige vertriebliche Umbauwünsche deutlich einfacher umzusetzen. Da bei dem Start-up Nachhaltigkeit an erster Stelle stehe, "liefern wir unsere BRIQs daher komplett müllfrei auf Paletten auf die Baustelle". Die Schutzhüllen und Spanngurte der BRIQs sind dabei wiederverwendbar und werden vom Logistikpartnern mitsamt den Paletten wieder abgeholt. Damit der Hersteller der Holzbausteine der Nachfrage und dem eigenen Anspruch an Nachhaltigkeit gerecht werden kann, plant das Unternehmen weitere Produktionsstandorte. "Wir versuchen bis 2027 30 Produktionszellen in Deutschland verteilt zu haben", erläutert Fricke.

Mit Produktionszellen sind kleine mit Robotern ausgestatte Fabriken gemeint. Schon jetzt setzt das Unternehmen Roboter zur Herstellung der BRIQs ein. Ziel sei es aber, das Holz regional zu beziehen und auch dort zu bearbeiten und in der gleichen Region zu verbauen. Das spare Zeit, Geld und CO2. Wie teuer der Bau mit den Holzbausteinen im Vergleich zu konventioneller Bauweise ist, konnte Fricke nicht beantworten. "Wir bieten Baustoffe an", erläuterte er. Es müsse aber das Gesamtprojekt betrachtet werden, nicht nur der Preis der BRIQs, sondern eben auch verkürzte Bauzeite mit weniger Mitarbeitern und Material. Inhaber des Marktes in Lamme wird der selbstständige 51-jährige Kaufmann Andreas Popko, der in Braunschweig-Waggum bereits seit zehn Jahren erfolgreich einen Edeka-Markt betreibt. Zurzeit stellt er mit dem künftigen Marktleiter Tobias Wacht ein Team zusammen und baut die Beziehungen zu regionalen Lieferanten aus, damit sich das Thema Nachhaltigkeit nicht nur am Gebäude, sondern auch im Inneren des Marktes widerspiegelt.

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