EuGH: Deutsches Kaufrecht erneut europarechtswidrig

von:

RechtsanwaltCarl Elmar Hutter

Rechteck

Darum geht's: Der EuGH hatte über zwei ihm von deutschen Gerichten vorgelegten Verfahren zu den Kosten der Nacherfüllung zu entscheiden.Im Vorlagefall des BGH (C-65/09) wurden von einem Kunden Fliesen gekauft, die von einem anderen Unternehmer eingebaut wurden. Die Fliesen waren auf der Oberfläche schattiert. Der gerichtliche Sachverständige stellte Mikroschleifspuren fest, die nur durch Austausch der Fliesen beseitigt werden können. Der Käufer verlangte den Ausbau der alten Fliesen, den Einbau der neuen Fliesen und Ersatz und Lieferung von mangelfreien Fliesen. Der Lieferant berief sich darauf, dass er nur zur Lieferung neuer Fliesen verpflichtet sei, der Einbau sei nach dem Kaufvertrag nicht geschuldet. Der BGH stellt zudem fest, dass der Ein- und Ausbau beziehungsweise die Kosten hierfür über der so genannten absoluten Unverhältnismäßigkeitsschwelle von 150 Prozent des Wertes des mangelfreien Kaufgegenstandes liegen.Im Vorlagefall des Amtsgericht Schorndorf (C-87-09) kaufte eine Verbraucherin eine mangelhafte Spülmaschine, die wieder von einem Dritten Unternehmer in ihre Küche eingebaut wurde. Die Käuferin verlangte ebenfalls den Ausbau, Neulieferung und nachfolgenden Einbau der neuen Spülmaschine. Der Lieferant der Spülmaschine verweigerte den Ein- und Ausbau, beziehungsweise die Kostentragung hierfür.Der EuGH hat im Ergebnis unter Verweisung auf das zuvor ergangene "Quelle"-Urteil entschieden, dass der Käufer im Rahmen der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung nach Wahl des Käufers) von den Kosten der gesamten Nacherfüllung freizustellen ist. Die zusätzlichen Kosten des Ein- und Ausbaus, der vertraglich nicht geschuldet ist, dürfen nicht dazu führen, dass der Käufer dadurch mittelbar und im Ergebnis eben doch keine unentgeltliche Nacherfüllung erhält. Gleichzeitig stellt der EuGH fest, dass die deutsche Regelung der "absoluten Unverhältnismäßigkeit" gegen die Richtlinie 99/44/EG verstößt. Der Verkäufer wird bei wirtschaftlicher Unverhältnismäßigkeit nicht von seiner Leistungspflicht frei, er kann die Nachleistung nicht verweigern. Der EuGH weist jedoch darauf hin, dass die Kostenübernahmepflicht auf einen angemessenen Betrag beschränkt werden kann.Folgen für die Praxis: Brisanz besitzt die Angelegenheit deshalb, weil der Käufer regelmäßig mangels Verschulden des Verkäufers keinen Anspruch auf Schadensersatz besitzt, wenn der Verkäufer seiner handelsrechtlichen Prüfpflicht nachgekommen ist. Der Käufer kann also wegen des Ein- und Ausbaus keinen Schadensersatz verlangen. Über den "Umweg" der Kostenerstattung im Rahmen der Nacherfüllung haftet der Verkäufer nun doch – und zwar verschuldensunabhängig – für den Schaden des Käufers wegen der mangelhaften Sache.Der Fall vor dem EuGH bewegt sich zunächst im Bereich des Verbraucherrechts. Das deutsche Kaufrecht gilt jedoch für alle Parteien, egal ob Verbraucher oder Unternehmer. Es ist im Übrigen herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass eine "gespaltene" Auslegung desselben Gesetzestextes grundsätzlich unerwünscht ist. Daher bleibt abzuwarten, ob die Gerichte diese Rechtsprechung auch auf Verträge ausweiten, an denen kein Verbraucher beteiligt ist.Kanzlei: Böck Oppler Hering Münchenwww.bohlaw.de

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