Feuertaufe für innovatives Maschinenkonzept

Selbst gebaute Recyclinganlage erstmals in Betrieb genommen

von: Till Mataré und Torsten Mickel
Frankfurt am Main (ABZ). – Um Horizontalbohrungen zukünftig weiterhin wirtschaftlich und auf technisch höchstem Niveau anbieten zu können, hat die Bohrservice Rhein-Main Gesellschaft für Horizontalbohrungen mbH, Bodenheim, ein innovatives Konzept für eine neue Recyclinganlage umgesetzt. Ihren Piloteinsatz hat die neue Recyclinganlage beim Bau eines neuen Rechenzentrums in Frankfurt am Main mit Bravour gemeistert.
Rohr- und Leitungsbau
Piloteinsatz für die neue Recyclinganlage: Um Horizontalbohrungen zukünftig weiterhin wirtschaftlich und auf technisch höchstem Niveau anbieten zu können, hat die Bohrservice Rhein-Main Gesellschaft für Horizontalbohrungen mbH, Bodenheim, ein innovatives Konzept für eine neue Recyclinganlage umgesetzt. Foto: L-Team Baumaschinen

Als hochentwickelte Industrienation ist Deutschland darauf angewiesen, sich mit den Anforderungen einer digitalen Transformation der Gesellschaft auseinanderzusetzen und seine Kommunikationsstrukturen an eine Arbeitswelt 4.0 anzupassen. Dabei bilden Rechenzentren – in Kombination mit einer effizienten Breitbandinfrastruktur – eine wesentliche Basis dieser Digitalisierung. Der Bau solcher Hochleistungskomplexe erfolgt in der Regel in der Nähe zentraler Verknüpfungspunkte der Datenautobahnen. Als einer der bedeutendsten europäischen Verknüpfungspunkte kommt derzeit gerade Frankfurt am Main eine zentrale Rolle bei der Errichtung dieser digitalen Hotspots zu. Der Bau von Rechenzentren boomt in der Mainmetropole.

So auch im Stadtteil Sossenheim. Hier entstand im Zeitraum zwischen 2019 und 2020 in einem an der BAB 66 angesiedelten Gewerbegebiet ein neues Rechenzentrum. Da die dort vorhandene Strom-Infrastruktur jedoch keine weitere Belastung zuließ, entschied sich der regionale Stromversorger dazu, direkt an dem geplanten Rechenzentrum ein neues Umspannwerk zu errichten. Hierfür musste zunächst eine Anbindung an eine auf der gegenüberliegenden Seite der BAB 66 befindliche 110-Kilovolt-Leitung hergestellt werden. Für diese Anbindung des neuen Umspannwerks an die vorhandene Stromleitung war es geplant, die Bundesautobahn grabenlos im Horizontalspülbohrverfahren zu queren. In zwei parallel verlaufenden, jeweils 130 m langen Bohrungen im Abstand von rund 5 m sollten je vier PE-Kabelschutzrohre DA 180 SDR 11 eingebracht werden. Davon waren jeweils drei Rohre anschließend mit einer Phase der 110-Kilovolt-Leitung zu belegen, das vierte Kabelschutzrohr wurde mit je 3x PE DA 50 Kabelschutzrohren zur Aufnahme von Glasfaserleitungen bestückt. Zusätzlich sollte in jede Bohrung ein Erdungsseil mit eingezogen werden. Um die exakte Lagegenauigkeit der beiden Bohrungen zu gewährleisten, schrieb der Auftraggeber die Ortung der Pilotbohrung mittels Kreiselkompasses aus. Weiterhin erlaubte die Lage der BAB 66 mit den in unmittelbarer Nähe zum Nordwestkreuz (BAB 5) befindlichen Zu- und Abfahrten sowie einem erheblichen Verkehrsaufkommen keine alternative Ortung, für die mitunter temporäre Sperrungen einzelner Fahrstreifen notwendig geworden wären.

Den Zuschlag für die Arbeiten zur Leitungsverlegung erhielt die SANS Gesellschaft für Systeme-, Anlagen- und Netzbau GmbH, ein Unternehmen der Firmengruppe Hubert Niederländer, St. Ingbert. Diese beauftragte als Fachunternehmen für die Spülbohrarbeiten die Bohrservice Rhein-Main Gesellschaft für Horizontalbohrungen mbH, Bodenheim, die über ein hohes Maß an fachlicher Expertise für die durchzuführenden Bauaufgaben verfügt und mit einer eigenen 40-Tonnen-Bohranlage bereits ähnliche Projekte in der Region zur vollsten Zufriedenheit aller Baubeteiligten durchgeführt hat. Insgesamt wurden im Frühjahr 2020 für die Bohrarbeiten mit einer Ditch Witch JT100 eine Dauer von rund vier Wochen veranschlagt.

Die beiden unmittelbar nacheinander durchgeführten Pilotbohrungen erfolgten zügig und plangemäß innerhalb nur weniger Tage. Trotz der mitunter schwierigen Bodenverhältnisse – im Leistungsbereich wurden sowohl teilweise bindige Böden als auch Sand und Kies vorgefunden – verliefen auch die Aufweitbohrungen ohne weitere Komplikationen oder Verzögerungen. Lediglich die enormen Sicherheitsmaßnahmen auf der Zielseite des sich im Bau befindlichen Rechenzentrums erwiesen sich als herausfordernd und beeinträchtigten die Bohrarbeiten. Die kontinuierlich zwischen Auftraggeber, dem Hochbauunternehmen und den Tiefbauunternehmen durchzuführende Koordinierungsaufgaben bezüglich der zu- und abfahrenden Lkw und Mobilkräne für den Hochbau erwiesen sich dabei als sehr zeit- und arbeitsintensiv. Gleichwohl konnten beide Bohrungen trotz aller komplexen Rahmenbedingungen exakt nach Zeitplan erfolgreich durchgeführt werden. Dies beinhaltete auch das Verdämmen des Ringraumes beider Bohrkanäle sowie den Einzug der Kabelschutzrohrbündel DA 50 in die PE-Rohre DA 180. Der eigentliche Einzug der 110-Kilovolt-Systeme wurde anschließend von einem Spezialunternehmen durchgeführt.

Die 130 m langen, auf jeweils etwa 550 mm Durchmesser aufzuweitenden Bohrkanäle erforderten von vorneherein den Einsatz einer leistungsfähigen Recyclinganlage zur Wiederaufbereitung der Bohrspülung. Hierfür konnte die Bohrservice Rhein-Main erstmalig ihre eigene, nach detaillierten Erfahrungen mit ausgeliehenen Geräten selbst entworfene und gebaute Recyclinganlage einem Praxistest unterziehen. Als Basis/Geräteträger für die Eigenkonstruktion dient ein Lkw mit einem festen Aufbau mit Schwenkflügeltüren und einer heckseitigen Hebebühne mit einer Hubkraft von 2 t. Der große Vorteil dieses Aufbaus besteht in einer sehr kurzen Rüstzeit von nur 70 Minuten für zwei Mitarbeiter vor Ort. Durch die kompakte Bauweise in einem Fahrzeug und die Unterbringung sämtlicher Komponenten darin erfolgen die Installation und die Inbetriebnahme auf der Baustelle zügig und somit sehr wirtschaftlich.

Die in Frankfurt-Sossenheim erstmalig eingesetzte Recyclinganlage ist das Ergebnis einer auf langjähriger Praxiserfahrung beruhenden Weiterentwicklung bewährter Maschinentechnik. Dabei flossen alle aus vergangenen Projekten gewonnenen Erkenntnisse mit in die Entwicklung eines gleichermaßen an technischen und wirtschaftlichen Parametern orientierten Maschinendesigns ein. Die exakte Konfiguration aller technischen Features in Bezug auf eine baustellengerechte Ausstattung und Dimensionierung der innovativen Recyclinganlage wurde im eigenen Haus durch die Mitarbeiter der Bohrservice Rhein-Main durchgeführt, in hoher Eigeninitiative, quasi nach Feierabend, "nebenher zum Bohr-Alltag". Hierfür benötigten die Bohrexperten aus Bodenheim rund zwei Jahre, aber die Geduld hat sich gelohnt und der Erfolg gibt ihnen recht: Das Gerät funktionierte vom ersten Tag an exakt wie geplant. Es kam zu keinerlei Ausfallzeiten auf der Baustelle, da keine zusätzlichen Nachbesserungen oder Einstellungsänderungen vorgenommen werden mussten. Lediglich typische Feinjustierungen und ein geplantes "Training" des Personals waren notwendig, führten auf der Baustelle jedoch zu keinerlei Verzögerungen der Bauausführung. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die im Hause Bohrservice Rhein-Main bewusst getroffene Entscheidung, für den neuen Anlagenaufbau eine durch die L-Team Baumaschinen GmbH, Ranstadt, vertriebene leistungsstarke Recyclinganlage zu verwenden, genau richtig war. Mit dieser Anlage ist es problemlos möglich, der maximalen Leistung der Ditch Witch JT100 mit einer maximalen Spülleistung von 870 l/min entsprechen zu können.

Für die neue Recyclinganlage wurde von der Bohrservice Rhein-Main eine Zentrifuge mit einer maximalen Leistung von 550 l/min sowie das passende Siebdeck erworben. Herzstück der Anlage ist eine vollautomatische Steuerung und Überwachung des kompletten Systems, welche zusätzlich mittels Tablet/Laptop von der Bohranlage aus zu bedienen ist. Ferner ist eine Anmischung von Bohrspülung mit einem auf der Recyclinganlage installierten Venturi System möglich. Dies können derzeit am Markt erhältliche Seriengeräte nicht leisten, was zusätzlich für den von den Tüftlern aus Bodenheim gewählten Ansatz spricht, eine Recyclinganlage im Haus selbst zu entwerfen und aufzubauen. Um den sich verändernden Ansprüchen der Auftraggeber von vornherein Rechnung zu tragen, wurde darüber hinaus als Zusatz eine Flockstation fest verbaut. Dies diente dem Ziel der angestrebten Komplettlösung, mit der Recyclinganlage die verbleibende Bohrspülung vollständig wiederaufzubereiten. Ebenso außergewöhnlich ist die Überwachung der Pufferbehälter, in diesem Fall die Tanks eines am Markt üblichen Misch-Lkw. Hierzu wurde, um Datenverluste zu vermeiden, eine Kabelverbindung zwischen der Recyclinganlage und dem Misch-Lkw aufgebaut. Die elektronischen Füllhöhenanzeigen können sowohl im Regelbetrieb mit kleineren Bohranlagen und ohne Recyclinganlage verwendet werden, als auch, wie hier beschrieben, in Verbindung mit der Recyclinganlage. Der Bediener der Bohranlage hat somit einen kompletten Überblick über das System. Ebenso hat der Mitarbeiter, der sich auf der Recyclinganlage befindet, Überblick über die Füllhöhen der Tanks im separaten Misch-Lkw oder Pufferbehälter. Dies erspart die bislang häufig nötigen Wege des Mitarbeiters zwischen Recyclinganlage und Pufferbehälter zur Füllstandskontrolle.

Nach ausgiebigen Tests mit verschiedenen Systemen als Anhängerversion und Abroll- beziehungsweise Absetzversion entschied man sich bewusst für einen Aufbau in einem separaten Lkw. Dies stellt ein hohes Maß an Flexibilität sicher, um zum Einsatzort zu gelangen oder die Anlage vor Ort schnell und sicher umzusetzen. Auch das hohe Eigengewicht der Recyclinganlage sprach für einen Festaufbau in einem Fahrzeug. Ebenso ungewöhnlich und nicht bei Serienmodellen zu finden ist ein am Heck des Lkw fest installiertes schwenkbares Förderband, mit dem die im Recyclingprozess abgeschiedenen Feststoffe direkt in Container, auf Lkw, in eine Radladerschaufel oder ähnliches gefördert oder als Haufwerk hinter dem Recycling-Lkw abgelagert werden können. Diese Idee wurde bei einem der ersten Einsätze mit einer gemieteten Recyclinganlage eher zufällig entwickelt. Hierzu kam ein Förderband aus der Landwirtschaft erfolgreich zum Einsatz. Diese Lösung hielt dann auch bei der Entwicklung und Planung des nun fertigen Recycling-Lkw Einzug und hat sich wie erwartet vom ersten Tag an bewährt. Das Förderband ist im fahrbereiten Zustand eingeklappt und wird mit Hilfe der am Lkw vorhandenen Hebebühne positioniert und vor Ort auf- beziehungsweise abgebaut. Die in Frankfurt am Main berechnete Menge von knapp 80 m³ an anfallenden Feststoffen aus dem Recyclingprozess wurde exakt erzielt. Aufgrund beengter Platzverhältnisse musste das Material als Haufwerk aufgeschüttet werden. Mit Hilfe eines Minibaggers wurde das Recyclinggut seitlich abgelagert/umgesetzt und später ordnungsgemäß beprobt und deponiert.

Nach dem erfolgreichem Ersteinsatz und dem Betrieb im Zusammenspiel mit einer am oberen Limit laufenden 40-Tonnen-Bohranlage wurde die Recyclinganlage sodann zu einer Felsbohrbaustelle nach Bacharach umgesetzt und konnte wiederum auf ganzer Linie überzeugen. Die Felsbohrungen wurden mit einer Ditch Witch AT30 im Schieferfels durchgeführt. Da entlang der schmalen Kreisstraße die notwendigen Baustelleneinrichtungsflächen sehr knapp bemessen waren, konnte die Recyclinganlage direkt mit der Bohranlage gekoppelt werden und lief autark ohne Verwendung einer weiteren Mischanlage als Puffer. Hierbei zeigte sich deutlich, dass sich der Einbau eines Venturi-Mischsystems als richtig erwiesen hatte.

Einige ungewöhnliche technische Neuerungen haben die Leistungsfähigkeit der Recyclinganlage verbessert:

  • vollautomatische Steuerung und Überwachung sowohl von der Recyclinganlage aus als auch aus der Kabine des Bohrgerätes,
  • Förderband zum Verladen der abgeschiedenen Recycling-Feststoffe,
  • Möglichkeit der Beimischung von Bentonit und/oder Polymeren direkt auf der Recyclinganlage,
  • bei Bedarf Verwendung einer fest installierten Flockstation und
  • die autarke Stromversorgung durch einen fest installierten Stromgenerator.

Der Einsatz der neuen Recyclinganlage hat sich bei beiden Projekten von Beginn an bewährt. Für die Bohrservice Rhein-Main Gesellschaft für Horizontalbohrungen mbH war es die richtige Entscheidung, um auch zukünftig Bohrungen wirtschaftlich zu marktüblichen Preisen anbieten zu können. Das durchdachte, einfach zu handhabende und baustellengeeignete Bedienkonzept der Recyclingtechnik überzeugt alle Mitarbeiter in Bezug auf seine technische Leistungsfähigkeit und das einfache Handling auf der Baustelle. Eine Vermietung der Recyclinganlage ist aufgrund der derzeitigen Auslastung nicht geplant.

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Till Mataré arbeitet für die Bohrservice Rhein-Main Gesellschaft für Horizontalbohrungen mbH in Bodenheim, Torsten Mickel ist bei der L-Team Baumaschinen GmbH in Ranstadt angestellt.

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